Auch 5 Jahre nach dem Corona-Lockdown gelten die wenigen Richter, die damals die Maßnahmen juristisch infrage gestellt haben, noch immer als Feinde, die sanktioniert werden.

„Die Grenzen richterlicher Unabhängigkeit bei Weitem überschritten“

Auch fünf Jahre nach Beginn des Corona-Lockdowns ist trotz aller Beteuerungen einer gründlichen Aufarbeitung aller Fehler, die damals gemacht wurden, der Begriff Querdenken noch immer mit Stigmatisierung und Sanktionierung verbunden. Dass der 61jährige Richter Dettmar wegen seines Maskenurteils vor Gericht gezerrt wurde und seine Pensionsansprüche verlor, wird in dem Artikel nicht etwa als Angriff auf die richterliche Unabhängigkeit kritisiert sondern verteidigt

Seit Trumps zweiter Amtszeit gibt es in Medien in Deutschland eine bange Frage. Wird sich die rechte Regierung in den USA an Urteile der Justiz halten, die der Administration Grenzen setzen?  Es wurde sogar argumentiert, dass man die Trump-Regierung als faschistisch bezeichnen kann, wenn sie sich über Gerichtsurteile hinwegsetzt. Die Diskussion darum ist etwas leiser geworden, seit vor allem der Oberste Gerichtshof der USA in den letzten Wochen mehrmals Urteile im Sinne der Trump-Administration fällte. Aber es gibt noch genügend andere Länder, um deren Justiz sich …

… linke und linksliberale  Medien  besondere Sorgen machen und das sicher zu Recht: Ungarn, die Türkei, Italien. Es sind durchweg Länder mit konservativer bis ultrarechter Regierung.  Es gibt auch schon länger in Deutschland  Bestrebungen, die Justiz und da vor allem das Bundesverfassungsgericht vor einem Einfluss der AfD zu schützen.

Dieses Thema ist schon längst in der Parteipolitik angekommen. So fordert Die Linke ein Vorschlagsrecht bei der Wahl der Richter zum  Bundesverfassungsgericht und argumentiert mit den Mehrheitsverhältnissen. Weil für die  Richterwahl eine Zweidrittelmehrheit benötigt wird, komme es auf die Stimmen seiner Partei an, wenn man nicht auf die AfD angewiesen sein will,  so Linken-Parteivorsitzender Jan van Aken.

Noch schwieriger ist die Situation in einigen Bundesländern wie Sachsen oder gar Thüringen, wo die AFD eine Sperrminorität bei allen Personalvorschlägen – auch bei der Richterwahl – hat. Um eine Blockade der Richterwahl in Thüringen zu verhindern  gab es dort schon ein Gespräch zwischen Politikern der in dem Bundesland mitregierenden BSW und dem Thüringer AfD-Vorsitzenden Höcke.

Kann die Justiz nur von der AfD instrumentalisiert werden?

 Der Deutsche Anwaltsverein warnt mit Recht, dass ein AfD-Justizminister auch sein Weisungsrecht gegenüber der Justiz ausüben könnte, und rät zur gesetzlichen Vorsorge. Das sind alles begrüßenswerte Unterfangen. Doch es fehlt dabei ein Aspekt. Natürlich üben auch die bisherigen Minister aller Parteien schon das Weisungsrecht aus. Nur fragt da kaum jemand, ob das immer so  positiv im Sinne von Demokratie und Menschenrechten ist.

Bei allen Verfahren nach dem  Paragraphen 129b, der Unterstützung einer ausländischen terroristischen  Vereinigung, ist gegen kurdische und türkische Linke  eine Einzelermächtigung des Bundesjustizministerium notwendig. Betroffen sind von diesen Anklagen oft Menschen, die schon  in der Türkei viele Jahre  inhaftiert waren und in Deutschland daher politisches Asyl erhalten hatten.  Hierzulande werden sie dann wiederum für  eigentlich völlig legale Aktivitäten wie die Organisierung von Konzerten und Veranstaltungen angeklagt, die bei einer 129b-Anklage  dann als Unterstützung einer terroristischen Vereinigung kriminalisiert werden. Da gäbe es also gut Gründe, auch einen kritischen Blick auf Weisungen an die Justiz zu werfen, wenn sie nicht von potentiellen AfD-Ministern kommen.

Kritischer Richter sanktioniert

Doch es gibt auch einige Juristen, die sich  in der Organisation Kritische Richter und Staatsanwälte zusammengeschlossen haben. Entstanden ist sie in der Coronakrise. Mitglieder sind auch Richter, die einige der damals beschlossenen Maßnahmen als rechts- und verfassungswidrig bezeichneten. Nun könnte man denken, dass solche kritischen Richter gerade in solchen Krisenzeiten von allen Liberalen verteidigt werden, die schließlich in den USA, Ungarn oder Türkei die kritischen Richter so hoch loben.

Der Weimarer Familienrichter Christian Dettmar ist als Maskenrichter in die Geschichte eingegangen. Er  hat 2021 für kurze Zeit für Aufmerksamkeit gesorgt, weil er als Familienrichter die Aufhebung der Maskenpflicht an zwei Weimarer Schulen angeordnet hat. In der nächsten Instanz wurde das Urteil schnell wieder aufgehoben. So etwas ist juristische Routine. Doch nicht in diesen Fall. Richter Dettmar verlor nicht nur sein Amt. Er wurde wegen Rechtsbeugung zur einer Bewährungsstrafe verurteilt und ging damit aller seiner Pensionsansprüche verlustig.

Nun stelle man sich nur vor, eine solche Maßnahme wurde in Ungarn gegen Richter verhängt, die dort eine Verordnung der Regierung außer Kraft gesetzt hätten. Die Sympathie aller Liberaler wäre diesen Richtern gewiss. Es würde Unterschriftenkampagnen für sie geben und sicherlich würde es an Demokratiepreisen für sie nicht mangeln. Doch der „Weimarer Maskenrichter“ genießt keinerlei Sympathie bei Linksliberalen, auch nicht im Jahr 2025. Das zeigt ein  Taz-Artikel über „Richter mit politischer Mission, der auch im Jahr 2025 noch mit “Querdenker in der Justiz“ übertitelt ist.

Auch fünf Jahre nach Beginn des Corona-Lockdowns ist trotz aller Beteuerungen einer gründlichen Aufarbeitung aller Fehler, die damals gemacht wurden,  der Begriff Querdenken noch immer mit Stigmatisierung und Sanktionierung verbunden. Dass der 61jährige Richter Dettmar wegen seines Maskenurteils vor Gericht gezerrt wurde und seine Pensionsansprüche verlor, wird in dem Artikel nicht etwa als Angriff auf die richterliche Unabhängigkeit kritisiert  sondern verteidigt. Schuld ist der Richter selber: „Sein richterliches Engagement gegen die Maskenpflicht in Schulen, Abstandsgebote und PCR-Tests an zwei Thüringer Schulen hatten ihn in eine Sackgasse getrieben“, schreibt taz-Autor Joachim Wagner.

„Die Grenzen richterliche Unabhängigkeit bei Weiten überschritten“

   Er kritisiert, dass  der Weimarer Amtsrichter Matthias Guericke noch im Amt ist, obwohl er  doch ständig mit  seinen Kollegen Dettmar in Kontakt war und sich mit ihm auch über das Maskenurteil ausgetauscht habe. Schließlich weiß der Taz-Redakteur Erschreckliches über den Juristen zu berichten:  „Amtsrichter Guericke hatte zuvor als Privatmann schon zweimal vergeblich gegen die Maskenpflicht geklagt, bevor er einen Coronasünder freigesprochen hat, wobei er die Thüringer Maskenpflichtverordnung für verfassungswidrig und nichtig erklärte.“

Noch schlimmeres hat der Redakteur über den Richter ausgegraben: Der Lockdown beruhte für Guericke auf „Schreckensszenarien“, ein „Strategiepapier“ des Bundesinnenministeriums nannte er in seiner Urteilsbegründung „Science-Fiction“ und die „Politik des Lockdowns“ war für ihn eine „katastrophale politische Fehlentscheidung“. Mi dieser Position war Guericke nun nicht allein und es wäre  fünf  Jahre später vielleicht an der Zeit, über diese Punkte noch einmal gründlich zu diskutieren.  Statt dessen werden in dem Artikel Staatsrechtler angeführt, die sich eine noch härtere staatliche Reaktion auf so viel richterliche Unabhängigkeit gewünscht hätten. „Die Staatsrechtler Michael Brenner und Christian Hillgruber sehen hier ein Versagen der Dienstaufsicht, wie taz-Anfragen ergeben haben. Für Brenner hat Guericke mit der Kritik an der Anti-Corona-Politik der Bundesregierung als ‚katastrophale politische Fehlentscheidung‘ die ‚Grenzen richterlicher Zurückhaltung bei Weitem überschritten‘. Auch für den Bonner Staatsrechtler Hillgruber ist klar, dass sich ein Richter in diesem Fall nicht ‚auf Grundrechte berufen‘ kann.“

 Keine Gnade für Maskenrichter im Jahr 2025

Mit keinem Wort werden im Jahr 2025  Argumente herangezogen, die das Handeln von Wagner in einem anderen Licht erscheinen lassen könnten. Fünf Jahre nach Beginn des Corona-Lockdowns ist bekannt, dass  Schulkinder nicht die Treiber de Corona-Pandemie waren. Es ist auch bekannt, dass  das Maskentragen bei Kindern teilweise schwere gesundheitliche und psychische  Probleme zur Folge hatte. Da wäre es doch eigentlich angebracht, im Rahmen einer Amnestie auch die Strafen gegenüber Richter Dettmar aufzuheben.

Es ist schon interessant zu beobachten, dass diejenigen aus Politik und Wirtschaft, die sich am Maskenhandel verdienten, juristisch kaum belangt werden. Ein Richter, der im Jahr 2021 tatsächlich seine Unabhängigkeit bewahrt hatte, wird hingegen bis heute verfolgt. Damit soll ein Exempel statuiert werden. Juristen sollen es  künftig bloß nicht wagen, Urteile zu fällen, die die deutsche Kriegsfähigkeit oder andere Säulen der deutschen Staatsraison mit ihrer richterlichen Unabhängigkeit infragestellen bzw. die Grenzen richterlicher Unabhängigkeit überschreiten. Dann könnte wie für Richter Dettmar Bestrafung, Verlust der Pensionsansprüche drohen. Unterstützung all der Liberalen, die ihr Herz für die unabhängige Justiz in Ungarn, den USA oder Israel so lautstark bekunden, können sie nicht erwarten.

Der Autor hat bereits 2020 mit Clemens Heni und Gerald Grüneklee das Buch Corona und die Demokratie und 2022 mit Anne Seeck, Gerhard Hanloser und Harald Rein das Buch Corona und die linke Kritik(un)fähigkeit herausgegeben.