Für vieles hätte die zurückgetretene Innenministerin von Brandenburg Katrin Lange Kritik verdient Aber nicht dafür, dass sie den Verfassungsschutz in die Schranken weisen wollte.

Wenn Linke plötzlich den Verfassungsschutz lieben

Dabei wäre Lange gerade darin zu unterstützen, dass sie den Verfassungsschutz der Politik unterordnen wollte. Sie wollte ihn weder auflösen noch verkleinern. Und sie spricht sich dagegen aus, dass diese Ämter und nicht die Wähler Parteien bewerten. Das ist ein bürgerlich-demokratischer Mindeststandard. In vielen anderen Fragen aber ist Lange zu kritisieren und es ist verständlich, dass es viele gibt, die ihren Rücktritt begrüßen.

Außerhalb von Brandenburg wurde die Innenministerin Katrin Lange erst durch ihren Rücktritt einer größeren Öffentlichkeit bekannt. Wenn über sie berichtet wurde, dann vor allem wegen ihre konservativen Gesellschaftspolitik und ihrer Stimmungsmache gegen Migranten. Doch nicht deswegen musste sie zurücktreten. Der unmittelbare Anlass war die …

… Entlassung des Chefs des Verfassungsschutzes von Brandenburg. Sie warf ihm vor, das Vertrauensverhältnis sei verletzt, weil der sie angeblich zu spät darüber informiert habe, dass der Verfassungsschutz den Landesverband der AFD Brandenburg als gesichert rechtsextrem hochgestuft hat. Die Frage des Zeitpunkts der Information scheint tatsächlich etwas unglaubwürdig. Es ging dabei wohl um Grundsätzliches, wie aus Langes Erklärung zu ihrem Rückritt deutlich wird. Der zentrale Absatz lautet:

„Ich bin schon seit einiger Zeit der Auffassung, dass Anlass besteht, Form und Inhalt der Auseinandersetzung mit der AfD kritisch zu überdenken. Und zwar deshalb, weil sie erfolglos ist. Ich bin nicht für einen weicheren Umgang mit der AfD, sondern für einen besseren und wirksameren; für so einen, der die AfD endlich einmal kleiner macht statt immer größer. Ich glaube: Politische Herausforderungen sollten in einer Demokratie in erster Linie politisch beantwortet werden.“

Verweis auf DDR-Opposition

Damit hat sie tatsächlich einen wichtigen Punkt angesprochen. Verfassungsschutzämter, die die Daumen heben und senken bei der Frage der Verfassungstreue von Parteien, sollten eigentlich in der bürgerlichen Demokratie nichts zu suchen haben. Sie sind vielmehr Kennzeichen eines autoritären Staatsverständnisses. Lange hat auch explizit vor dem „Abschied von der freiheitlichen Tradition der ostdeutschen Sozialdemokratie im Gefolge der friedlichen Revolution von 1989″ gewarnt. Sie hat damit Recht, wenn sie sich auf die Phase der DDR-Oppositionsbewegung bezieht, als diese die Ämter der Staatssicherheit besetzten und ersatzlos auflösen wollten. Doch schnell setzen sich in der ehemaligen DDR-Oppositionsbewegung diejenigen durch, die nach der Wiedervereinigung gegen den Verfassungsschutz nichts mehr einzuwenden hatten.

Nun war Lange bisher nicht besonders als Kritikerin des gesamtdeutschen Verfassungsschutzes bekannt geworden. Diesen Part hatten vor vielen Jahren die Grünen und später die Linkspartei übernommen. Sie hat im Programm noch immer die Auflösung des Verfassungsschutzes stehen. Daher hat Lange recht, wenn sie in ihrer Abschiedserklärung schreibt: „Ausgerechnet die Partei, die den Verfassungsschutz abschaffen will, schwärmt jetzt plötzlich von der Behörde, ‚die unsere Verfassung und damit die Demokratie schützen soll‘. Das nenne ich verlogen.“

Die Linke und der Verfassungsschutz

So hat der Landesvorsitzende der nicht mehr im Landtag vertretenen Linken den Ministerpräsidenten von Brandenburg Woidke aufgefordert, sich öffentlich beim ehemaligen VS-Chef Müller zu entschuldigen. Mittlerweile stimmt Walte sogar in den Chor von Grünen und CDU ein, die fordern, dass Müller wieder in sein altes Amt eingesetzt wird. Ob Walter wirklich denkt, dass seine Partei die Rückkehr in den Landtag von Brandenburg mit besonders viel Opportunismus schafft? Gibt es noch Mitglieder, die Walter an die Beschlusslage der Linkspartei nicht nur in Brandenburg, sondern auch im Bund erinnern? Dort wird die Abschaffung all dieser Dienste gefordert. Und jetzt stellt sich der Vorsitzende der in dem Bundesland außerparlamentarischen Partei hinter den Verfassungsschutz im Konflikt mit einer Politikerin. Damit verteidigt er die Interessen eines von niemand gewählten Fremdkörpers in einer Demokratie, der nicht reformiert, sondern aufgelöst gehört.

Dabei wäre Lange gerade darin zu unterstützen, dass sie den Verfassungsschutz der Politik unterordnen wollte. Sie wollte ihn weder auflösen noch verkleinern. Und sie spricht sich dagegen aus, dass diese Ämter und nicht die Wähler Parteien bewerten. Das ist ein bürgerlich-demokratischer Mindeststandard. In vielen anderen Fragen aber ist Lange zu kritisieren und es ist verständlich, dass es viele gibt, die ihren Rücktritt begrüßen. Dazu gehören Menschen, die sich für die Rechte von Geflüchteten einsetzen.

Vorbild dänische Sozialdemokratie?

Für manche in der SPD war Lange eine Hoffnungsträgerin, die nach dem Vorbild der dänischen Sozialdemokratie, um mit einer konservativen Gesellschaftspolitik die Rechten zu minimieren. Diese Diskussion wird schon seit mehreren Jahren geführt. Darauf bezieht sich Lange, wenn sie in ihren Abschiedsbrief schreibt, „wonach es mit Blick auf die AfD darauf ankommt durch entsprechende Angebote den Souverän dazu zu bewegen, bei der nächsten Wahl anders zu entscheiden“.

Lange handelt nach einer Devise, die die CDU-Politikerin Julia Klöckner an AfD-Wähler so formuliert hatte: „Für das, was Ihr wollt, müsst Ihr nicht AfD wählen. Dafür gibt es eine demokratische Alternative: die CDU.“ Lange wollte dieses Angebot auf die SPD ausweiten. Das bedeutet aber auch, nicht die rechte Politik wird kritisiert, sondern nur wenn sie von der AFD formuliert wird. Wenn nun aber die sogenannten demokratischen Parteien die gleiche Politik machen, ist es für Klöckner und Lange sogar ein Beitrag im Kampf gegen Rechts. So sorgt die AfD heute schon dafür, dass die Politik nach rechts rückt, ohne dass sie in eine Regierung eintreten müsste. Für diese Positionierung muss Lange genau so kritisiert werden wie Klöckner. Für ihre distanzierte Haltung zum Verfassungsschutz hat sie hingegen Unterstützung verdient. Es fragt sich nur, ob sie sich ebenso kritisch gegen die Geheimdienste geäußert hätte, wenn diese gegen Linke vorgegangen wäre. Einstweilen wird Lange wohl keine Gelegenheit haben, diese Frage praktisch zu beantworten. Peter Nowak