Warum es falsch ist, die alte Platte des AfD-Verbots erneut aufzulegen.

Der Verfassungsschutz ist keine Waffe gegen die AfD

Wer denkt, die repressiven Staatsapparate würden einem doch einen politischen Gegner wie die AfD vom Hals schaffen, akzeptiert den autoritären bürgerlichen Staat. Zu dem gehören immer auch ultrarechte Parteien.

Es ist wohl selten, dass eine Maßnahme des Bundesamts für Verfassungsschutz zu außenpolitischen Konflikten führt. Doch die Einstufung der AfD als gesichert rechtsextremistisch führte zu einem Schlagabtausch zwischen…

… den Außenministerien der USA und Deutschlands. Nachdem US-Außenminister Rubio von einer Tyrannei gegen die AfD in Deutschland gesprochen (https://www.prosieben.de/serien/newstime/videos/afd-urteil-usa-werfen-deutschland-tyrannei-vor-v_ng90vos8xvos) hat, konterte das Amt in Deutschland auf X mit dem lapidaren Satz: “Das ist Demokratie“. Und doch trifft diese Äußerung einen Punkt.

In Deutschland und auch die USA herrschen Demokratie. Diese Herrschaft drückt sich in den USA unter anderem in der Unterdrückung von  liberalen und linken Positionen in Medien und Universitäten sowie in Massenabschiebungen von Migranten aus. Zur Erinnerung: Das ist keine Erfindung der Trump-Administration, unter Biden wurden sogar mehr Menschen aus den USA abgeschoben. Allerdings lief dort die erzwungene Remigration weniger martialisch ab als aktuell unter Trump. Doch keine bürgerliche Herrschaft wird darauf auf verzichten zu entscheiden, wer ins Land darf und wer nicht bzw. wer zum „Volk“ gehören darf und wer nicht.

Was vereinbar mit der FDGO ist?

Das ist in Deutschland nicht anders. Ein Großteil der Parteien, die der AfD jetzt vorwerfen, sie würde gegen die Werte des Grundgesetzes verstoßen, weil sie Menschen mit Migrationshintergrund abwerte, forcieren Abschiebungen von Migranten, sie setzen also Remigration um.

Ein Kernsatz des Verfassungsschutzes lautet auf die AfD bezogen: „Das in der Partei vorherrschende ethnisch-abstammungsmäßige Volksverständnis ist nicht mit der freiheitlichen demokratischen Grundordnung vereinbar.“ Hat da auch vor mehr als 25 Jahren schon der hessische CDU-Ministerpräsident Roland Koch gegen die FDGO verstoßen, als er eine Abstimmung über die damals von der rot-grünen Bundesregierung lancierte doppelte Staatsbürgerschaft initiierte. Er mobilisierte die rechten Bürger, die vor den Ständen mit den Unterschriften fragte, wo sie gegen Ausländer abstimmen können.

Und verstieß der damalige Bundeskanzler Helmut Kohl gegen die FDGO, als er 1982 eine besonders geheime Remigration plante. Er wollte jeden zweiten türkischen Migranten aus Deutschland abschieben lassen. Wie der Spiegel aus einer als geheim deklarierten Gesprächsnotiz zitierte, vertraute der damals frisch gewählte Bundeskanzler der britischen Premierministerin Margret Thatcher folgendes an: „Über die nächsten vier Jahre werde es notwendig sein, die Zahl der Türken um 50 Prozent zu reduzieren – aber er könne dies noch nicht öffentlich sagen.“ Als Begründung für seine Remigrationspläne fügte Kohl laut der Gesprächsnotiz hinzu: „Es sei unmöglich für Deutschland, die Türken in ihrer gegenwärtigen Zahl zu assimilieren.“

Wäre also Kohl heute ein Fall für den Verfassungsschutz? Oder liegen solche Überlegungen aus den frühen 1980er Jahren gar nicht so weit weg von den Interviewäußerungen von Olaf Scholz, der in großem Stil abschieben wollte. Schließlich wird so schon mal vorsortiert, wer dann zu dem Staatsvolk gehören soll.

Berüchtigte FDGO

 Wenn jetzt auch im Fall der AfD die FDGO ins Spiel gebracht wird, sollten zumindest kritische Geister mit etwas historischem Bewusstsein hellhörig werden. Mit dem Vorwurf, sie bekennen sich nicht rückhaltlos zur FDGO wurden in den siebziger Jahren Zigtausende meist junge linke, kritische Menschen von den Verfassungsschutzämtern des Bundes und der Bundesländer in der BRD  bespitzelt und ausgeforscht. Nicht wenige von ihnen konnten dann nicht Lehrer, Bahnangestellte oder Postzusteller werden. Das Wort Berufsverbote wurde damals aus dem Deutschen in verschiedene andere Sprachen übernommen. Denn diese Praxis der Gesinnungsschnüffelei gab es in dieser Form in Westeuropa nur noch in den von autoritären rechten Diktatoren regierten Ländern Spanien und Portugal.

In Frankreich konnte Anfang der 1980er Jahre ein Kommunist Verkehrsminister werden, in der BRD durften vermeintliche oder tatsächliche Kommunisten nicht mal eine Lokomotive fahren oder Tickets kontrollieren. In der BRD herrschte eine besonders autoritäre Variante bürgerlicher Herrschaft, die sich in den Berufsverboten ausdrückte, wie kritische Staatsrechtler schon damals richtig erkannten.

Damals forderten linke und auch liberale Gruppen und Einzelpersonen, die möglichst schnelle Abwicklung aller Verfassungsschutzämter. Denn sie sind ein Kennzeichen dieses autoritären Staatsverständnisses.  Als 2011 der NSU aufgedeckt wurde und bekannt wurde, wie viele Dienste um die Neonazis rumschwirrten, bekam diese Forderung neuen Zuspruch.

Verfassungsschutz auflösen

Die Forderung hat seitdem nichts von seiner Aktualität verloren, auch wenn es jetzt vermeintlich gegen rechts geht. Dabei sollte nicht vergessen werden, dass es eine Renaissance der Berufsverbote in Deutschland gibt, die sich  wie vor 40 Jahren gegen gesellschaftliche Linke mit und ohne Parteibuch richtet. Doch die Forderung nach Abschaffung aller Verfassungsschutzämter ist eine grundsätzliche.

Das Agieren dieser Dienste wird nicht dadurch verteidigungswert, wenn sie auch mal gegen eine rechte Partei richtet. Wer da jetzt,  wie einige Politiker der Linkspartei und auch Autorinnen und Autoren  der Rosa Luxemburg Stiftung, in den Chor derer einstimmt, die fordern, dass nach der Hochstufung der AfD als gesichert rechtsextremistisch die Einleitung eines Verbotsverfahrens kommen muss, hat keine Argumente mehr gegen den autoritären Staat. Wenn dann die Verfassungsämter wieder gegen Klimaaktivisten und andere gesellschaftliche Gruppen vorgehen, bleibt nur die hilflose Klage, dass sie hier gegen die Falschen vorgehen.

Wir brauchen keine Ämter, die den Wählern die Parteien erklären

Nein, es ist grundsätzlich abzulehnen, dass Geheimdienste mit in die politische Auseinandersetzung eingreifen. Es ist Kennzeichen einer illiberalen Variante der bürgerlichen Herrschaft, wenn repressive Staatsapparate Parteien klassifizieren. Um die AfD als ultrarechte Variante bürgerlicher Herrschaft zu erkennen, braucht es diese staatlichen Einstufungen nicht. Über viele Jahre haben antifaschistische Gruppen die AfD viel treffender als ultrarechtes Projekt klassifiziert. Viele von ihnen wurden selbst vom Verfassungsschutz beobachtet und verfolgt. Wenn sie jetzt mit in die Rufe des AfD-Verbots einstimmen, machen sie sich selber überflüssig. Antifa ist Handarbeit, diese alte Devise der staatsunabhängigen antifaschistischen Bewegung gilt heute umso mehr.

Wer denkt, die repressiven Staatsapparate würden einem doch einen politischen Gegner wie die AfD vom Hals schaffen, akzeptiert den autoritären bürgerlichen Staat. Zu dem gehören immer auch ultrarechte Parteien. Das wird auch aktuell nach der Hochstufung der AfD als gesichert rechtsextremistisch deutlich. So manche Kommentatoren plädieren dafür, jetzt möglichst schnell ein Verbotsverfahren gegen die AfD in Gang zu setzen, auch wenn es juristisch keinen Bestand haben sollte. Dann bestünde wenigstens Klarheit, so die Argumentation. Dann wäre auch höchstrichterlich bestätigt, dass die AFD eine normale Rechtspartei ist, mit der andere Parteien dann auch koalieren könnten.

Alternativen gegen rechts statt repressiver Staatsapparat

Das ist übrigens in den meisten anderen Ländern in der EU der Fall. In Österreich wurden solche Kooperationen mit Rechtsaußen durch innerrechte Querelen verhindert oder schnell zu einem Ende gebracht.

Aber die österreichischen FPÖ-Gegner hoffen nicht, dass ein repressiver Staatsapparat die Rechtspartei verbietet. Vielmehr überlegen sie sich linke Alternativen, um den Rechten nicht nur in der FPÖ Paroli zu bieten. Solche Überlegungen gibt es auch in Deutschland.  Es braucht aber noch viel mehr Alternativen gegen Rechts auf der Straße, an den Arbeitsstellen und nicht die falsche Hoffnung auf die repressiven Staatsapparate. Peter Nowak