Die Rote Hilfe feiert ihren 100. Geburtstag, der auch ein Stück linke Geschichte ist Ein Jahrhundert Solidarität und Widerstand: Bei den Festlichkeiten zu diesem runden Jubiläum blickt die Rote Hilfe nicht nur in die Vergangenheit.

Die Arme verschränkt, die Kräfte vereint

d. Am Samstag wird dann der politische Austausch und die Diskussion auf dem Rio-Reiser-Platz, den viele Linke noch immer als Heinrichplatz kennen, im Vordergrund stehen. Eine Podiumsdiskussion ist unter anderem zum Thema »Überleben in deutschen Gefängnissen« geplant. Dort wird Karl-Heinz Dellwo, der als Mitglied der Rote Armee Fraktion fast 20 Jahre in verschiedenen Gefängnissen verbrachte, mit dem Sprecher der Gefangenengewerkschaft/bundesweite Organisation Manuel Matzke diskutieren.

»Manchmal ist es Zeit, die Arme aus Solidarität zu verschränken, statt zu streiten«, sagte Heinz, der eigentlich anders heißt. Eine Anspielung auf die beiden ineinandergehakten Arme, die das Logo der …

… Gefangenensolidaritätsorganisation Rote Hilfe bilden, auf deren Jubiläumsgala im Ballsaal des Hamburger Millerntorstadions Heinz spricht. Anfang Februar 2024 wurde dort das Jahr des 100. Jubiläums eingeleitet. Doch es blieb nicht bei diesen Feierlichkeiten im Frühjahr.

Bundesweit finden über das Jahr verteilt Veranstaltungen statt. Im Mittelpunkt steht die Vermittlung historischen Wissens. In vielen Städten informiert Silke Makowski vom Hans-Litten-Archiv unter dem Titel »Schafft Rote Hilfe« über die Tätigkeit der Gefangenenhilfsorganisation in der Weimarer Republik und dem NS-Faschismus. Hans Litten machte sich als »Anwalt des Proletariats« einen Namen und übernahm Mandate für die Organisation. Heutzutage arbeitet das Hans-Litten-Archiv unabhängig von der Roten Hilfe, bleibt ihr aber freundschaftlich verbunden.

Auf den Informationsveranstaltungen von Silke Makowski wird so mancher Geschichtsmythos berichtigt. Dazu gehört die verklärte Erzählung einer tadellosen Demokratie in der Weimarer Republik. Wie passt das zusammen mit den Tausenden Linken, die zu dieser Zeit im Gefängnis saßen und deretwegen die Rote Hilfe überhaupt erst gegründet wurde? Nach dem fehlgeschlagenen Hamburger Aufstand 1923 setzte eine Massenverfolgung von Oppositionellen ein. Die meisten von ihnen waren parteilose Arbeiter*innen, die für eine Sozialisierung ihrer Betriebe und eine Rätedemokratie kämpften. Mit der Gründung einer Solidaritätsstruktur sollten Inhaftierte und ihre Familien unterstützt werden, die oft in bitterer Armut lebten.

Während deshalb schon in der Weimarer Zeit Aktivist*innen der Roten Hilfe immer wieder im Visier der Behörden standen, verschärfte sich die Verfolgung mit dem Machtantritt der Nazis 1933 immens. Wie viele Untersuchungen jedoch zeigen, konnten sich die Strukturen der Solidaritätsorganisation in vielen Regionen lange gegen den staatlichen Terror wehren.

Auch die Ausstellung »100 Jahre Rote Hilfe«, die zurzeit von vielen Ortsgruppen gezeigt wird, soll über diese Zeit aufklären.

Um dieses Wissen zu vermitteln, wurde auch die Ausstellung »100 Jahre Rote Hilfe« erarbeitet, die jetzt von Ortsgruppen in zahlreichen Städten gezeigt wird; mit dem Film »Solidarität verbindet – 100 Jahre Rote Hilfe«, der in vielen Kinos läuft, soll zudem ein Publikum jenseits der linken Szene mit der Geschichte der Solidaritätsarbeit bekannt gemacht werden.

Immer wieder wird deutlich: Es handelt sich nicht um ein Thema der Vergangenheit. So wird im Rahmen des Jubiläums an den sogenannten Radikalenerlass erinnert, der in der BRD der 70er und 80er Jahre viele kritische junge Menschen mit einem Berufsverbot für den öffentlichen Dienst belegte. Um die aktuelle staatliche Repression gegen Antifaschist*innen und Klimaaktivist*innen wird es auf dem Festival »100 Jahre Rote Hilfe« in Berlin gehen, das am Freitagabend mit einen Konzert im S036 beginnen wird. Am Samstag wird dann der politische Austausch und die Diskussion auf dem Rio-Reiser-Platz, den viele Linke noch immer als Heinrichplatz kennen, im Vordergrund stehen. Eine Podiumsdiskussion ist unter anderem zum Thema »Überleben in deutschen Gefängnissen« geplant. Dort wird Karl-Heinz Dellwo, der als Mitglied der Rote Armee Fraktion fast 20 Jahre in verschiedenen Gefängnissen verbrachte, mit dem Sprecher der Gefangenengewerkschaft/bundesweite Organisation Manuel Matzke diskutieren. Der Umgang mit dem Nahost-Konflikt, der kürzlich zum Rücktritt eines Vorstandsmitglieds führte, soll auf dem Festival jedoch keine Rolle spielen. Peter Nowak

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