Wenn die Anmeldung einer Kundgebung zum Jobverlust führt

Betriebsrepression in Bremen

Die Sanktionierung der Anmelderin wurde in einem Großteil der Medien nicht kritisch hinterfragt. Im Gegenteil, sie lieferten die Grundlage, indem sie von einer Solidaritätsaktion für die RAF schrieben,obwohl es die seit 26 Jahren nicht mehr gibt. Über die realen Inhalte, einen Protest gegen das Gefängnissystem, schrieb kaum jemand. Der bekannte Arbeitsrechtler Benedikt Hopmann zweifelt die gesetzliche Grundlage der Maßnahme an. „Allein die Tatsache, dass jemand eine Kundgebung anmeldet, ist kein Grund, in irgendeiner Weise arbeitsrechtliche Sanktionen auszusprechen, weil das Beschäftigungsverhältnis eben ein strukturelles Machtverhältnis ist“, sagte Hopmann.

Es waren knapp 50 Menschen, die am 17. März vor der Justizvollzugsanstalt für Frauen in Vechta „Freiheit für alle politischen Gefangenen“ riefen. Die Polizei konstatierte einen friedlichen Verlauf. Trotzdem hatte die kleine Manifestation für die Anmelderin erhebliche Konsequenzen. Denn in der JVA Vechta ist …

… das mutmaßliche ehemalige RAF-Mitglied Daniela Klette inhaftiert. Der langjährigen Krankenschwester und aktiven Gewerkschafterin Ariane Müller wurde schon vor der Kundgebung ihr Status als freigestellte Betriebsrätin beim Betriebsrat Bremen-Mitte entzogen. Dabei übten sich die übrigen Betriebsratsmitglieder, darunter neben dem Marburger Bund
auch ver.di-Mitglieder, in vorauseilendem Gehorsam.

Verbot das Klinikgelände zu betreten
Diese unsolidarische Haltung war die Voraussetzung für den nächsten Sanktionsschritt gegen Ariane Müller. Sie wurde nun auch vom ArbeitgeberGesundheit Nord bis auf Weiteres freigestellt – mit Zustimmung durch den Betriebsratsvorsitzenden. Müller wurde auch verboten, außerhalb ihrer Betriebsrats- arbeit das Klinikgelände zu betreten oder zu Kolleg*innen Kontakt aufzunehmen. Dabei geht es nicht etwa um bestimmte Äußerungen von Müller oder von Teilnehmer*innen auf der Kundgebung vom 17. März. Zu den Redner*innen gehörte auch die Anarchistin Hanna Poddig, die wegen der Blockade von Militär- transporten für kurze Zeit in der JVA Vechta inhaftiert war. Sie wolle mit der Teilnahme an der Kundgebung vor allem den Gefangenen Grüße von draußen vermitteln. Zudem wies sie auf den Niedriglohnsektor Gefängnis hin. „Arbeit im Gefängnis ist eine besondere Form von Ausbeutung“, betont Poddig. Sie knüpfte damit an die Forderungen der Gefangenengewerkschaft an, die Bezahlung nach Tarif für Lohnarbeit im Gefängnis und die Einbeziehung der arbeitenden Gefangenen in die Kranken und Rentenversicherung fordert .

Sanktion verstößt gegen Arbeitsrecht
Die Sanktionierung der Anmelderin wurde in einem Großteil der Medien nicht
kritisch hinterfragt. Im Gegenteil, sie lieferten die Grundlage, indem sie von einer Solidaritätsaktion für die RAF schrieben, obwohl es die seit 26 Jahren nicht mehr gibt. Über die realen Inhalte, einen Protest gegen das Gefängnissystem, schrieb kaum jemand. Der bekannte Arbeitsrechtler Benedikt Hopmann zweifelt die gesetzliche Grundlage der Maßnahme an. „Allein die Tatsache, dass jemand eine Kundgebung anmeldet, ist kein Grund, in irgendeiner Weise arbeitsrechtliche Sanktionen auszusprechen, weil das Beschäftigungsverhältnis eben ein strukturelles Machtverhältnis ist“, sagte Hopmann gegenüber junge Welt. Es sei erkennbar, dass die Krankenhausleitung nicht wolle, dass Müller mit den Beschäftigten spricht. Häufig würden diese Maßnahmen mit der Begründung eingesetzt, dass es keine Unruhe im Betrieb geben solle. Aber diese Unruhe habe die Leitung mit ihren Disziplinierungsmaßnahmen selbst geschaffen, so Hopmann. Auch der Arbeitsrechtler Wolfgang Däubler stufte gegenüber der taz die Sanktion von Müller als Benachteiligung wegen einer völlig legalen politischen Handlung ein.

Solidaritätserklärung von Gewerkschafter*innen
Solidarische Gewerkschafter*innen fordern in Protestbriefen an die Klinikleitung die Rücknahme der Sanktionen. Dort heißt es unter anderem: „Wir kennen Frau Müller als kämpferische Gewerkschafterin und Betriebsrätin, als Aktivistin für mehr Krankenhauspersonal (sie hatte das Bremer Volksbegehren für mehr Personal in Krankenhäusern maßgeblich mit angestoßen) und als Bremer Frau des Jahres 2021. Die Vermutung drängt sich auf, dass Frau Müller – und stellvertretend alle anderen Kolleg*innen, die sich für bessere Arbeitsbedingungen einsetzen – mit der Disziplinierung eingeschüchtert werden sollen. Wir solidarisieren uns mit Ariane Müller und fordern Sie unmissverständlich auf, die Maßnahmen gegen sie zurückzunehmen.“

Peter Nowak
Der vollständige Text des Protestbriefs und die Emailadressen, an die er geschickt werden kann, findet sich bei LabourNet Germany „Betriebsrätin am
Klinikum Bremen Mitte organisiert privat Demo für Daniela Klette“ vom 21. März 2024. (1)

(1)

https://www.labournet.de/interventionen/solidaritaet/betriebsraetin-am-klinikum-bremen-mitte-organisiert-privatdemo-fuer-daniela-klette-betriebsrat-entzieht-die-freistellung-und-klinikbetreiber-geno-erwaegt-arbeitsrechtliche-konsequenzen/