Vor Gefängnis in Vechta forderten rund 40 Menschen die Freilassung von Daniela Klette

Erneute Soli-Demo für RAF-Veteranin

Unter den Teilnehmer*innen waren etliche Menschen, die sich seit Jahrzehnten für politische Gefangene einsetzen, so wie Wolfgang Lettow, Herausgeber der Zeitschrift »Gefangeneninfo«. Fritz Storim las ein selbstgeschriebenes Gedicht vor. Er war Ende der 80er Jahre selbst mehrere Jahre inhaftiert, weil er presserechtlich für die autonome Zeitung »Sabot« verantwortlich gemacht wurde.

Es war bereits die zweite  …

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Sanktion verstossen gegen Arbeitsrecht

Bremen: Wenn die Anmeldung einer Kundgebung zum Jobverlust führt

Politik Es waren knapp 50 Menschen, die am 17. März vor der Justizvollzugsanstalt für Frauen in Vechta „Freiheit für alle politischen Gefangenen“ riefen. Die Polizei konstatierte einen friedlichen Verlauf.

Selbst der Verkehr verlief störungsfrei. Trotzdem kostete die kleine Manifestion im beschaulichen Vechta, wo Kirchen und Gefängnisse zumindest architektonisch eine Symbiose eingehen, der Anmelderin der Kundgebung den Job. Denn in der JVA Vechta ist das mutmassliche ehemalige RAF-Mitglied Daniela Klette inhaftiert.

So wurde die Kundgebung in vielen Medien als Unterstützung für die RAF bezeichnet, einer Organisation, die es seit 26 Jahren gar nicht mehr gibt. Dass hatte schon Folgen für die Anmelderin Ariane Müller. Der langjährigen Krankenschwester wurde schon wenige Tage vor der Kundgebung ihr Status als freigestellte Betriebsrätin beim Betriebsrat Bremen-Mitte entzogen. Dabei übten sich die übrigen Betriebsratsmitglieder, darunter neben dem Marburger Bund auch Verdi-Mitglieder, in vorauseilenden Gehorsam.

Verbot das Klinikgelände zu betreten

Diese unsolidarische Haltung war die Voraussetzung für den nächsten Sanktionsschritt gegen Ariane Müller. Sie wurde nun auch vom Arbeitgeber Gesundheit Nord bis auf Weiteres freigestellt – mit ausdrücklicher Befürwortung durch den Betriebsratsvorsitzenden. Müller wurde auch verboten, ausserhalb ihrer Betriebsratsarbeit das Klinikgelände zu betreten oder zu Kolleg*innen Kontakt aufzunehmen. Dabei geht es nicht etwa um bestimmte Äusserungen von Müller oder von Teilnehmer*innen auf der von ihr angemeldeten Kundgebung vom 17. März. Die verlief vollkommend friedlich und richtete sich gegen das Gefängnissystem.

Zu den Redner*innen gehörte auch die Anarchistin Hanna Poddig, die wegen der Blockade von Militärtransporten selbst für kurze Zeit in der JVA Vechta inhaftiert war. Sie wolle mit der Teilnahme an der Kundgebung vor allem den Gefangenen Grüsse von Draussen vermitteln.

Zudem wies sie auf den Niedriglohnsektor Gefängnis hin. „Arbeit im Gefängnis ist eine besondere Form von Ausbeutung“, betont Poddig. Sie knüpfte damit an die Forderungen der Gefangenengewerkschaft an, die Bezahlung nach Tarif für Lohnarbeit im Gefängnis und die Einbeziehung der arbeitenden Gefangenen in die Kranken- und Rentenversicherung fordern. Bisher fehlte der gesellschaftliche Druck, um die Forderungen durchzusetzen.

Der wird natürlich auch nicht wachsen, wenn schon eine völlig legale Handlung, wie die Anmeldung einer Kundgebung, mit der Öffentlichkeit über die Situation in den Gefängnissen hergestellt werden soll, den Verlust des Arbeitsplatzes zur Folge hat.

Sanktion verstossen gegen Arbeitsrecht

Mittlerweile regt sich auch Protest gegen diese Sanktionsmassnahme, allerdings ausserhalb des Klinikums. So zweifelt der bekannte Arbeitsrechtler Benedikt Hopmann die Grundlage der Massnahme an. „Allein die Tatsache, dass jemand eine Kundgebung anmeldet, ist kein Grund, in irgendeiner Weise arbeitsrechtliche Sanktionen auszusprechen, weil das Beschäftigungsverhältnis eben ein strukturelles Machtverhältnis ist«, sagte Rechtsanwalt Hopmann gegenüber junge Welt.

Es sei erkennbar, dass die Krankenhausleitung nicht wolle, dass sie mit den Beschäftigten spricht. Häufig würden diese Massnahmen mit der Begründung eingesetzt, dass es keine Unruhe im Betrieb geben solle. Aber diese Unruhe habe die Leitung mit ihren Disziplinierungsmassnahmen selbst geschaffen. „Das geht einfach nicht“, so Hopmann.

Auch der Arbeitsrechtler Wolfgang Däubler stufte gegenüber der Taz die Sanktion von Müller als Benachteiligung wegen einer völlig legalen politischen Handlung ein.

Solidaritätserklärung von Gewerkschafter*innen

Solidarische Gewerkschaftler*innen fordern in Protestbriefen an die Klinikleitung die Rücknahme der Sanktionen. Dort heisst es unter Anderem:

„Wir kennen Frau Müller als kämpferische Gewerkschafterin und Betriebsrätin, als Aktivistin für mehr Krankenhauspersonal (sie hatte das Bremer Volksbegehren für mehr Personal in Krankenhäusern massgeblich mit angestossen) und als Bremer Frau des Jahres 2021. Die Vermutung drängt sich auf, dass Frau Müller – und stellvertretend alle anderen Kolleg*innen, die sich für bessere Arbeitsbedingungen einsetzen – mit der Disziplinierung eingeschüchtert werden sollen. Wir solidarisieren uns mit Ariane Müller und fordern Sie unmissverständlich auf, die Massnahmen gegen sie zurückzunehmen.“

Der vollständige Text des Protestbriefs und die Emailadressen, an die er geschickt werden kann, findet sich hier.

Peter Nowak

Demo mit knapp 50 Teilnehmern wird bundesweit zum Aufreger. Ging es ernsthaft um Solidarität mit der RAF, oder wird hier ein Popanz aufgebaut? Ein Kommentar.

Feindbild Linksextremismus: Aufgelöste RAF macht weiter Furore

Es wäre nicht nur eine Aufgabe von Linken, sondern auch von Bürgerrechtsgruppen und Liberalen, sich dagegen zu wehren, dass 26 Jahre nach der Auflösung der RAF der Deutsche Herbst zurückkehrt. Welche Folgen das hat, zeigt sich auch am Sonntag in Vechta. Ein Mann sagte, dass "die Terroristen", wenn es nach ihm ginge, auf dem elektrischen Stuhl landen würden. Todesstrafe für die RAF-Mitglieder – das war auch eine oft geäußerte Forderung von "Volkes Stimme" im deutschen Herbst 1977.

Die meisten Linken, die im bürgerlichen Spektrum als „radikal“ durchgehen, würden sich momentan nicht als sehr wirkmächtig einschätzen. Viele von ihnen kämpfen angesichts der politischen Großwetterlage eher mit Ohnmachtsgefühlen. Gemessen daran reagieren Staatsapparate und bürgerliche Parteien auf sie …

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CDU mobilisiert 120 Teilnehmer gegen linken Protest vor Frauengefängnis

Deutscher Herbst in Vechta

Viele Teilnehmer*innen der linken Kundgebung reagierten mit Unverständnis auf die Vorwürfe, es handele sich bei ihrem Protest um Solidarität für die RAF. »Diese Organisation gibt es seit 26 Jahren nicht mehr« betonte ein Redner. Die Klimaaktivistin Hanna Poddigschilderte, dass sie wegen einer antimilitaristischen Blockadeaktion ebenfalls kurz in Vechta inhaftiert war. Sie wolle mit der Teilnahme an der Kundgebung den Gefangenen Grüße übermitteln.

Es waren knapp 50 Menschen, die am Sonntagnachmittag vor der Justizvollzugsanstalt (JVA) für Frauen in Vechta »Freiheit für alle politischen Gefangenen« riefen. Die Versammlung hatte im Vorfeld für Wirbel gesorgt: In dem Gefängnis zwischen Osnabrück und Bremen ist …

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Blackrock Wer profitiert von der Mietenexplosion, von fossilen Energien und der Rentenprivatisierung? Eben. Aktivistinnen planen ein Tribunal gegen den US-Investmentgiganten

Das Wort hat die Anklage

Proteste gegen das Agieren von Blackrock gibt es insbesondere in den USA von KlimaaktivistInnen, GegnerInnen des Waffenhandels und indigenen Gemeinden.Doch kann man an diesen Protesten hierzulande einfach anknüpfen? Diese Frage kulminierte auf dem Vorbereitungstreffen in einer lebhaften Diskussion über den Termin für das Tribunal. Das Vorbereitungsteam hatte den 8. – 10. Mai 2020 vorgesehen.

„Blackrock enteignen“, solche Schilder gab es auf großen Mietendemonstrationen in Berlin – aber sehr selten. Noch hat der weltweit größte Vermögensverwalter den Ruf eines unsichtbaren Finanzgiganten, seine Rolle in der Mietenexplosion, der Rentenprivatisierung und bei Investitionen in fossile Energien ist noch nicht sehr bekannt. Ein kleines Team um den emeritierten Politikwissenschaftler Peter Grottian und die WissenschaftlerInnen Johanna Mann und Lars Bretthauer will das ändern. Sie planen in Berlin ein …..

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Das Vorbereitungstreffen für ein BlackRock-Tribunal wirft viele Fragen auf, auch über unterschiedliche Formen des zivilen Ungehorsams

BlackRock: Kann man eine solche Kapitalmacht mit einem Tribunal angreifen?

Der Fonds und seine in den letzten Jahren gewachsene Macht lassen sich damit erklären, dass BlackRock ein Akteur jener Privatisierung aller Lebensbereiche ist, die von fast allen relevanten Parteien in Deutschland und in den Nachbarstaaten forciert betrieben wird.

„Wir machen Nachhaltigkeit zum Standard“ und „Nachhaltigkeit – Herzstück unserer Anlageprozesse“: Solche umweltsensiblen Schlagzeilen findet man auf der Internetseite von BlackRock Deutschland. Der Politikwissenschaftler Lars Bretthauer spricht von einer bei ….

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Was wir erreichen können!

Filmemacher Moritz Springer über die alte Idee des Anarchismus, die für ihn äußerst lebendig ist

Der Filmemacher

Filmemacher Moritz Springer wurde 1979 in Starnberg geboren. Nach der Schule zog es ihn nach Afrika. Heute lebt er zusammen mit Freunden und Familie auf einem eigenen Hof in der Nähe von Berlin. Mit dem Dokumentarfilmer sprach für »nd« Peter Nowak.
»Projekt A« nimmt mit auf eine Reise zu anarchistischen Projekten in Europa. Er zeichnet ein Bild jenseits des Klischees vom Chaos stiftenden, Steine werfenden Punk. Brennende Autos kommen trotzdem darin vor.

Für ihren Dokumentarfilm »Projekt A« haben die Filmemacher Marcel Seehuber und Moritz Springer eine Reise zu anarchistischen Projekten in Europa unternommen. So besuchten sie das »Internationale Anarchistische Treffen« mit 3000 Teilnehmern in der Schweiz (Foto: Projekt A), die deutsche Anti-Atom-Aktivistin Hanna Poddig, die anarchosyndikalistische Gewerkschaft »Confederación General del Trabajo« in Barcelona, den zum öffentlichen Park umfunktionierten Parkplatz »Parko Narvarinou« in Athen oder auch das »Kartoffelkombinat« von München, das solidarische Landwirtschaft betreibt. Beim Münchner Filmfest 2015 gewann der Streifen den Publikumspreis. Seit Februar ist er in Programmkinos verschiedener Städte zu sehen.
Welchen Bezug zu Anarchismus hatten Sie vor dem Dreh von »Projekt A«? Was hat Sie dazu motiviert?
Den Ausschlag für den Film gab eine Begegnung mit Horst Stowasser, den ich bei einem Vortrag kennenlernte. Stowasser und seine Art über den Anarchismus zu sprechen hat mich so beeindruckt, dass ich Lust bekommen habe, mich mehr mit Anarchismus auseinanderzusetzen.

Horst Stowasser war nicht nur Autor diverser Bücher über Anarchismus, sondern auch an einem praktischen Versuch beteiligt, libertäre Strukturen in den Alltag zu integrieren. Bezieht sich der Titel Ihres Films auf dieses »Projekt A«?
Der Titel unseres Films ist dem entliehen. 1985 brachte Stowasser mit Mitstreitern ein Büchlein in Umlauf, das für die Idee warb, Anarchismus ganz konkret in einer Kleinstadt umzusetzen. Vier Jahre später ging es in drei Orten tatsächlich an die Realisierung, wobei Neustadt an der Weinstraße das wohl erfolgversprechendste und größte Projekt war. Die am Projekt A beteiligten Menschen gründeten dort Kneipen, kleine Läden und Handwerksbetriebe. Das war ein spannender Versuch, der leider im Großen gescheitert ist, von dem aber viele selbstverwaltete Strukturen übrig geblieben sind. Als wir Stowasser kennenlernten, war er gerade dabei, an einer Wiederbelebung von Projekt A zu arbeiten. Leider starb er 2009 ganz überraschend.

Was bedeutete das für den Film?
Es war ein großer Rückschlag. Wir waren damals noch in der Planungsphase. Eigentlich sollte Stowasser eine große Rolle in dem Film spielen. Nach seinem Tod fragten wir uns, ob wir den Film überhaupt machen sollten. Es war uns dann aber schnell klar, dass in dem Thema soviel Potenzial steckt, dass wir auch ohne ihn den Film machen wollten.

Nach welchen Kriterien haben Sie entschieden, welche Projekte Sie besuchen?
Wir verfolgen zwei Ansätze mit dem Film: Auf der einen Seite wollen wir eine Einführung in die Theorie des Anarchismus geben und einen Eindruck vermitteln, was Anarchisten wollen und wie sie sich organisieren. Und zwar in einer Sprache, die auch für die Leute von nebenan funktioniert. Auf der anderen Seite wollten wir zeigen, wie Menschen ihre Vision einer anderen Welt im Hier und Jetzt versuchen zu leben. Wir haben dann Themenblöcke gesucht, die wir mit Anarchismus verbinden, und die auf bestimmte Länder aufgeteilt. So stellen wir zum Beispiel für Anarchosyndikalismus die Gewerkschaft CGT vor, die mit ca. 60 000 Mitgliedern in Spanien eine wichtige Rolle spielt.

Der Film will ein Bild von Anarchie jenseits der Klischees vom Chaos stiftenden, Steine werfenden Punk zeichnen. Dennoch zeigen Sie auch brennende Autos in Athen. Wird da nicht das Klischee wieder bedient?
Die Szene war nicht gestellt, sondern während eines Generalstreiks passiert. Wir sind Filmemacher und zeigen die Realität. Gerade im Athener Stadtteil Exarchia werden die unterschiedlichen Facetten anarchistischer Aktivitäten deutlich. Da sind die Leute, die einen ehemaligen Parkplatz besetzt und dort einen selbstverwalteten Nachbarschaftsgarten gestaltet haben. Dort kracht es aber auch häufig und es gibt Straßenschlachten mit der Polizei. Im Film kommentiert eine der Protagonistinnen die Szene und sagt, dass sie die Diskussion über Gewalt müßig findet. Man müsse über die Ursachen der Gewalt sprechen und über die wirklich wichtigen Probleme. Die Gewalt ist real, sie ist ein Teil des Alltags in Exarchia, sie auszublenden wäre nicht ehrlich.

Der Film endet mit dem Münchner Kartoffelkombinat, das sich selbst gar nicht als anarchistisch versteht. Haben Sie das bewusst an den Schluss gesetzt, um gesellschaftlich breiter anschlussfähig zu sein?
Uns geht es um einen Brückenschlag. Es hilft nichts, wenn wir in unseren abgeschlossenen Zirkeln bleiben. Wir wollen mit dem Film auch Menschen ansprechen, die sich noch nicht mit Anarchismus auseinander gesetzt haben. Wir müssen uns möglichst viele Bereiche des Lebens zurückerobern. Das Kartoffelkombinat produziert Lebensmittel und zahlt faire Löhne. Es arbeitet an der Transformation von Eigentum zu Gemeingütern und wirtschaftet nicht profit-, sondern bedürfnisorientiert – wohl gemerkt orientiert an den Bedürfnissen der Genossenschaftsmitglieder und nicht von Shareholdern. Dieser Charakter ist entscheidend und nicht, ob sie sich selbst Anarchismus auf die Fahne schreiben.

Welchen Eindruck haben Sie nach dem Besuch der unterschiedlichen Projekte von der anarchistischen Bewegung?
Ich war sehr beeindruckt von der Vielfalt. Jedes Projekt beinhaltet einen Erkenntnisgewinn für mich. Jedes einzelne macht deutlich, was wir erreichen können, wenn wir uns organisieren. Interessant wird es allerdings dann, wenn wir uns fragen, wie wir die verschiedenen Projekte miteinander vernetzten und wie größere gesellschaftliche Strukturen aussehen könnten. Die CGT, aber auch die CIC in Katalonien sind interessante Beispiele. Ich bin gespannt, wie sich das in den nächsten Jahren entwickelt.

http://www.neues-deutschland.de/artikel/1002784.was-wir-erreichen-koennen.html

Interview: Peter Nowak