»In diesem Gebäude wurde der österreichische Bauer Franz Jägerstätter vom ehemaligen Reichskriegsgericht wegen seiner Gewissensentscheidung gegen eine Kriegsteilnahme am 6. Juli 1943 zum Tode verurteilt.« Mit diesem Satz auf einer Bronzetafel vor dem Berliner Kammergericht in Berlin-Charlottenburg wird einem christlichen Pazifisten gedacht, der lange Zeit vergessen war. Der gläubige Katholik Jägerstätter war vor 80 Jahren …
… vom Reichskriegsgericht hingerichtet worden, weil er es nicht mit seinem Gewissen vereinbaren konnte, in den Krieg zu ziehen und Menschen zu töten.
Hinweis auf Initiativen unerwünscht
Am Donnerstag versammelten sich Antimilitarist*innen und Pazifist*innen in Gedenken an Jägerstätter an der Tafel. Man wolle auch an die langen Auseinandersetzungen erinnern, die die Aufstellung der Tafel um mehrere Jahre bis 1997 verzögert hätten, betonte der Antimilitarist Lothar Eberhard. Eigentlich hätte sie bereits im Februar 1994 eingeweiht werden sollen. Aufgrund von Einsprüchen des Bundesvermögensamts, des Bundesjustizministeriums und später der Oberfinanzdirektion Berlin war dies jedoch immer wieder verschoben worden. Nachdem die Tafel im Juli 1995 schließlich in Anwesenheit von Jägerstätters Witwe enthüllt worden war, musste sie gleich wieder eingepackt werden, da das damalige Bundesjustizministerium dagegen war, auch die Initiativen, die sich für das Gedenken an den Pazifisten einsetzten, auf der Tafel zu nennen. Das wiederum wollten einige der Initiativen nicht akzeptieren. Sie monierten mit Recht, dass damit zivilgesellschaftliche Arbeit außerparlamentarischer Initiativen unsichtbar gemacht würde.
Kriegsdienstverweigerung galt als Verrat
Die Erinnerung an den langen Kampf um die Rehabilitierung eines Pazifisten, der Opfer des NS-Terrors wurde, ist den Organisator*innen auch deshalb wichtig, weil die Posse um die Gedenktafel für Jägerstätter kein Einzelfall war. Bis in die 80er Jahre galten Menschen, die den Kriegsdienst im Nationalsozialismus verweigert hatten, bei Behörden und bei großen Teilen der NS-sozialisierten Bevölkerung als Verräter. So wurde Jägerstätters Witwe sogar zum Vorwurf gemacht, dass sie ihrem Mann die Kriegsdienstverweigerung nicht ausgeredet hatte. Deshalb wurde ihr erst 1950 nach vorherigen ablehnenden Bescheiden eine Witwenrente nach dem österreichischen Kriegsopferfürsorgegesetz zuerkannt. Auch von der Kirche wurde der gläubige Christ Jägerstätter lange nicht anerkannt. Noch 1946 schrieb der damalige Bischof von Linz in einer Kirchenzeitung: »Ich halte jene idealen katholischen Jungen und Theologen und Priester und Väter für die größeren Helden, die in heroischer Pflichterfüllung gekämpft haben und gefallen sind.« Erst mit dem Film »Ein verborgenes Leben« wurde der Pazifist Jägerstätter einer größeren Öffentlichkeit bekannt. Schließlich solidarisierte sich die Gedenkveranstaltung noch mit Militär- und Kriegsdienstverweigerern in anderen Ländern.
Peter Nowak