Kriegsgegner fordern generelle Abschaffung des Militärrituals

Zapfenstreich entsorgen

Der für diesen Dienstag geplante Große Zapfenstreich zu Ehren aller deutschen Soldaten, die in Afghanistan im Einsatz waren,wurde verschoben. Antimilitaristen verschieben ihren Protest ebenfalls.

Für diesen Dienstag hatten sich antimilitaristische Gruppen in Berlin auf eine größere Protestaktion vorbereitet. An diesem Tag sollte unter anderem vor dem Bundestag mit einem Großen Zapfenstreich an die Bundeswehrangehörigen erinnert werden, die in den letzten 20 Jahren in Afghanistan im Einsatz waren. Der Termin wurde wegen der aktuellen Entwicklungen in Afghanistan auf einen späteren Zeitpunkt verschoben. In einer Meldung auf der Homepage des Bundesverteidigungsminis heißt es, dass man sich …

… auf die Evakuierungsmaßnahmen in Afghanistan konzentrieren wollte. Das antimilitaristische Bündnis will dennoch weiter gegen den Großen Zapfenstreich protestieren und mobilisiert zu einem Tag X.
In dem Aufruf wird auch daran erinnert, dass durch den Krieg in Afghanistan nach Berechnungen der NGO »Iraq Body Count«, die ihre Recherche auch auf andere Kriegsgebiete ausweitete, etwa 185 000 Zivilist*innen den Tod fanden. »Wir vergessen nicht die Bombardierung von Kundus 2009, als Oberst Georg Klein Zivilisten, darunter mehrere Dutzend Jugendliche und Kinder, bombardieren lies. Durch den Anschlag von Kundus starben 142 Menschen auf Befehl eines Bundeswehr-Generals. In Deutschland werden Täter wie Georg Klein für diese Standhaftigkeit befördert, in seinem Fall zum Brigadegeneral«, schreiben die Antimilitarist*innen. In den Planungen des Bundesverteidigungsministeriums für den Großen Zapfenstreich hingegen kommen die Opfer unter der afghanischen Zivilbevölkerung bisher gar nicht vor.
Die Zeremonie sollte am Bendlerblock, dem Sitz des Bundesverteidigungsministers, mit einer Ehrung ausschließlich der Bundeswehrangehörigen beginnen, die in Afghanistan gestorben sind. Für sie ist in dem Gebäude ein Denkmal errichtet worden. Im Anschluss sollte die Zeremonie vor dem Bundestag fortgesetzt werden, wo den laut Auskunft des Bundesverteidigungsministeriums bis zu 160 000 Soldat*innen gedankt werden sollte, die in Afghanistan im Einsatz waren.
Dagegen fordern christliche Antimilitarist*innen von Pax Christi eine generelle Abschaffung der Zeremonie des Großen Zapfenstreichs. Er sei gewaltverherrlichend und instrumentalisiere das Christentum durch den dort gesungenen Choral »Ich bete an die Macht der Liebe, die sich in Jesus offenbart«, während die Gewehre der Soldat*innen präsentiert werden. Für Pax Christ handelt es sich dabei »um eine Verletzung religiöser Gefühle«. Schließlich ist Jesus in der Perspektive der christlichen Friedensbewegung der Inbegriff des Pazifismus und der Gewaltlosigkeit.
Martin Singe von Pax Christi Bonn setzt sich für ein alternatives Gedenken ein, in dem die Opfer in der afghanischen Zivilgesellschaft im Mittelpunkt stehen. Allerdings bleiben seine Vorschläge für ein alternatives Gedenken vage: »Es sollte auf Einsatzanalysen kritischer Friedensforscher*innen basieren«, sagte der Mitinitiator des Aufrufs für eine Absage des Großen Zapfenstreich in einem Interview mit der »Jungen Welt«.
In der antimilitaristischen Bewegung gibt es aber auch schon konkretere Vorschläge für ein alternatives Gedenken. Am 4. September jährt sich der Angriff von Kundus zum zwölften Mal. Das Künstlerduo Christoph Reuter und Marcel Metelsiefen etwa hatte lange in Afghanistan recherchiert und sich mit Angehörigen der Opfer getroffen. Danach haben sie für ihre Installation »Kunduz 4« mit Fotos 90 der Opfer von Kundus ein Gesicht gegeben. Diese können auf öffentlichen Plätzen Teil einer alternativen Ehrung sein. Peter Nowak

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