Die heißt, dass Migranten von der griechisch-türkischen Grenze auf keinen Fall aufgenommen werden sollen

Zwei Wochen nach Hanau – Deutschland geht zur Tagesordnung über

Hanau wird wie die vielen anderen Tatorte rechter Gewalt ein Ort, wo zu bestimmten Jahrestagen salbungsvolle Gedenkreden gehalten werden und in der Zwischenzeit alles weiterläuft wie bisher.

„Der Gebrauch von Waffen kann nur letztes Mittel sein. Seit es Frontex gibt, haben unsere Beamten kein einziges Mal selbst geschossen.“ Nicht ein AfD-Politiker, sondern der Frontex-Chef Fabrice Leggeri erklärte in einem Interview mit der Zeit, dass notfalls auch auf Migranten geschossen werden kann, um die europäischen Grenzen zu schützen. Hätte ein AfD-Politiker sich so geäußert, ….

…. wäre die Aufregung groß gewesen. Die Totalüberwachung der Partei oder sogar das Verbot wären gefordert werden. Wenn der Frontext-Chef das gleiche sagt, gibt es nur wenig Aufregung. Nur gibt es einen entscheidenden Unterschied zwischen beiden. Anders als die AfD-Politiker kann Leggeri die von ihm geäußerten Praktiken heute schon umsetzen.

So wird auch deutlich, wofür die Ultrarechten von der AfD und anderen Parteien gut sind. Sie sind die Trüffelschweine, die rechte Thesen ausgraben und ins politische Leben implementieren. Die Aufregung ist groß. Fast alle Parteien können sich zur Gemeinschaft der Demokraten vereinen und betonen, dass sie mit den bösen Rechten nun gar nichts zu tun haben. Und wenig später verbreiten sie dieselben rechten Inhalte, natürlich in einer etwas technokratischeren Sprache und setzen sie auch um.

Refugees not welcome

Das zeigt sich gerade an der türkisch-griechischen Grenze, wo jetzt griechisches Militär gemeinsam mit rechten Aktivbürgern die Grenzen Europas so verteidigen, wie diverse Rechte das seit Jahren fordern. Friedrich Merz, einer der Bewerber für den CDU-Vorsitz, erklärte angesichts der Migranten an der EU-Grenze: „Es hat keinen Sinn nach Deutschland zu kommen. Wir können Euch nicht aufnehmen.“

Das ist die genau die Botschaft, die Rechte aller Couleur in dem Motto „Refugees not welcome“ zusammenfassen. Der konservative Politiker bleibt sich treu. Er gehört zu einen der wenigen Mitte-Politiker, der sich auch nach dem rassistischen Amoklauf von Hanau nicht so gerierte, als wäre er in der Antifa. Merz erklärte zunächst, es falle ihm nach den Ereignissen von Hanau „ein bisschen schwer, jetzt einfach so zur politischen Tagesordnung“ überzugehen“. Um genau das zu tun. Seine politische Tagesordnung besteht darin, sofort auf Clankriminalität, Grenzkontrollen und rechtsfreie Räume abzudrehen.

Da war Merz erfreulicherweise ehrlich. Schlimmer ist es, wenn jetzt fast alle Parteien die Antifaparolen kapern, um weiter rechte Politik zu machen. Da hängt die SPD vor ihrer Berliner Zentrale ein Transparent mit der Parole „Kein Fußbreit dem Faschismus: Das galt für uns seit 165 Jahren“, ohne auch nur mit der Forderung konfrontiert zu werden, dann doch gefälligst posthum Gustav Noske auszuschließen, der am Beginn der Weimarer Republik als selbsternannter Bluthund mit dem Aufbau der Freikorps gegen die Rätebewegung wesentlich mit zur Erstarkung des Faschismus beigetragen hat. Das hat übrigens auch der linksliberale Publizist Sebastian Haffner bereits vor 50 Jahren gut beschrieben.

Statt Kampf gegen Rassismus Maulkorb für Fußballfans

Auch der Deutsche Fußballbund hat nach dem rassistischen Amoklauf von Hanau klar erkannt, dass jetzt klare Kante gegen kritische Fußballfans angesagt ist. Er ließ ein Spiel unterbrechen und verhängte die eigentlich abgeschafften Kollektivstrafen gegen Fans nicht etwa, weil wieder einmal ein Spieler rassistisch beleidigt wurde, der für manche nicht ins deutsche Reinheitsgebot passt.

Es waren die in der Tat sexistischen Angriffe gegen den Kapitalisten Dietmar Hopp, den viele Fans nicht ohne Grund für einen Exponenten einer Umgestaltung des Fußballs von einem proletarischen Freizeitvergnügen zu einer Kapitalanlage halten. Dafür muss erst einmal ungepasstes Verhalten aus den Stadion rausgehalten werden.

So passiert im Fußball genau das, was wir auch aus der Politik kennen. Da wird vollmundig ein neues angeblich scharfes Schwert gegen rechts vorgestellt und dann wird es vor allem gegen Linke zur Anwendung gebracht. So können wir auf der Ebene des Fußballs feststellen, dass nach den Bekundungen, nach Hanau jede Form von Rassismus zu ächten, zunächst einmal in der Tat pubertäre Sponsorenkritik geächtet wird.

10 Minuten streiken wegen Hanau?

Bei alledem ist die Mordtat von Hanau schon nach knapp 2 Wochen aus den öffentlichen Interesse verschwunden. Die öffentliche Gedenkveranstaltung am 4. März im Tatort wird noch einmal die Phrasendreschmaschinen auf Hochtouren laufen lassen. Wir werden uns noch einmal anhören müssen, dass nach Hanau nun aber wirklich Ernst gemacht wird mit dem Kampf gegen rechts.

Die Aussage glaubt von den Angehörigen der Opfer des Amoklaufs kaum jemand, weil er ja in den letzten Tagen bereits widerlegt wurde. Hanau wird wie die vielen anderen Tatorte rechter Gewalt ein Ort, wo zu bestimmten Jahrestagen salbungsvolle Gedenkreden gehalten werden und in der Zwischenzeit alles weiterläuft wie bisher. Manchmal werden wie in Mölln, die Angehörigen der Opfer sogar explizit aus der Zeremonie herausgehalten, weil sie die Stimmung verderben könnten, wenn sie konkrete Forderungen stellen.

Eine Petition, mit der die Gewerkschaften anlässlich der öffentlichen Gedenkveranstaltung für die Opfer von Hanau am 4. März aufgerufen wurden, eine 10-minütige Arbeitsniederlegung zu initiieren, wurde lediglich von 81 Menschen unterzeichnet. Da mögen manche auch ob der Bluttat sehr betroffen gewesen sein, eine 10-minütige Arbeitsniederlegung zum Gedenken an die Opfer ist für viele dann doch zu viel des Engagements.

Zumindest einige Landesverbände der Dienstleistungsgewerkschaft verdi und auch einige IG-Metall-Gewerkschaften haben die Initiative von 10 Minuten Gedenken für die Opfer von Hanau aufgegriffen. Es wird sich am Mittwoch zeigen, wie viele sich daran beteiligen.

Zwei Wochen nach dem Amoklauf von Hanau ist der Alltag wieder eingekehrt. Auf der Agenda steht der Schutz der europäischen Grenzen, kein Fußbreit für kritische Fußballfans und die Gewöhnung an den Gedanken, dass im Notfall auch gegen Migranten von der Waffe Gebrauch gemacht werden kann. (Peter Nowak)