Am Eingang ist unter Glas ein Stahlhelm mit einem Hakenkreuz zu sehen. Einer Informationstafel kann man entnehmen, dass er während des Kapp-Putsches im März 1920 von einem der Soldaten getragen wurde, die die Weimarer Republik beseitigen wollten. Hier wird noch einmal sehr plastisch deutlich, dass die Nazis das Hakenkreuz nicht erfunden haben. Die NSDAP war nur eine von …
„Ausstellung Weimarer Republik: Totalitarismusdoktrin lässt grüßen“ weiterlesenSchlagwort: Sebastian Haffner
Zwei Wochen nach Hanau – Deutschland geht zur Tagesordnung über
„Der Gebrauch von Waffen kann nur letztes Mittel sein. Seit es Frontex gibt, haben unsere Beamten kein einziges Mal selbst geschossen.“ Nicht ein AfD-Politiker, sondern der Frontex-Chef Fabrice Leggeri erklärte in einem Interview mit der Zeit, dass notfalls auch auf Migranten geschossen werden kann, um die europäischen Grenzen zu schützen. Hätte ein AfD-Politiker sich so geäußert, ….
„Zwei Wochen nach Hanau – Deutschland geht zur Tagesordnung über“ weiterlesenMutige Sieben
Auf enigen zeitgenössischen Fotos, die auf der Gedenkveranstaltung präsentiert wurden, waren bereits auf Fahrzeugen der Freikorps gemalte Hakenkreuze zu sehen. Der Journaliist und Historikers Sebastian Haffner l sah in der brutalen Gewalt gegen die Arbeiter, die im Januar 1919 ihre Revolution – auch wieder die SPD-Führung – retten und fortführen wollten, den Auftakt ür die vielen Morde n in den folgenden Jahren sowie ein Menetel für den Staatsterror in der NS-Zeit. Dies läßt sich gut am Schicksal on Mathilde Jakob ablesen. Mehrfach bereits in der Weimarer Republik verhaftet, wurde sie von den Nazis als Jüdin nach Theresienstadt deportiert, wo sie mit 70 Jahren starb. Mittlerweile trägt ihren Namen ein Platz in Moabit, wo sie lange wohnte- An die ermordeten Vorwärts-Parlamentäre erinnert bis nur eine Tafel am Eingang des auf dem Dragonergelände befindlichen Finanzamt Friedrichshain-Kreuzberg. Das soll sich ändern. „Dragopolis“ will sich dafür einsetzen, dass bis zum 100ten Jahrestag des feigen Mordes vom 11. Januar Wege auf dem weiträumigen Dragoner-Gelände nach den Opfern benannt werden.
https://www.neues-deutschland.de/artikel/999043.mutige-sieben.html
Peter Nowak
Die vergessene Rätebewegung
- Axel Weipert
- Die zweite Revolution
- Rätebewegung in Berlin 1919/1920
Der Autor zeigt die Bedeutsamkeit der revolutionären Organisationen für die Weimarer Republik auf.
Trotz ihrer Bedeutung für die politischen Entwicklungen wurde die in der Zeit von 1918 bis 1920 aktive Rätebewegung in Deutschland von der Geschichtswissenschaft kaum beachtet. Die ArbeiterInnen- und Soldatenräte hatten das Ziel einer grundsätzlichen politischen und sozialen Umwälzung. Deshalb galten konservativen HistorikerInnen die Räte als Vorboten der kommunistischen Revolution. Viele linke HistorikerInnen sahen in den Räten wiederum nur eine Art Übergangsregierung. Ihre Rolle sollten eigentlich Arbeiterparteien übernehmen.
Überschätzt wurde nach Ansicht Einiger die Bedeutung der KPD innerhalb der revolutionären Bewegung, vor allem von DDR-WissenschaftlerInnen. Schließlich hatte die erst an der Jahreswende 1919 gegründete Partei gar nicht die Möglichkeiten, einen großen Einfluss auf die revolutionären Entwicklungen dieser Zeit zu nehmen. Fraglich ist, ob sich die Räte nicht selber entmachteten, als sie mit großer Mehrheit auf dem Reichsrätekongress, der im Dezember 1918 in Berlin tagte, für eine parlamentarische Demokratie votierten? Für viele HistorikerInnen war das Kapitel der Räte damit beendet.
Erst in den letzten Jahren haben sich ForscherInnen wieder verstärkt mit der Rätebewegung befasst und dargestellt, dass diese keine unbedeutsamen Akteure einer kurzen historischen Episode waren, wie es die bisherige Geschichtswissenschaft suggeriert. Ihr Einfluss sollte nicht unterschätzt werden. So waren beispielsweise die von den Freikorps blutig niedergeschlagenen Streiks im März 1919 von der Rätebewegung getragen. An diese republikweite Streikbewegung knüpft auch der Berliner Historiker Axel Weipert in seinem Buch „Die Zweite Revolution – Rätebewegung in Berlin 1919/1920“ an. Sehr detailliert geht Weipert auf die Rolle der Räte in der Streikbewegung vom Frühjahr 1919 ein. Dabei sieht er in der schlechten Koordination der Bewegung einen Hauptgrund für deren Niederlage. Noch bevor der Streik in Berlin begonnen hatte, war er in anderen Teilen der Republik schon niedergeschlagen.
Das vergessene Massaker vor dem Reichstag
Ein großer Verdienst von Weipert sind seine Forschungen zu einem weitgehend vergessenen Blutbad vor dem Reichstag am 13. Januar 1920. Freikorps schossen in eine von der Rätebewegung organisierte Demonstration gegen das beschlossene Reichsrätegesetz sowie die damit einhergehende Entmachtung der Räte in den Betrieben. 42 Tote und über 100 zum Teil Schwerverletzte waren die Folge. Damit fand der von der SPD-gestellten Regierung zumindest tolerierte Terror der Freikorps, dem bereits 1919 Rosa Luxemburg, Karl Liebknecht, aber auch tausende namenlose ArbeiterInnen zum Opfer fielen, seine Fortsetzung. Die alten Machtverhältnisse sollten nicht nur in der Politik, sondern auch in der Wirtschaft wieder hergestellt werden. Weipert sieht in dem Massaker vor dem Reichstag keine unglückliche Verkettung von nicht beherrschbaren Umständen, wie manche Liberale die staatliche Repression zu entschuldigen versuchen:
„Der 13. Januar ist in vielerlei Hinsicht ein Lehrstück über die politischen Verhältnisse Deutschlands in jener Zeit. Besonders deutlich zeigte sich hier, wie grundlegend unterschiedlich das Politikverständnis in der Rätebewegung einerseits und in den etablierten Institutionen andererseits war. (…) Während im Reichstagsgebäude die Parlamentarier berieten, standen draußen die Demonstranten, ohne direktes Mitspracherecht, dafür aber bedroht und schließlich beschossen von den bewaffneten Organen des Staates. Man glaubte, die Volksvertreter vor dem Volk schützen zu müssen. Und das mit reinen Gewissen – denn, wie der Reichskanzler formulierte, es handelte es sich um nichts weniger als die ‚Verteidigung des heiligsten Volksrechts, der Meinungsfreiheit der Volksvertreter‘. Das war ein bemerkenswertes Demokratieverständnis. Nicht der Wille des Volkes und dessen Meinungsfreiheit standen im Mittelpunkt, sondern die Meinungsfreiheit der Parlamentarier“ (S. 185).
Sebastian Haffner, einer der wenigen bürgerlichen Publizisten, der nicht auf dem rechten Auge blind war, zog 1969 in seinem Buch „Die verratene Revolution/Deutschland 1918/19“ eine Linie vom Staatsterror in der Frühphase der Weimarer Republik zum Aufstieg des Nationalsozialismus. Der Mord an Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht vom 15. Januar 1919 war für ihn der Beginn eines Weges, der ins Dritte Reich führte, „der Auftakt zu den tausendfachen Morden der Noske-Zeit, zu den millionenfachen Morden in den folgenden Jahrzehnten der Hitler-Zeit“. Haffner war ein Zeitgenosse, der Augen und Ohren offenhielt und den Terror der frühen Jahre der Weimarer Republik nicht vergaß. Heute ist der blutigste Angriff auf eine Demonstration in der Weimarer Republik weitgehend unbekannt.
Vielleicht trägt seine Forschungsarbeit dazu bei, dass am 20. Januar 2020, wenn sich der Staatsterror vor dem Reichstag zum hundertsten Mal jährt, ein Erinnerungs- und Gedenkort für die Opfer eingerichtet wird.
Von Schüler –und Erwerbslosenräten
Echte Pionierarbeit leistet Weipert auch da, wo er sich detailliert mit den Schüler- und Erwerbslosenräten befasst. Hier wird deutlich, dass der Rätegedanke in den Jahren 1919/1920 nicht nur in den Großfabriken, sondern in weiten Teilen der Gesellschaft verankert war. Dass die Räte nicht per se revolutionär waren, wie Weipert bereits im Vorwort betont, zeigte sich an der Aktivität von Schülerräten in den bürgerlichen Stadtteilen Berlins, die sich dafür einsetzten, dass der Sohn des ermordeten Sozialisten Karl Liebknecht vom Gymnasium verwiesen wurde. Der bürgerliche Nachwuchs wollte nicht mit dem Sohn eines „Roten“ die Schulbank drücken. Allerdings waren diese reaktionären Räte die absolute Minderheit. Mehrheitlich organisierten sich in den Räten linke ArbeiterInnen sowie von der Produktion Ausgeschlossene. Sehr aktiv waren im Jahr 1920 vor allem die Erwerbslosenräte, deren Verhältnis zu den sozialdemokratisch orientierten Gewerkschaften konfliktreich war. In einem eigenen Kapitel geht Weipert auf die Konzepte zur politischen Aktivierung von bis dato unterrepräsentierten Frauen in Räten ein. Er zeigt auf, dass die geringe Teilnahme von Frauen innerhalb der Rätebewegung zumindest problematisiert wurde: „Einmal zeigte sich, dass während der ganzen Zeit der Rätebewegung, vom November 1918 bis weit in das Jahr 1920 hinein, immer wieder Vorschläge für eine wirkungsvolle Einbindung von Frauen in die Räte erarbeitet und publiziert wurden“ (S. 340).
Pionierarbeit leistet Weipert auch da, wo er die kurze Geschichte der Revolutionären Betriebsrätezentrale nachzeichnet, mit der AktivistInnen den Räten eine Struktur geben wollten. In der Abwehr gegen den Kapp-Putsch erfuhren die Räte noch einmal einen Aufschwung. Danach aber spielte die Rätebewegung keine große Rolle mehr. Führende AktivistInnen wie Richard Müller engagierten sich kurzzeitig in der KPD, bis sie im Linienstreit unterlagen und ausgeschlossen wurden. Erst am Ende der Weimer Republik wurde mit den Mieterräten diese Politikform wieder aufgegriffen. Weipert hat mit seiner gut lesbaren Arbeit nicht nur eine wichtige historische Arbeit über ein Stück vergessener linker Geschichte geleistet. Er hat auch für die heutige politische Praxis Anstöße geliefert. „Gerade in der Verbindung von basisdemokratischen und sozialistischen Ansätzen sehe ich eine wichtige Alternative zu einem übervorsichtigen Reformismus und dem zu Recht gescheiterten autoritären Sozialismusmodell à la DDR“, erklärte Weipert in einem Interview in der Berliner Tageszeitung taz die Aktualität der Rätevorstellungen.
zusätzlich verwendete Literatur:
Sebastian Haffner (1969): Die verratene Revolution – Deutschland 1918/19. Stern-Buch, Hamburg.
http://www.kritisch-lesen.de/rezension/die-vergessene-ratebewegung
Peter Nowak