Kommentar: Zum zweiten Jahrestag des Verbots der Plattform Indymedia.linksunten wurden Gründe diskutiert, warum die Opposition dagegen nicht größer ist

Indymedia-Verbot: Wenn die „Sturmgeschütze der Demokratie“ schweigen

Mittlerweile wird zu einem Tag (((i))) aufgerufen. Am Samstag vor dem Prozess vor dem Bundesverwaltungsgericht in Leipzig soll es in der Stadt eine bundesweite Demonstration geben.

Am 14. August jährte sich zum zweiten Mal das Verbot einer linken Online-Plattform. Es handelt sich um die Plattform Indymedia.linksunten, deren Inhalt nur noch auszugsweise in einem in den USA gehosteten Webarchive zugänglich ist. Der damalige Bundesinnenminister Thomas de Maiziere hat das Verbot aufgrund des….

…..Vereinsrechts erlassen und 11 Tage später angezeigt.

Medien wie der Spiegel, das selbsternannte „Sturmgeschütz der Demokratie“, hinter dem bis in die 1970er Jahre so mancher Altnazi stand, fand wenig Kritikwürdiges daran, ein linkes Medium nach dem Vereinsgesetz zu verbieten. Da wird der Hintergrundartikel zum Verbot mit einer der Militanzerklärungen eingeleitet, die als Begründung für das Verbot nach dem Paragraf 2, Absatz 1 des Vereinsgesetzes herhalten musste.

Dabei ging es für die Staatsorgane darum, nach den massiven Protesten gegen den G20-Gipfel in Hamburg, Stärke und Entschlossenheit zu zeigen. Damals überboten sich Politiker von AfD bis SPD darin, Forderungen nach Verboten von sozialen Zentren quer durch die Republik zu fordern, weil die mal ein Plakat zu den Gipfelprotesten ausgehängt haben. Weil sich rausstellte, dass die Verbote rechtlich gar nicht möglich sind, suchte man sich dann Indymedia-Linksunten nicht zufällig raus.

„Mit Abstand wichtigstes Forum der außerparlamentarischen Linken“

Indymedia-Linksunten war den Staatsapparaten nicht etwa wegen der militanten Texte ein Dorn im Auge, die in dem Medium der pluralen außerparlamentarischen Linken immer nur einen Bruchteil der dort veröffentlichten Texte darstellten. Das konnte man dem Spiegel-Artikel durchaus entnehmen:

Für die linksextreme Szene in Deutschland ist das Verbot ein schwerer Schlag, trifft es doch deren mit Abstand wichtigstes Forum. „Ob Besetzungen, Anschläge, Debatten oder Lohnkämpfe – es passiert wenig Rebellisches im Hier und Jetzt, zu dem nicht auf ‚linksunten‘ aufgerufen oder berichtet wird“, schrieben die „Indymedia“-Macher in einer im September 2016 veröffentlichten Selbstdarstellung. Es wird daher erwartet, dass das Verbot ihres Zentralorgans die linke Szene kurzfristig schwächen könnte, weil ihr eine ganz wesentliche Plattform zum Austausch und zur Debatte genommen worden ist. Aller Voraussicht nach wird sie sich allerdings Ersatz schaffen können.

Spiegel Online

Nun würden der Deutschlandfunk und die liberalen Medien doch Bedenken äußern, wenn ein nicht unwichtiges Forum der außerparlamentarischen Linken in der Türkei, in Russland oder Polen nach dem politischen Vereinsrecht verboten wird. Zum Jahrestag des Verbots von Indymedia-Linksunten kam kein kritischer Beitrag im Deutschlandfunk und auch die Heribert Prantls und Claudia Roths dieser Republik, die doch immer schnell moralisch erregbar sind, wenn sie irgendwo Menschenrechtsverletzungen wittern, schwiegen auch.

Dabei ist das Verbot noch nicht gerichtsfest, weil die Personen, die beschuldigt werden, mit Indymedia-Linksunten dagegen klagen. Auf einer Veranstaltung in Berlin wurde über die Geschichte von Indymedia und den Umgang mit dem Verbot diskutiert.

Medienverbot nach dem Vereinsrecht

Die Jenaer Rechtsanwältin Kirstin Pietrzyk, eine der Anwältinnen der Kläger gegen das Verbot, betonte auf der Veranstaltung, dass es besonders fatal ist, dass mittels Vereinsrecht Presse verboten ist. Da sind die Verbotsschwellen besonders niedrig.

Nach Ansicht der Anwältin wäre allerdings das Telemediengesetz für ein Medium wie Indymedia Linksunten zuständig. Dann wäre nicht der Bundesinnenminister zuständig, sondern die Ländermedienanstalten. Zudem hätte nicht das gesamte Medium, sondern nur einzelne inkriminierte Texte gesperrt werden dürfen. Als besonders fatal bezeichnet es Pietrzyk, dass noch immer kein Termin für die Klage gibt.

Er war für Januar 2018 terminiert, wurde verschoben und sollte jetzt in der ersten Hälfte 2019 stattfinden. Einen konkreten Termin gibt es aber noch nicht. Trotzdem wurde das Verbot „sofort vollziehbar“ erklärt. Das bedeutet nicht nur, dass die Plattform zerstört wurde, sondern auch, dass ein positiver Bezug darauf kriminalisiert werden kann.

Pietrzyk kritisiert mit Recht, dass ein Großteil der Medien, die über das Indymedia-Linksunten-Verbot berichteten, sich nicht die Frage gestellt haben, dass damit auch sie angegriffen werden, weil sie auch ein Teil der Presse sind. Dabei könnten sie sich beim Blick in das Webarchiv überzeugen, welche Breite die Texte auf Indymedia-Linksunten umfassten. Dort geht es um Solidarität mit Sinti und Roma, um Pussy Riots, Proteste gegen die Militarisierung an den Hochschulen und viele andere Themen der außerparlamentarischen Linken.

Bedeutungsverlust von Indymedia-Linksunten?

Nun sind bei der Frage nach der Solidarität mit Indymedia-Linksunten nicht nur die Medien, sondern auch die Nutzer angesprochen, also die Menschen, die dort unterschiedliche Texte veröffentlicht haben. Schließlich war es das Prinzip von Indymedia, die Trennung in Sender und Empfänger aufzuheben und keine Redaktion als Filter mehr dazwischen zu schalten. Das Prinzip „Wir sind alle Indymedia“ hat die Bloggerin und Politologin Detlef Schultze ernst genommen. Sie hat eine Klage gegen das Verbot eingereicht, die auf einer von ihr und Achim Schill erarbeiteten juristischen Expertiseaufbaut.

Doch bisher ist die Zahl der ehemaligen Indymedia-Linksunten-Nutzer, die sich gegen das Verbot wenden, eher klein. Einige Gründe hat der Medienaktivist Matthias Monroy, der seit vielen Jahren zu Gipfelprotesten und Repression publiziert, in seinem Vortrag über die kurze Geschichte der Indymedia-Bewegung benannt.

Der weltweite Startpunkt der Indymedia-Bewegung war der 18. Juni 1999 bei den G8-Protesten in Köln. Doch der Durchbruch kam wenige Monate später, als am 24.11.1999 Zigtausende gegen das WTO-Treffen in der liberalen US-Metropole Seattle protestierten und die Aktionen weltweit fast zeitgleich durch Indymedia bekannt gemacht wurden (Multimedial und auf der Strasse gegen George W. Bush). So hatte man die moderne Technik in den Dienst von emanzipatorischen Bewegungen gestellt (Mit Websites gegen Polizeiknüppel).

Die Geburtsstunde von Indymedia und einer neuen transnationalen globalisierungskritischen Bewegung fielen zusammen. Es gab auch utopische und sich schnell als unrealistisch herausstellende Vorstellungen, wie ein solches Medium ohne den Filter von Zeitungen und Radiosendern zu einer weltweiten Politisierung und einer Zunahme von Bewegungen beitragen kann. In der Zeit zwischen 1999 und 2001 gab es ein kurzes Zeitfenster, wo die Gipfel der Mächtigen in aller Welt zu Orten des transnationalen Widerstands wurden (APO-Online: Die Opposition formiert sich neu im Netz).

Wer nicht hinfahren konnte, organisierte dann Aktionen in den jeweiligen Wohnorten. Schließlich sorgte Indymedia für die Vermittlung der Informationen in alle Welt. Doch die inhaltliche Ausrichtung der Proteste blieb vage, schnell stellte sich die globalisierungskritische Bewegung zumindest im globalen Norden als mittelständisch geprägt heraus, im globalen Süden waren Kleinbauern und prekäre Beschäftigte stärker an den Protesten beteiligt.

Bürgerjournalismus als Mittel der Integration

Nach dem Höhepunkt des Protestzyklus, Genua am 19.Juni 2001 mit einem toten Demonstranten und zahlreichen schwer Verletzten und Verhafteten, begann der Abschwung der Bewegung. Die islamistischen Anschläge vom 11.9.2001 trugen weiter dazu bei. Doch die Krise von Indymedia setzte erst einige Jahre später ein.

Aktivisten zogen sich zurück, auch weil sie mit der Moderation der Seiten überfordert waren. Dazu gehörte der Umfang der Kommentare unter den Beiträgen. Schon damals beteiligten sich daran Internettrolle, die oft mit rechter Ideologie Stimmung machten. Indymedia-Österreich stellte seine Arbeit ein, weil es die Moderation nicht mehr gewährleisten konnte, auch in der Schweiz ist Indymedia faktisch eingestellt.

Die Geschichte von Indymedia war von Anfang an auch eine Geschichte der staatlichen Repression gegen das Medium, das als gefährlich eingestuft wurde, weil es Nachrichten fast in Echtzeit verbreiten konnte. Neben der Repression, für die das Verbot von Indymedia Linksunten ein wichtiges Beispiel ist, setzte auch die Integration ein.

Bürgerjournalismus wurde plötzlich auch von großen Medien propagiert, hatte aber nicht viel mit der Vorstellung von Indymedia zu tun. Während es dort um ein Medium zur Veränderung der Gesellschaft ging, hat Bürgerjournalismus heute in der Regel einen gesellschaftsstabilisierenden Faktor. Es werden dabei durchaus einzelne Missstände aufgegriffen, aber strukturelle Zusammenhänge ausgeblendet.

So zeigt auch die Geschichte von Indymedia, wie es den Staatsapparaten gelingt, emanzipatorische Ansätze zu integrieren und damit zu entschärfen. Die radikalen Teile hingegen sind dann ein Fall für Polizei und Justiz. Diese Entwicklung konnte man in der Umweltbewegung genauso beobachten wie in vielen anderen Teilbereichskämpfen. Sie ist jetzt auch bei Indymedia zu beobachten.

Hier liegt ein zentraler Grund für die Gleichmut, mit dem nicht nur Liberale, sondern auch Linke das Verbot eines linken Mediums hinnehmen. Auf der Veranstaltung wurde am Ende auch diskutiert, wie man aus dieser Lethargie herauskommen könnte.

„Tag (((i)))“

Mittlerweile wird zu einem Tag (((i))) aufgerufen. Am Samstag vor dem Prozess vor dem Bundesverwaltungsgericht in Leipzig soll es in der Stadt eine bundesweite Demonstration geben.

Mit der Mobilisierung wurde schon begonnen. Banner mit den „Tag (((i)))“ könnten so schon vor der Terminierung der Verhandlung auch ein Mittel der Solidarisierung mit Indymedia-Linksunten werden. In den 1970er und 1980er Jahren, als kritische Zeitungen, beispielsweise aus der Anti-AKW-Bewegung, verboten wurden, wurden die inkriminierten Texte in anderen Zeitungen nachgedruckt.

Damals beteiligten sich daran auch Linksliberale. Nun wäre ein Banner im Internet die zeitgemäße Form der Solidarität. Die Frage ist, ob die auch der Veranstaltung von einigen so positiv bewerteten Bürgerjournalisten bereit sind, auf diese Weise ihre Ablehnung des Verbots auszudrücken.