Urheberrechtsreform: Es geht um Profitinteressen, nicht um Zensur

Die Proteste gegen die Urheberrechtsreform könnten das vorliegende Gesetz verhindern, aber das könnte ein Pyrrhussieg sein - Ein Kommentar

Die Verabschiedung der Urheberrechtsreform steht im EU-Parlament nach Meinung des CDU-Abgeordneten Elmar Brok auf der Kippe. Das wäre ein Erfolg der …

… europaweiten Bewegung, die sich in den letzten Wochen europaweit gegen diese Gesetzesinitiative entwickelt hat.

Wegen Überfüllung Route geändert

Die Teilnehmerzahlen der Demonstranten übertrafen die Erwartungen der Organisatoren und Polizei weit. In Berlin musste sogar die Demonstrationsroute geändert werden. Weil statt der angemeldeten 2.000 weit über 10.000 Menschen an der Demonstration teilnehmen wollten, mussten kurzfristig größere Straßen genutzt werden, sonst hätte es einen großen Stau gegeben. Auch in anderen Städten war die Zahl der Teilnehmenden weit größer als erwartet.

„Ich habe viele netzpolitische Demonstrationen in Berlin erlebt. Von der Vorratsdatenspeicherung über Zensursula bis Acta. Diese Demo gegen Uploadfilter ist größer als die früheren“, schrieb der Netzpolitik-Gründer Markus Beckedahl. Euphorisch zeigte sich auch Julia Reda, die für die Piratenpartei im Europaparlament sitzt. „Ihr seid die Hoffnung Europas“, rief sie auf der Abschlusskundgebung den Demonstranten zu. Die revanchierten sich mit Julia-Rufen. Auch Fahnen fast aller anderen im Parlament vertretenen Parteien, außer CDU und AfD, waren auf der Demonstration vertreten. Viele Teilnehmende hatten Schilder, auf denen „Nie wieder CDU“ in die Höhe gehalten wurde.

Die Wahlen spielten überhaupt eine gewisse Rolle auf der Demo. „Auch Bots gehen wählen“, war eine häufig gesehene Parole. Das ist erstaunlich, weil gerade junge Menschen sich nicht besonders für Wahlen interessieren. Zudem waren zumindest in Berlin viele Demonstranten noch weit unter 18 Jahren. Viele scheinen auch, den Buttons nach zu urteilen, in der Jugendumweltbewegung aktiv zu sein. Es könnte also sein, dass die Jugend die Straße wieder als Aktionsfeld entdeckt. Dabei bleibt offen, ob es sich am Samstag eher um einen mehrstündigen Flashmob oder um eine politische Demonstration handelte.

Wenn nun – wie Brok befürchtet und es die Gegner des Paragraphen 13 wünschen – das Europaparlament das Gesetz nicht annimmt, dürfte es eine Neuvorlage nach den Europawahlen geben. Vielleicht wird das Gesetz dann anders verpackt. Noch ist offen, wie sich eine solche Verschiebung auf die doch sehr heterogene Protestbewegung auswirkt. Die Gefahr besteht, dass sie sich wieder zurückzieht und Vertrauen in all die Parteien von FDP bis Linke setzt, die auf der Demonstration vertreten waren.

Es geht um Profitinteressen und nicht um Zensur

Zumal die Massen vor allem wegen der Angst vor einer Zensur des Internets auf die Straße gingen. Auf vielen Transparenten war denn auch die Ablehnung der Zensur das zentrale Thema. Über Kapitalinteressen wurde hingegen wenig geredet. Deshalb konnte sich auch die FDP auf einer solchen Demonstration gut vertreten fühlen. Der Publizist Wolfgang Michal hat schon im Vorfeld der Demonstrationen in der Wochenzeitung Freitag eine Kritik an der Ausblendung der Profitinteressen formuliert.

Es geht in diesem Konflikt nicht um die Installation einer „Zensurmaschine“, die das Internet kaputt machen will, es geht um die Installation einer Geldmaschine. Die sich bedroht fühlende Kultur- und Kreativwirtschaft – zusammengesetzt aus zahllosen Musiklabels, Filmfirmen, Buch- und Presseverlagen – will die internetgetriebenen Plattform-Monopolisten zwingen, Lizenzen für sämtliche Werke zu erwerben, an denen sie die exklusiven Nutzungsrechte besitzen.Wolfgang Michal

Wenn aber solche Kapitalinteressen bei den Protesten gegen die Urheberrechtsreform kaum erwähnt werden, besteht die Gefahr, dass die Gesetze vielleicht in modifizierter Form doch noch beschlossen werden. Dann hätte die Süddeutsche Zeitung Recht, die nach den Demonstrationen vom Wochenende titelte „Diese Proteste könnte Artikel 13 stoppen“. Doch die Konzerne könnten ihr eigenes Ziel, die Profitmaximierung, später doch noch durchsetzen. Michal wies in seinen Artikel auch auf die paradoxe Frontstellung auf beiden Seiten hin:

Auf der einen Seite der Barrikade Netznutzer und netzpolitische Aktivisten, die gemeinsam mit den IT-Unternehmerverbänden Bitcom und Eco gegen die Reform zu Felde zogen, auf der anderen Seite die Urhebergewerkschaften, die zusammen mit der Verlagslobby und den Verbänden der Kreativwirtschaft für die Reform fechten.Wolfgang Michal

Michael fasst auch gut zusammen, wer beim Urheberrecht Gewinner und Verlierer sind:

Nicht die Blockade von Inhalten, sondern die Pflicht zur Lizenzierung ist also der Kern der EU-Reform. Man will Handlungen nicht verhindern, sondern zu Geld machen. . Darum geht es in den Artikeln 11 und 13 der EU-Richtlinie. Vom erhofften Geldsegen dürften die Urheber jedoch nur wenig abbekommen. Dafür sorgen die in der Debatte kaum beachteten Artikel 12 und 14. Zunächst zu Artikel 12: Dieser erlaubt – entgegen der Rechtsprechung von Bundesgerichtshof (BGH) und Europäischem Gerichtshof (EuGH) – eine pauschale Verlegerbeteiligung an den Ausschüttungen von Verwertungsgesellschaften, was einer kalten Enteignung der Urheber gleichkommt. Denn EuGH und BGH haben 2015 und 2016 gleichlautend entschieden, dass diese Ausschüttungen ausschließlich den Urhebern zustehen. Die Verlegerbeteiligung ist den Unternehmern deshalb so wichtig, weil der Erwerb von Lizenzen durch die Internetplattformen zusätzliches Geld in die Kassen der Verwertungsgesellschaften spülen wird.Wolfgang Michal

Wenn über diese Interessen nicht geredet wird, könnte auch selbst eine Nichtannahme des Gesetzes ein Pyrrhussieg für eine Protestbewegung sein, die viel von Freiheit und Ablehnung von Zensur, aber nicht von Kapitalinteressen redet. (Peter Nowak)