Es bleibt alles im rechten Bereich

Ein Aufruf gegen Hass und Gewalt kopiert linksliberale Aktionsideen. Ein Großteil der Unterzeichner kann als rechtsoffen bezeichnet werden

Gegen Hass und Gewalt wird ja ständig von Liberalen und zunehmend auch sich links verstehenden Kreisen aufgerufen, wenn sie von Rassismus, Antisemitismus und Nazismus nicht mehr reden wollen. Dann wird eben alles unpolitisch zu Hass und Gewalt. Nun kommt ein weiter Aufruf dazu, der

Gegen Hass und Gewalt wird ja ständig von Liberalen und zunehmend auch sich links verstehenden Kreisen aufgerufen, wenn sie von Rassismus, Antisemitismus und Nazismus nicht mehr reden wollen. Dann wird eben alles unpolitisch zu Hass und Gewalt. Nun kommt ein weiter Aufruf dazu, der auch noch verkündet:

Wer bürgerkriegsähnliche Konfrontation, die Einschränkung der freien Meinungsäußerung und die Diktatur des Mobs verhindern will, der muss die Freiheit der Andersdenkenden mit aller Entschiedenheit verteidigen.

Doch hier handelt es sich nicht um den nächsten Aufruf gegen rechts. Vielmehr ist es ein Aufruf, fairer mit der AfD umzugehen. So heißt es am Ende:

Verzichtet auf hasserfüllte Parolen wie „Nazipartei AfD“ oder „die demokratischen Parteien und die AfD“!

So wird klar, mit der „Diktatur des Mobs“ ist die Antifa und mit der „Einschränkung der politischen Meinungsäußerung“ die vielgeschmähte politische Korrektheit gemeint. „Die zehn Erstunterzeichner kommen aus verschiedenen politischen Lagern und Lebenszusammenhängen“, heißt es im Begleittext. Viele sind parteilos. Doch man kann sie als nach rechts weit offen definieren.

Keine Stimme der Vernunft

Mehrere von ihnen haben in ihren politischen Lagern ausprobiert, wie weit man dort nach rechts blinken kann. So bezeichnet sich Erstunterzeichner Rolf Stolz als Mitbegründer und Mitglied der Grünen, die er in der rechtslastigen Preußischen Allgemeinen in typisch rechter Diktion so kritisierte:

Als 1985 der Stasi-Agent Dirk Schneider die Deutschlandpolitik der grünen Bundestagsfraktion an sich riss, als Joschka Fischer 1998 sich als Lieblingsschoßhund der US-Außenministerin Madeleine Albright das Rüstzeug für seine jetzige Tätigkeit in der internationalen Beratungsfirma „Joschka Fischer and Company“ erwarb, wurde aus den Grünen nach und nach eine volksfeindlich-globalistische Anti-Deutschland-Partei im Schlepptau der internationalen Hochfinanz.Rolf Stolz über die Grünen

Wie Sarrazin, den man als Erstunterzeichner des Aufrufs vermisst, hat Stolz verschiedene  Ausschlussversuche überstanden.

Auch der Publizist Siegmar Faust ist zwar parteilos, gilt aber als AfD-nah. Selbst für die klar antitotalitär gepolte Gedenkstätte Hohenschönhausen war Faust zu rechts. Er verstehe ja, „dass die Verbrechen der Nazizeit noch weiter wirken“, aber „irgendwann muss das mal ein bissel aufhören“. In Hohenschönhausen gäbe es wenige, die anders dächten als er, erklärte er. Doch Selbstkritik kennt Faust nicht, immer sind vermeintliche Linke Schuld::zu rechts

Das war doch ’ne Kampagne, der (Journalist – A.d.R.) wusste doch vorher schon, was rauskommen soll. Und das zwei Drittel der Journalisten ‚grün-rot-versifft‘ sind, weiß jeder, und da braucht man sich nicht zu wundern, dass langsam Protest hochkommt und von Lügenpresse und Lückenpresse gesprochen wird.Siegmar Faust MDR

Mit Rainer Ortlieb hat auch ein ehemaliger Bundesminister die Erklärung unterzeichnet, der für die FDP im Bundestag saß, 2009 zur Wahl der Linken aufgerufen hat und bald den Patriotismus entdeckt hat.

Heimo Schwalk stetzt sich schon lange für die selbstbewusste deutsche Nation ein, bevor es die AfD überhaupt gab. Gemeinsam mit dem verstorbenen Ulrich Schacht und Rainer Zitelmann war Schwilk bereits Anfang der 1990er Jahre ein Schrittmacher bei der Rechtsverschiebung von Intellektuellen in Deutschland.

Viele der Unterzeichner der Erklärung gegen Hass und Gewalt haben im letzten Jahr die Erklärung 2018 unterzeichnet, die sich gegen einen angeblichen ungeregelten Zustrom von Geflüchteten wendet. Nur scheint die neueste Erklärung in den Medien kaum noch wahrgenommen zu werden. Dass ist der Preis dafür, dass manche rechte Intellektuelle zu einer Unterschriftenmaschinerie geworden sind, die fast monatlich neue allgemein gehaltene Aufrufe unterzeichnen. Das nutzt sich ab und das Interesse lässt nach. Da müsste schon ein Prominenter wie Henryk M. Broder zu den Unterzeichnern gehören, was er in diesem Fall nicht getan hat.

Wenn die Unterzeichner der neuen Erklärung „die Stimme der unabhängigen mittleren Position, die Stimme der Vernunft und der sachlichen Beurteilung“ anmahnen, gehören sie selbst nicht dazu. Wenn sie erklären, sich auf die „Freiheitsideen von 1789, 1848 und 1918“ zu beziehen, müsste man beim letzten Datum fragen, ob sie vor 100 Jahren nicht auf der Seite der Freikorps gestanden hätten, die tausende Linker niedermachten.

AfD mehr als Nazipartei

Dabei ist das Anliegen des Aufrufs nicht besonders spektakulär. Auch die meisten AfD-Gegner verweisen darauf, dass es falsch ist, diese Partei einfach als Nazipartei zu bezeichnen und mit der NPD gleichzusetzen. Es gab einige Bücher, die vor falscher oder verkürzter AfD-Kritik warnen, eben auch vor der Gleichsetzung von Rechtspopulismus und Nationalsozialismus. Dazu gehört „Die AfD, Analysen- Hintergründe – Kontroversen“, das im Verlag Bertz + Fischer erschienen ist und von Sebastian Friedrich herausgegeben wurde. Nur anders als die Unterzeichner des Aufrufs haben die Kritiker keine Normalisierung der AfD in Sinn, sondern suchen Wege, wie die Partei kleingehalten werden kann. (Peter Nowak)