Atos streikt gegen Tarifflucht

Anfang der Woche wollen erneut IT-Angestellte in Berlin Adlershof die Arbeit niederlegen

Beim IT-Dienstleister Atos droht eine Eskalation des Streits. Die Unternehmensführung verweigert eine Tariferhöhung und will aus der Tarifbindung aussteigen.

Beim Warnstreik Anfang Mai. Am Montag gehen die Atos-Beschäftigten wieder auf die Straße.
Foto: imago/Jürgen Heinrich

»Deutschlands klügster Bezirk.« Mit diesem Slogan wirbt das Technologiezentrum in Berlin Adlershof um Besucher. Sie finden dort den Prototyp der modernen Arbeitswelt, wo die Unternehmen Startups heißen und die Kantine zur Salatbar wurde. Doch am Vormittag des 11. Juli werden Beschäftigte mit IG-Metall-Fahnen durch die moderne Welt Hightech des Technologiezentrums demonstrieren.

Es ist nach Gewerkschaftsangaben der vierte Warnstreik, zu dem die Beschäftigten des IT-Dienstleisters aufgerufen sind. Und die 400 Beschäftigen des Adlershofer Atos-Werks werden wieder dabei sein. Beim letzten Warnstreik am 22. Juni hatten rund 3000 Beschäftigte an bundesweit 20 Standorten die Arbeit für einen Tag niedergelegt. Damit wollen sie eine Tarifflucht des Unternehmens verhindern. Dabei hatten sich die Beschäftigten durchaus kooperativ gezeigt und waren zeitweilig zum Verzicht bereit.

Atos ist über den Tarifvertrag IT-Dienstleistungen an die jährlichen Entgelterhöhungen der Metall- und Elektroindustrie gebunden. Im letzten Jahr hatte das Unternehmen wegen der schwierigen wirtschaftlichen Lage um eine Verschiebung der Erhöhung von 3,4 Prozent ersucht. Das Unternehmen vereinbarte mit der IG Metall (IGM), dass diese Erhöhung ein Jahr später, im Mai 2016, fällig wird.

Weil eine Doppelung der Erhöhungen von 2015 und 2016 auch nach Ansicht der IG Metall das Unternehmen wirtschaftlich überfordern könnte, war man auf Seiten der Gewerkschaft erneut zu Kompromissen bereit. Doch das Management weigerte sich, eine Erhöhung zu zahlen.

»Die Unternehmensleitung sagt ganz offen, dass sie nicht einsehen, allen Beschäftigten regelmäßig eine Erhöhung zu zahlen. Stattdessen wollten sie eine Leistungsprämie einführen. Das ist eine Provokation die wir als Gewerkschaft nicht hinnehmen wollen«, sagt Susanne Steinborn von der Projektstelle IT- und Telekommunikationsbetriebe bei Berliner IGM gegenüber »nd«. Für sie ist die Auseinandersetzung existenziell. »Hier geht es auch um die Frage, welche Erpressungen und Frechheiten man Unternehmen durchgehen lassen will, und wo Beschäftigte ihren Unternehmensführungen sagen, das machen wir nicht mit«, betont Steinborn.

Die Beschäftigten fordern die Nachzahlung der verschobenen Tariferhöhung von 3,4 Prozent vom letzten Jahr sowie der tarifvertraglich fälligen Erhöhung von diesem Jahr. Die Kampfbereitschaft ist groß. »Wir haben viele neue Mitglieder gewonnen. Es beteiligen sich sogar immer wieder Beschäftigte am Arbeitskampf, die keine Gewerkschaftsmitglieder sind,« so Steinborn. Nach den Warnstreiks hat sich das Unternehmen bereit erklärt, die Erhöhung von 2015 zu zahlen. Strittig ist weiterhin das Plus für 2016. Zudem beharrt Atos auf der Forderung, die Anbindung an den Tarifvertrag der Metall- und Elektroindustrie aufzukündigen. Sollte sich das Unternehmen in diesem Punkt nicht bewegen, könnte es zu einem längeren Arbeitskampf kommen.

Die IG Metall sieht die Chance, sich im IT-Bereich stärker zu verankern. Die Verwaltungsstelle Berlin hat für die Branche eine eigene Projektstelle eingerichtet. Jetzt soll eine zweite Stelle speziell für die Unterstützung der Beschäftigten in Adlershof geschaffen werden, kündigte der Berliner IGM-Vorsitzende Klaus Abel an. Die Atos-Beschäftigen bekamen Unterstützung von Kollegen anderer IT-Dienstleister. Sie wurden sich durch die Warnstreiks auch ihrer Stärke bewusst. So konnten am 22. Juni die von der Berliner Polizei ausgestellten Strafzettel nicht in das Computersystem eingearbeitet werden. Das gehört zu den Aufgaben der Atos-Beschäftigen in Adlershof – und die hatten sich für 24 Stunden ausgeloggt.

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Peter Nowak