Auf dem Weg zum transnationalen sozialen Streik?

Bericht vom Treffen in Poznan

Am ersten Oktober-Wochenende hatte die anarchosyndikalistische polnische Gewerkschaft  Inicjatywa Pracownicza (Arbeiterinitiative) zum transnationales Streikmeeting nach Poznan eingeladen. Zu den etwa 150 Teilnehmenden gehörten Aktivisten sozialer Zentren Italiens und die Gruppe Angry Workers aus Großbritannien. Aus Deutschland waren vor allem Vertreter der Interventionistischen Linken und des Blockupy-Netzwerk gekommen.
Bei den Diskussionen in den Arbeitsgruppen wurde deutlich, dass die Teilnehmenden vor allem in der Gewerkschaftsfrage Differenzen haben. Mitglieder der Angry Workers stellten ihre Arbeit in Warenhäusern im Londoner Osten vor. Ihnen gehe es darum, die Probleme der Beschäftigten und deren Umgang damit kennenzulernen und Konflikte zuzuspitzen. Gewerkschaftliche Vertretung aber lehnen die Angry Workers ab. Heiner Köhnen vom Netzwerk TIE dagegen orientiert sich in der Gewerkschaftsfrage an den Wünschen der Kollegen. Zu den Grundsätzen des Netzwerks gehört die Förderung von Selbstorganisation, auch gegen die Gewerkschaftsapparate. Köhnen benannte allerdings auch Organisationsprobleme, deren Ursachen nicht bei Gewerkschaftsapparaten und Parteien, sondern in der Umstrukturierung der Arbeitsprozesse liegen. Oft seien für die Kontrollen im Arbeitsprozess nicht mehr die Bosse oder irgendwelche Vorarbeiter, sondern scheinbar unabhängige Marktmechanismen verantwortlich. Da fehle dann der Gegner, an dem sich Konflikte entzünden und radikalisieren könnten: «Es scheint heute attraktiv, sich als Teil eines Teams oder einer Betriebsfamilie zu verstehen. Von diesem Druck zum Korporatismus können sich auch Kollegen nicht freimachen, die als linke Gewerkschafter genau dagegen angetreten sind.»
Zahlreiche Konferenzteilnehmer aus Deutschland wurden durch die Blockupyproteste für Arbeitskämpfe sensibilisiert. «Am 31.5.2014 wurde im Rahmen der europäischen Blockupy-Aktionstage der Geschäftsbetrieb von Bekleidungsläden auf der Frankfurter Zeil für einen Tag lahmgelegt. Dabei wurden die schlechten Arbeitsbedingungen der Beschäftigten ebenso thematisiert, wie die internationalen Ausbeutungsverhältnisse der Bekleidungsindustrie. An diesen Tag kooperierten die Aktivisten auch mit der Belegschaft einer Filiale, die an diesem Tag für höhere Löhne streikte. Doch die Kontakte mit den Beschäftigten waren temporär.»
In den Diskussionen auf der Konferenz spielte die Definition des sozialen Streiks eine wichtige Rolle. Ein zentrales Merkmal wird in der Selbstorganisation der Beschäftigten gesehen, die von Gewerkschaften unterstützt, aber nicht angeleitet werden sollen. Außerdem soll der soziale Streik neben dem Arbeitskampf im Betrieb auch Auseinandersetzungen um Miete und Wohnraum umfassen. Ein sozialer Streik ist also ein Arbeitskampf, der auf die Gesellschaft ausstrahlt.
In Poznan wurde auch über künftige Aktionen gesprochen So soll für den transnationalen Migrantenstreik am 1.3.2016 mobilisiert werden. Es soll eine länderübergreifende Amazon-Karawane geben, dafür steht bisher jedoch ebensowenig ein Termin fest wie für die nächsten europaweiten Blockupy-Aktionstage. Auf einem Folgetreffen soll auch die Kooperation mit dem Euromarschnetzwerk gesucht werden, das seit 20 Jahren einen transnationalen Widerstand gegen prekäre Arbeits- und Lebensverhältnisse organisiert. Schade war, dass sich kaum Amazon-Beschäftigte an dem Meeting beteiligten. Dabei ist es IP in wenigen Monaten gelungen, Kollegen im Amazon-Werk in Poznan zu organisieren und eine Solidaritätsaktion mit den streikenden Kollegen in Deutschland zu organisieren (siehe SoZ 6/2015).

Auf dem Weg zum transnationalen sozialen Streik?

von Peter Nowak

Erstveröffentlichungsort: