Essohäuser sind überall

Ein Film zeigt den Kampf gegen Verdrängung in Hamburg

»Einfach dokumentieren, was hier täglich passiert, und denen, die hier wohnen, eine Stimme geben«, wollen die Hamburger Filmemacher Irene Bude, Olaf Sobczak und Steffen Jörg. In ihrem jüngsten Film »buy buy st. pauli«, der zur Zeit in mehreren Städten zu sehen ist, haben sie diesen Anspruch umgesetzt. Über mehrere Jahre begleiteten sie Bewohner und Unterstützer der Essohäuser, einem Gebäudekomplex in Hamburg aus den 60er Jahren, der exemplarisch für einen nicht nur auf St. Pauli stattfindenden Verdrängungsprozess steht. »Essohäuser sind überall«, lautete eine Parole der Bewegung.

Immobilienunternehmen verfahren dabei nach dem Prinzip: Verfallen lassen, räumen, abreißen, neu bauen, abkassieren. 2009 kaufte die Bayerische Hausbau die Plattenbauten, nachdem ihr Vorbesitzer jahrzehntelang seinen Instandhaltungspflichten nicht nachgekommen ist. »Wir werden unsere Projekte schon nach wirtschaftlichen Kennziffern und nicht nach politischen oder gesellschaftlichen Utopien ausrichten«, erklärte Bernhard Taubenberger von der Immobilienfirma damals. Solche Töne motivierten zum Widerstand gegen den geplanten Abriss.

Der Film porträtiert einige langjährige Bewohner in ihrem Wohnzimmer. Sie wollen bleiben, wegen der guten Nachbarschaft und den günstigen Mieten. Sie gründeten die »Initiative Esso-Häuser« und bekamen Unterstützung von der außerparlamentarischen Linken. Mit viel Engagement, Ausdauer und Witz setzen sie sich für den Erhalt der Häuser ein. Die Kamera begleitet sie bei zahlreichen Demonstrationen, subversiven Aktionen und Stadtteilversammlungen.

Für Mieter und Unterstützer war es ein Schock, als die Essohäuser Ende 2013 wegen Einsturzgefahr geräumt wurden. Man sieht im Film die Mieter in Notunterkünften und die hilflose Wut ihrer Unterstützer. Mittlerweile leben die meisten verstreut in ganz Hamburg.

Alles umsonst also? Der Film lässt offen, ob das Beteiligungsverfahren, bei dem Bewohner von St. Pauli eigene Vorschläge für die Bebauung des Geländes einreichen können, zumindest ein kleiner Erfolg der Mieter- und Stadtteilbewegung ist.

https://www.neues-deutschland.de/artikel/960709.essohaeuser-sind-ueberall.html

Peter Nowak