Detroit, Griechenland, Deutschland: Im Zeichen der Krise werden die Reste des Sozialstaats geschleift
Fast wäre zu Wochenbeginn im Berliner Stadtteil Friedrichshain eine Schule geschlossen wurden, weil die Reinigung der Toiletten mangelhaft war und auf den Treppen Staubschichten lagen. Als am vergangenen Montag das Gesundheitsamt zur Prüfung kam, hatten die Putzkräfte eine Generalreinigung beendet und damit die Schulschließung abgewendet. Doch der Fall dieser Berliner Grundschule, der sogleich durch die Medien ging, war keine Ausnahme.
Nach Angaben des zuständige Stadtrats von Friedrichshain-Kreuzberg, Peter Beckers (SPD), sind auch bei anderen Schule bereits Abmahnungen gegen Reinigungsfirmen ausgesprochen worden. Doch Beckers spricht auch die eigentlichen Ursachen an: „Aber das Grundproblem ist die vorgeschriebene Auftragsvergabe an den ‚wirtschaftlich günstigsten’ Anbieter“, weiß der Politiker.
„Wir haben als Bezirk schon vor einiger Zeit versucht, die Firmen nach Qualitätskriterien auszuwählen, sind aber von der Berliner Vergabekammer zurückgepfiffen worden.“
Empörte Eltern mit wenig durchdachten Vorschlägen
Dass es sich bei den schlecht gereinigten Schulen um keine Ausnahmen handelt, kann man auch auf Facebook-Seiten empörter Eltern sehen, die allerdings durch die alarmistische Wortwahl von der „Galerie des Grauens“ und durch wenig durchdachte Vorschläge auffallen.
So wird in ihrem Schreiben einerseits richtig auf die sozialen Probleme hingewiesen: „Die Reinigungskräfte haben zu wenig Zeit für zu viel Arbeit bei zu schlechter Bezahlung. Zudem droht stets die Kündigung, falls die nicht zu bewältigende Arbeit unter diesen Voraussetzungen nicht erfüllt worden ist.“ Doch dann wird populistisch die Frage gestellt: „Würden Sie eine solche Putzfirma einstellen?“
Dabei liegen die Gründe auch für die mangelnde Reinigung der Schulen auf der Hand. Es ist das Spardiktat, das von der Politik in Gesetz gegossen wird und mittels Schuldenbremse sogar Verfassungsrang bekommen hat, das auch dafür sorgt, dass im Boomland Deutschland Schulen fast geschlossen werden müssen, weil nicht genügend Geld für die Reinigung bereitgestellt wird. Hier zeigt sich auch, dass die vielzitierten griechischen Verhältnisse, die immer mal wieder angeführt werden, auch von Deutschland gar nicht so galaktisch weit entfernt sind, wie es dargestellt wird.
Dort schließen im Winter die Schulen, weil kein Geld für die Heizung vorhanden ist. In anderen Schulen bringen Lehrer und Schüler Kohle mit. In Berlin gibt es Schulen, in denen Eltern sich für Putzschichten eintragen. Ein solches Engagement ist auf jeden Fall sinnvoller, als auf Facebook die dreckigsten Schulen zu präsentieren, fördert allerdings den Trend, soziale Aufgaben vom Staat in private Hände zu legen. Schließlich ist auch die Propaganda vom Ehrenamt besonders stark in Zeiten, in denen infolge von der Politik verordneter Sparzwänge überall die sozialen Dienstleistungen geschrumpft werden.
Detroit als Blick in die Zukunft
Wo eine solche Entwicklung hinführt, zeigt sich exemplarisch an der Entwicklung in Detroit. „In den USA zerstört die finanzielle Kernschmelze ganze Großstädte“, heißt es in der Le Monde Diplomatique. Der Bericht beschreibt sehr gut, wie im Zuge der Deindustrialisierung immer mehr soziale Dienstleistungen verschwanden:
„Die 2008 einsetzende Wirtschaftskrise stürzte die Stadtverwaltung vollends in die roten Zahlen und erzwang eine überstürzte Sparpolitik. Seitdem funktioniert die Müllabfuhr nur noch sporadisch, Polizeiwachen sind nachmittags nicht mehr besetzt, Straßenlampen wurden abgeschaltet und viele städtische Buslinien eingestellt. Eine Zeit lang mussten die Feuerwehrleute das Klopapier für ihre Wachen selbst kaufen; inzwischen wird es von einer Firma gesponsert.“
Nachdem Detroit im Juli 2013 Bankrott anmelden musste, setzte der rechtskonservative Gouverneur Michigan die gewählte von den Demokraten gestellte Stadtverwaltung ab und installierte im März 2013 seinen eigenen „Zwangsverwalter“. „Seitdem wird das Schicksal Detroits von dem Unternehmensanwalt Kevyn Orr bestimmt, der auf Insolvenzverfahren spezialisiert ist“, heißt es in dem Bericht.
„Der kann, nachdem ihm Snyder entscheidende Machtbefugnisse übertragen hat, nach Gutdünken Angestellte der Stadtverwaltung entlassen, kommunale Vermögenswerte verkaufen, öffentliche Ausgaben kappen und Lohnvereinbarungen mit den Gewerkschaften annullieren. Und das alles ohne Wählerauftrag und mit der bloßen Behauptung, dass es zur Sanierung des städtischen Haushalts notwendig sei.“
Wer hier an das Prozedere an die Durchsetzung der Troika-Politik in Griechenland, Portugal oder anderen Länder der europäischen Peripherie erinnert wird, liegt sicher nicht falsch.
http://www.heise.de/tp/blogs/8/155676
Peter Nowak
Links
[1]
http://www.tagesspiegel.de/berlin/voellig-von-der-rolle-grundschule-droht-die-schliessung-wegen-hygienemaengeln/9317586.html
[2]
http://schulschmutz.kaposty.de/?page_id=59
[3]
http://schulschmutz.kaposty.de/?page_id=59#comment-5
[4]
http://www.taz.de/1/archiv/digitaz/artikel/?ressort=bl&dig=2014%2F01%2F06%2Fa0117&cHash=503461e643ab470c2c5378bcd94745fd
[5]
http://www.monde-diplomatique.de/pm/2013/12/13.mondeText.artikel,a0051.idx,18
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