Wie viel Ausländerfeindlichkeit ist erlaubt?
Knapp 10 Jahre nach dem ersten Anlauf die NPD zu verbieten, findet nun ein neuer Versuch statt. Dieses Mal wurde der Antrag nur von dem Bundesrat gestellt. Dabei sind die Bedingungen nicht besser geworden und auch erklärte Nazigegner reagieren skeptischer.
Die Staatsorgane haben ihre Hausaufgaben wohl gemacht. Dass das NPD-Verbotsverfahren noch einmal an VS-Leuten in höchsten Parteigremien scheitert, ist wohl ausgeschlossen. Ausdrücklich wurde bei Beginn der neuen Verbotsrunde erklärt, dass die Quellen, die das Verfahren stützen sollen, nicht durch informelle Mitarbeiter tangiert sind. Doch, ob das Verbotsverfahren dieses Mal zu einem, für die Antragssteller erfolgreichen Ende kommt, ist trotzdem offen.
Die Skepsis ist auch bei Kommentatoren gewachsen, die zu den Befürwortern eines erneuten NPD-Verfahrens gehören, wie Patrick Gensing. Er gehört er nicht zu denen, die mit einen NPD-Verbot vor allem Schaden an Deutschland, der Verfassung und den Grundgesetzt abwehren wollen. „Das demokratische System in der Bundesrepublik Deutschland kann eine solche Partei wohl aushalten. Doch für die Feinde der Neonazis, gegen die auf Wahlplakaten, auf Demonstrationen oder im Internet gehetzt wird, ist eine solche Partei unzumutbar. Und Hetze gegen Minderheiten ist auch mitnichten von der Meinungsfreiheit gedeckt“, schreibt der Journalist. Doch er ist ernüchtert über das Prozedere:
„Da passt es ins Bild, dass die Bundesregierung und der Bundestag die Länder nun allein den Weg zum Bundesverfassungsgericht gehen lassen. Auch die Innenminister der Länder scheinen ihren Inlandsgeheimdiensten nicht ganz über den Weg zu trauen, was die ‚Quellenfreiheit‘ des Materials für das NPD-Verbot angeht. Anders ist es nicht zu erklären, warum mehrere Minister mit einer Garantie zögerten, wonach kein Material von bezahlten Neonazis verwendet worden sei. Auch nicht gerade ein Zeichen von Geschlossenheit und Stärke.“
„Genug Gründe, den Verbotsantrag mit spitzen Fingern anzufassen“
Grundsätzlicher ist die Kritik des Taz-Kommentators Christian Rath. Für ihn muss ein Parteienverbot hohe Hürden haben und nur das letze Mittel in einer Demokratie sein. Zudem gibt es zu Bedenken, dass der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte am Ende immer noch das in Deutschland juristisch bestätigte Parteienverbot aufheben könnte. Raths Hauptkritik ist aber der instrumentelle Umgang der Staatsapparate mit dem NPD-Verbot:
„Die Forderung nach Ausschaltung der NPD kam immer dann hoch, wenn sich die Öffentlichkeit über rechtsradikale Gewalttaten empörte, im Sommer 2000 nach einem Anschlag auf russische Einwanderer in Düsseldorf und jüngst nach Bekanntwerden der Morde der rechten Terrorgruppe NSU. Wenn die unmittelbaren Täter unbekannt oder tot sind, dann ist ein NPD-Verbot immer gut, um staatliche Entschlossenheit und Handlungsfähigkeit zu zeigen. Inzwischen wird das Verbotsverfahren vor allem fortgeführt, weil man es einmal angefangen hat.“
Die Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes/Bund der Antifaschisten kritisiert auch, dass es erst des NSU-Skandals bedurfte, damit ein erneutes NPD-Verbot in die Gänge kommt. Doch endet die Presseerklärung recht optimistisch.
„Bestätigt fühlen können sich alle, die seit fast 50 Jahren dafür gekämpft haben, die legale Existenz einer neofaschistischen Partei mit allen daraus resultierenden finanziellen und juristischen Vorteilen für die NPD zu beenden. Die VVN-BdA hat sich dafür von Anfang an und insbesondere seit 2007 mit ihrer Kampagne „nonpd – NPD-Verbot jetzt!“ besonders engagiert.“
Freibrief für die nichtbiologistische Rechte
Doch wird wenig darauf eingegangen, dass mit dem NPD-Verfahren auch eine staatliche Markierung dessen verbunden ist, welche rechten Gruppierungen noch im Sinne des Grundgesetzes akzeptabel sind und welche nicht. Dabei wird von verschiedenen Landespolitikern hervorgehoben, dass die NPD vor allem aufgrund ihrer biologisch-rassistischen Ideologie verboten werden soll.
Ausdrücklich haben einige Landespolitiker betont, dass es eben nicht ausreicht, wenn eine Partei ausländerfeindlich ist, um sie zu verbieten. Eine solche Erklärung markiert dann auch die Trennung zu einer Rechten, die verboten werden soll und einer Rechten, die, obwohl ausländerfeindlich, dann doch akzeptabel ist.
Das korrespondiert mit einer Modernisierung innerhalb der rechten Bewegungen in Europa. Selbst Gruppierungen wie der Vlaams Belang und der Front National, die ihre Wurzeln in der alten nazistischen Rechten hatten, geben sich heute als Rechtspopulisten, kaschieren ihren Antisemitismus und begründen ihren Rassismus ethnopluralistisch statt biologistisch.
Zu den wenigen rechten Gruppierungen, die im europäischen Raum noch relativ ungebrochen auf die nazistische Ideologie rekurrieren, gehört neben der Jobbik in Ungarn, der Goldenen Morgenröte in Griechenland auch die NPD.
Auch in Griechenland diskutieren Antifaschisten, was hinter dem Verfolgungseifer der griechischen Behörden gegenüber den Faschisten steht, die monatelang nicht belangt worden. Der Anlass für das Umschwenken der griechischen Politik war die Ermordung des Rap-Musikers Pavlos Fyssas. Doch zuvor hatten die Rechten auch schon Migranten ermordet, ohne dass es zu einem Aufschrei kam. Im Gegenteil gab es in regierungsnahen Medien sogar Diskussionen, die Goldene Morgenröte in die Regierung mit den Rechtskonservativen einzubeziehen.
Nun ist klar, dass im gegenwärtigen Europa die offene Kooperation mit einer nazistischen Partei keine Perspektive hat. Wenn sich aber die Partei nach den Verfolgungsdruck gemäßigter gibt oder ein sogenannter moderater Flügel eine rechtspopulistische Partei gründet, die dem Antisemitismus und den offenen Straßenterror abschwört, scheint eine Kooperation mit den Konservativen viel einfacher.
Solche Überlegungen mögen im gegenwärtigen politischen Koordinatensystem Deutschlands zurzeit keine entscheidende Rolle spielen. Doch es ist nicht unwahrscheinlich, dass sich auch hierzulande eine Partei rechts von der Union etabliert. Ein erfolgreiches NPD-Verbotsverfahren könnte eine solche Entwicklung sogar beschleunigen, weil sie der Markierung einer verbotenen und einer tolerablen Rechten Vorschub leistet.
http://www.heise.de/tp/blogs/8/155440
Peter Nowak
Links
[1]
http://www.tagesschau.de/kommentar/npdverbot172.html
[2]
http://www.taz.de/!128563/
[3]
http://www.coe.int/t/d/menschenrechtsgerichtshof/
[4]
http://www.vvn-bda.de/verbotsverfahren-konsequent-durchfuhren
[5]
http://www.npd-verbot-jetzt.de/
[6]
http://www.vlaamsbelang.org/
[7]
http://www.frontnational.com/
[8]
http://www.jobbik.hu/
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