1.Mai in Berlin

Klassenkampf reloaded
  Auch viele radikale Linke haben in den letzten Jahren die Aktivitäten am 1.Mai in Berlin eher kritisch beurteilt. Die DGB-Demonstration am Vormittag galt als zeremonial und wenig attraktiv. Mit der revolutionären 1.Mai-Demonstration bot sich um 18 Uhr in Kreuzberg eine radikale Alternative an, bei der nicht an den Staat und die Parteien appelliert wird.
 
Die alljährliche mediale Konzentration auf die berühmt-berüchtigte Mai-Randale – in den letzten Jahren eher eine Folge des vom Bezirk ausgerichteten Myfestes und seiner dort feilgebotenen harten Getränke als der Revolutionären Demonstration – wurde eher gelangweilt wahrgenommen.
 
Seit Jahren versuchen sich deshalb unterschiedliche Akteure an einer Repolitisierung des 1.Mai. Die Euro-Mayday-Paraden gegen prekäre Arbeits- und Lebensverhältnisse waren ein leider nur kurzlebiger Versuch in dieser Richtung.
 
Doch in diesem Jahr zeigte sich, dass sich sowohl die DGB-Demonstration als auch die Revolutionäre 1.Mai-Demonstrationen politisieren lassen. Dafür sorgte ein an beiden Demonstrationen beteiligter Klassenkampfblock, der den Kampf gegen Lohnabbau, gegen die Hartzgesetze und gegen die Angriffe auf das Streikrecht in den Mittelpunkt stellte. Mit einer in großer Auflage gedruckten Maizeitung wurde gezielt für die Teilnahme an dem Block auch vor Jobcentern und Betrieben geworben.Vor zwei Jahren noch war der Klassenkampfblock auf der DGB-Demonstration nur widerwillig geduldet. Mittlerweile hat er sich zum Forum der Widerspenstigen innerhalb und außerhalb des DGB auf der Demo entwickelt.
 
Gewerkschaftler aus verschiedenen europäischen Ländern nahmen mit einem Transparent für das europäische Streikrecht daran teil. Diese Themen brachte der Klassenkampfblock auch in die Revolutionäre Demonstration in Kreuzberg ein, was sehr notwendig ist. Denn dort versammeln sich viele, die in erster Linie im Staat und in der Polizei den Gegner sehen und mit dem Aufbau sozialer Gegenmacht am Arbeitsplatz, im Stadtteil und im Jobcenter wenig Erfahrung haben. Der Kampf gegen teuere Mieten prägte die Mai-Demonstrationen in diesem Jahr deutlich.
 
Der Bewegungsforscher Dieter Rucht versuchte nach dem 1.Mai in der Taz einen Gegensatz zwischen Mieter- und Klassenkampf aufzubauen. Das Gegenteil ist richtig. Beide Kämpfe gehören zusammen. Dieser Aufgabe will sich der Klassenkampfblock künftig verstärkt widmen, nicht nur am 1.Mai. Deshalb wird dort auch über eine Beteiligung an einer berlinweiten Mieterdemonstration Anfang September nachgedacht.
http://www.sozonline.de/2011/05/1-mai-in-berlin/#more-2445

Peter Nowak


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