Hartz-IV-Betroffene dürfen nicht mehr tippen

Nordrhein-Westfalen: Einstweilige Verfügung des Landgerichts Köln verbietet Sportwetten
Die Westdeutsche Lotterie darf vorerst keine Sportwetten mehr an Hartz-IV-Betroffene verkaufen. Westlotto und Annahmestellen sind ratlos, wie sie das Verbot umsetzen sollen. 
»Ich bin Hartz IV und habe bis 2009 Lotto gespielt, ab Samstag werde ich wieder Lottoscheine ausfüllen und abgeben.« Solche Erklärungen finden sich zurzeit in größerer Zahl auf der Internetpräsenz des Erwerbslosenforums Deutschland (ELO). Unter dem Titel »Ich habe Westlotto gespielt und bin Hartz IV« können sich dort seit dem 9. März Erwerbslose als Lottospieler outen.

 Damit reagiert das ELO-Forum auf eine einstweilige Verfügung des Kölner Landgerichts. Laut Medienberichten hatte das Gericht der Westdeutschen Lotterie GmbH vorerst verboten, Lottoscheine an Hartz-IV-Empfänger zu verkaufen. Tatsächlich bezieht sich das Verbot jedoch auf das staatliche Sportwetten-Angebot Oddset, wie ein Gerichtssprecher am Donnerstag klarstellte.

Westlotto kündigte sofortigen Widerspruch gegen diese Entscheidung an, die zu einer Verunsicherung bei den Lotto-Verkaufsstellen geführt habe. »Ich weiß nicht, wie Mitarbeiter in den Annahmestellen in der Lage sein sollen, das Einkommen von Kunden zu überprüfen«, sagte Westlotto-Sprecher Axel Weber. Die Lotterie werde ihre Mitarbeiter nicht anweisen, Gehaltsbescheinigungen zu verlangen. Das sei »weltfremd«. Laut Gerichtssprecher müssen die Betreiber der Annahmestellen bei ihren Kunden nicht nachforschen, wie es um die finanzielle Situation bestellt ist. Auch lägen Wetten über kleine Euro-Beträge noch im Ermessensspielraum. Sobald es aber um höhere Beträge gehe und sobald der Betreiber einer Annahmestelle über die finanziell schwierige Situation des Kunden wisse, dürften die Scheine nicht mehr angenommen werden.

Beantragt worden war die einstweilige Verfügung von dem Sportwetten-Anbieter Tipico, der nach Angaben der »Westdeutschen Zeitung« seinen Sitz auf Malta hat. Tipico hatte Westlotto vorgeworfen, gegen das Gesetz gegen unlauteren Wettbewerb und den seit 2008 geltenden Glücksspielstaatsvertrag verstoßen zu haben. Darin ist unter anderem festgehalten, dass Minderjährige, Spielsüchtige, aber auch Menschen mit geringen Einkünften vor Glücksspielen geschützt werden müssen.

»Der klagende Wettanbieter trägt seinen Konkurrenzkampf auf dem Rücken von Hartz-IV-Betroffenen aus«, kommentierte der Sprecher des Erwerbslosen Forum Martin Behrsing die juristische Entscheidung, die er als »absurd und skurril« bezeichnete. Mit dem Internet-Outing will das ELO-Forum auch der Diskriminierung von Hartz-IV-Betroffenen entgegentreten. »Wir wollen doch mal sehen, wie schnell dann so eine diskriminierende Entscheidung ad absurdum geführt wird und schnellst möglichst kassiert wird«, so Behrsing. »Das Kölner Landgericht muss sich fragen lassen, ob diese Entscheidung noch eine Nachwehe des Karnevals ist oder man Hartz-IV-Bezieher zur nicht zugehörigen Kaste zählt«.

Dass es sich bei der einstweiligen Verfügung allerdings nicht nur um eine abwegige Einzelentscheidung handelt, zeigt ein Urteil des Landessozialgerichts Essen vom Januar 2011. Danach kann Hartz-IV-Betroffenen auch ein kleiner Lottogewinn von ihrem Regelsatz abgezogen werden. Der Gewinn werde als Einkommen angerechnet, entschied das Gericht. Ein Lottogewinn sei wie andere Glücksspielgewinne als Einkommen anzusehen. Er verringere die Hilfsbedürftigkeit des Klägers, argumentierten die Richter.

Geklagt hatte ein Bielefelder, der in einer Lotterie 500 Euro gewonnen hatte. Er wehrte sich gegen die Anrechnung auf die Hartz-IV-Leistung und scheitere in zwei Instanzen. Der Mann hatte eingewandt, dass er seit 2001 regelmäßig Lotto spiele, dafür insgesamt 945 Euro ausgegeben habe und daher trotz des Gewinns von 500 Euro unter dem Strich Verlust gemacht habe. Dieses Argument ließen die Richter aber nur für den letzten Monat gelten. Die für das Los ausgegebenen 15 Euro durfte der Kläger von den 500 Euros abziehen. Der Rest des Gewinns wurde vollständig mit seinem Hartz-IV-Satz verrechnet.

http://www.neues-deutschland.de/artikel/192862.hartz-iv-betroffene-duerfen-nicht-mehr-tippen.html

Peter Nowak


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