Jagd auf das Islamgespenst

Geert Wilders: Nicht sein Auftritt in Berlin, sondern seine Rolle bei der neuen Regierung in Den Haag ist die große Gefahr

„Trotz meines prall gefüllten Terminkalenders war es mir ein Anliegen, nach Berlin zu kommen, weil auch Deutschland eine politische Bewegung braucht, die die deutsche Identität verteidigt und die sich der Islamisierung Deutschlands entgegenstellt.“ Das erklärte der holländische Rechtspopulist Geert Wilders am Samstag in einem Berliner Nobelhotel vor knapp 500 seiner Anhänger. Aus Sicherheitsgründen war der Ort erst wenige Stunden vor Beginn der Veranstaltung bekannt gegeben worden. Wilders beschuldigte Bundeskanzlerin Merkel, der Islamisierung Deutschlands nicht entgegenzutreten, und erklärte, dass heute „das Gespenst des Islam“ durch Europa gehe.
   

Damit bezog er sich auf den berühmten Satz von Karl Marx, der jedoch von einem Gespenst des Kommunismus sprach. Dieses Motiv wiederholte der Redner später, indem er den Islam in den Bereich der totalitären Weltanschauungen einordnete und mit dem Kommunismus verglich. Im Verlauf seiner Rede wies er auf die besondere Bedeutung Berlins in Zusammenhang mit der NS-Vergangenheit und der DDR-Geschichte hin. Dadurch sei die Stadt prädestiniert, sich dem neuen Totalitarismus, dem Islam, entgegenzustellen.

Wilders bemühte verschiedene Autoren, um zu beweisen, dass der Islam eine gefährliche, dem Westen fremde Ideologie und keine Religion sei.

Unterschied zwischen Moslems und dem Islam

Allerdings betonte er auch, einen Unterschied zwischen dem Islam und den Muslimen zu machen.
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 Ich treffe immer einen klaren Unterschied zwischen den Menschen und der Ideologie, zwischen Muslimen und dem Islam. Es gibt viele moderate Muslime, aber die politische Ideologie des Islam ist nicht moderat und hat globale Ambitionen.

Neben den totalitarismustheoretischen Elementen, die Wilders Rede wie ein roter Faden durchzogen, arbeitet er auch intensiv an seinem Opferstatus. Das gelingt ihm deshalb gut, weil er wegen seiner Äußerungen zum Islam mit mehreren Strafverfahren konfrontiert ist, die in den nächsten Tagen beginnen. Für Wilders ist ganz klar:
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 Ich wurde vor Gericht gezerrt, da in meinem Land die Freiheit nicht mehr uneingeschränkt ausgeübt werden kann.

Bis hierhin scheint die Veranstaltung ziemlich klar eingeordnet werden zu können: Eine kleine rechtspopulistische Gruppe lädt einen Geistesverwandten mit einem großen Ego ein, der meint, den Westen retten zu können, und der sich verfolgt fühlt.

Nur ist der Mann, der lamentiert, dass er in Holland seine Meinung nicht frei äußern kann, auch derjenige, der über die künftige Regierung entscheidet. Bei seinem Auftritt in Berlin konnte Wilders noch nicht ganz sicher sein, ob die von seiner Freiheitspartei tolerierte Koalition aus Christdemokraten und Liberalen zustande kommt. Denn bei manchen Christdemokraten war die Aversion zu den neuen Rechtspopulisten enorm. Vor einigen Wochen ist daran schon ein Regierungsversuch gescheitert.

Doch dieses Mal scheinen alle Hürden beseitigt. Gegen den erklärten Widerstand von christdemokratischen Veteranen wurde auf einem Parteitag in Arnheim mehrheitlich die Kooperation mit den Rechten beschlossen.

Vergleich mit Haider

So wie im Jahr 2000 die österreichische Schwesterpartei der Christdemokraten ÖVP mit Haider kooperierte, so haben jetzt die holländischen Christdemokraten die Distanz nach Rechtsaußen aufgegeben. Wenn Wilders überhaupt eine Gefahr ist, dann sicher nicht wegen seines Auftritts in Berlin, sondern wegen seiner Rolle in den Niederlanden.

Aber gerade, wenn man Haiders kurzen Auftritt in der Politik zum Maßstab nimmt, ist auch hier kein Grund zu Panikmache. In Österreich hatten sich die Rechten bald an der Frage zerstritten und gespalten, wie viele Kompromisse man wegen eines Regierungseintritts machen soll. Es wird nicht lange dauern, bis diese Frage auch die Rechten in Holland beschäftigt. Schließlich können einige von Wilders islamfeindlichen Maßnahmen schon wegen des EU-Rechts nicht umgesetzt werden.

Allerdings gibt es auch einige Faktoren, die den aktuellen holländischen Rechten zugute kommen. Europaweit gibt es Kräfte, die einen Kulturkampf „Westen versus Islam“ propagieren. Mit dem Minarettverbot durch eine Schweizer Volksabstimmung (siehe Vor einem neuen Kulturkampf?) haben diese Bewegungen Auftrieb bekommen. Das Wahlergebnis von Wilders Freiheitspartei ist ein weiterer Erfolg. Dass er jetzt nicht in der Opposition bleibt, sondern eine Regierung unterstützen muss und will, wird unter den Wilders-Anhängern in Europa unterschiedlich aufgenommen.

Die rechte Miniformation Freiheitspartei in Berlin versucht natürlich, von Wilders zu profitieren (siehe Geert Wilders soll Aufmerksamkeit auf Rechtspartei „Die Freiheit“ lenken). Nur haben im letzten Jahrzehnt einige rechte Formationen mit Haider Ähnliches versucht und es ist ihnen nicht gelungen – die meisten dieser Gruppen existieren heute nicht mehr.

Distanz von mittlerer Dauer

Allein den Kleinkrieg, den sich die Prodeutschland-Bewegung und die Freiheitspartei am Wochenende in Berlin um den Anspruch lieferten, die neuen deutschen Rechtspopulisten anzuführen, macht deutlich, dass sie bisher aus dem rechten Binnenzirkel nicht herauskommen.

So lange werden auch die etablierten Parteien in Deutschland auf Distanz zu Wilders bleiben. „Ratschläge von zwielichtigen Figuren aus den Niederlanden laufen unserem Bemühen zuwider, die Integration muslimischer Mitbürger zu fördern“, kommentierte die FDP Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger den Berliner Wilders-Auftritt. Und auch ihr christsozialer Kollege Karl-Theodor zu Guttenberg bezeichnete Wilders als Scharlatan.

Diese Distanz können sich die Politiker leisten, weil sie am Erfolg einer Wilders-Partei in Deutschland zweifeln. Sollte sich aber die Freiheitspartei oder eine andere Gruppierung, die sich auf Wilders beruft, bei Wahlen erfolgreich zeigen, dürfte zu beobachten sein, wie schnell ein Teil der jetzigen Wilders-Gegner die Tonlage ändert…

Wenn es dann um mögliche Bündnisse geht, werden manche CDU-Politiker ihre kritischen Worte gegen Wilders nicht mehr gerne hören wollen. Schließlich hatte auch die Hamburger CDU schnell ein Bündnis mit dem Law-and-Order-Mann Schill und seiner Truppe geschlossen. 
 http://www.heise.de/tp/r4/artikel/33/33431/1.html

Peter Nowak


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