Die Sozialisten haben es doch nicht geschafft, zur stärksten Linkspartei zu werden
Als Niederlage für „die EU-Feinde“ wertete nicht nur die Zeit den Ausgang der Wahlen in den Niederlande. Vielleicht nicht ganz so polemisch in der Wortwahl wird der Wahlausgang in anderen Medien kommentiert. Doch der Tenor ist fast überall ähnlich. Auch in Zeiten der EU-Krise können die EU-Befürworter Erfolge verbuchen.
Damit wird eine Propaganda fortgesetzt, die auch die letzte Phase des Wahlkampfes in den Niederlande selber bestimmte. Eine Kostprobe davon gab die sozialdemokratische Ökonomin und Mandatsträgerin Esther-Mirjam Sent in einem Interview mit der Tageszeitung wenige Tage vor der Wahl. Die Redakteurin und die Interviewpartnerin spielten sich dort gegenseitig die Bälle zu. „Da sind die Rechtspopulisten und die Sozialisten, die mit ihrem Frontmann Emile Roemer gut in den Umfragen dastehen. Was ist los in den Niederlanden?“, liefert die Journalistin die Steilvorlage für die Sozialdemokratin. „Zurzeit haben wir keine klare Orientierung. Das befördert zwei Reflexe. Der erste ist die Sehnsucht nach vergangenen Tagen. Diesen Reflex findet man am äußeren Rand des Parteienspektrums wieder, in der PVV und der SP. Die eine Partei ist sehr rechts, die andere ganz links, aber beide sind konservativ. Ein zweiter Reflex ist die Hinwendung zu weiteren Regeln. Beides ist aussichtslos. Wir müssen uns neu definieren und die Bürger müssen aktuelle Werte mitproduzieren“, antwortete diese.
Holländische Syriza?
Das Beschwören irgendwelcher nicht näher benannten Werte wird mit einer Art neuer Totalitarismustheorie garniert. Da sind die Konservativen von links und rechts oder eben laut Zeit die Euro-Feinde. Dass es sich in einem Fall um die rechtspopulistische, antiislamische Freiheitspartei handelt, die gute Kontakte zu neurechten Strömungen verschiedener europäischer Ländern unterhält, während es sich bei den Sozialisten um eine Art holländischer Linkspartei handelt, wird dabei unterschlagen.
Diese aus einer maoistischen Kleinstpartei hervorgegangenen Linkssozialisten erlebten in den letzten Jahren einen rasanten Aufstieg. In den letzten Wochen wurde schon als Schreckgespenst an die Wand gemalt, dass womöglich diese Sozialisten zur stärksten Partei auf der Linken aufsteigen könnten und in führende Regierungspositionen aufrücken könnten. Die Sozialisten sind sicher keine Europafeinde, aber sie haben sich unter ihren Vorsitzenden Roemer für ein Europa eingesetzt, das sich vom dem von Deutschland diktierten Spardiktat emanzipiert. Insofern können die holländischen Sozialisten durchaus mit der griechischen Syriza verglichen werden. Auch deren Parteivorsitzender kann immer wieder seine Sympathie für die EU und den Euro betonen. Solange er den deutschen Sparkurs vehement ablehnt, gilt er als Anti-Europäer.
Nun können die deutschen Medien und die Bundesregierung beruhigt sein. In Holland, einem Gründungsmitglied der EU, bleiben die fundamentalen Kritiker des deutschen Kurses außerhalb der Regierung. Sicher gibt es auch bei den holländischen Sozialdemokraten einige kritische Stimmen gegenüber einem zu rigiden Sparkurs und einen Appell für einige Lockerungsübungen. Aber in der erwarteten großen Koalition mit den Rechtsliberalen, die als treue Anhänger der deutschen Linie in Holland gelten, werden sie sich wie ihre deutschen Parteifreunde mit einigen netten Formulierungen zufrieden geben.
In deutschen Medien wird schon zu einer schnellen Bildung einer großen Koalition aufgerufen. Schließlich sind solche deutsche Siege im EU-Raum in diesen Tagen nicht so häufig. Nun gab es gleich zwei innerhalb weniger Tage. Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum EMS stärkt die deutsche Rolle in mehreren Punkten. Zudem hat das Bild von den vielen Senderwagen aus ganz Europa, die vor dem Eingang des Gerichtsgebäudes auf das Urteil warteten, von dem angeblich das Schicksal Europas abhänge, das Selbstbewusstsein der politischen Klasse in Deutschland gestärkt. Merkel hat daher gleich davon gesprochen, dass es ein guter Tag für Deutschland und die EU war. Der Ausgang der holländischen Wahl würde von ihr sicher auch so kommentiert. Die meisten Medien machen schon in der Wortwahl deutlich, dass für sie ein Kritiker eines deutschen Europas nur ein EU-Feind sein kann.
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Peter Nowak