Im Schatten der Aufwertung

Auch im Wedding wollen sich Mieter/innen gegen Gentrifizierung wehren

Wenn es um Aufwertung und Mietsteigerungen in Berlin geht, fällt den meisten nicht an erster Stelle der Wedding ein. Daher scheint es auf den ersten Blick verwunderlich, dass sich seit Mai 2010 ein Kreis von Bewohner/innen über die Gentrifizierung im Wedding und mögliche Gegenstrategien verständigen will.

Auf einem ersten Treffen wurde klar, dass der Wedding in Bezug auf Aufwertungstendenzen mit Stadtteilen wie Prenzlauer Berg und
Nordneukölln nicht zu vergleichen ist. Die aktuelle Höhe der Mieten bei Neuvermietungen sei noch wesentlich niedriger als in anderen Stadtteilen. Das ist auch das Ergebnis einer Marktmietenanalyse des Internetportals
Immowelt von Anfang Mai 2010. Danach liege die durchschnittliche Nettokaltmiete von Wohnungen im Wedding bei Neuvermietungen unter 6 Euro/qm. Doch wenn man die unterschiedlichen Kieze und Quartiere im Wedding
betrachtet, kann man durchaus Aufwertungstendenzen beobachten. Der Stadtsoziologe Andrej Holm nennt als Beispiel die Brunnenstraße, wo sich die landeseigene Wohnungsbaugesellschaft Degewo verstärkt um eine besserverdienende Mieterschaft bemüht. Auch können Veränderungen im Bereich des Einzelhandels beobachtet werden. „Die preiswerten Geschäfte wurden alle geschlossen. Die neuen Läden sind fast immer leer und die Kleider und Taschen dort haben nicht einmal Preisschilder“, so die Beobachtung einer Mieterin.
Verantwortungsbewusste Vermietung
Wie solche Aufwertungstendenzen vor allem von der Geschäftswelt initiiert werden, zeigt das Beispiel der Initiative „Aktives Stadtzentrum
Müllerstraße“. Sie hat sich zum Ziel gesetzt hat, die Müllerstraße als attraktives, wirtschaftliches Zentrum zu stärken, und will „an der Müllerstraße den Wedding neu entdecken“. Das von dem Architektur- und
Stadtplanungsbüro Jahn, Mack & Partner ausgearbeitete Handlungskonzept für ein sogenanntes Geschäftsstraßenmanagement zielt auf „Ansprache und Beratung von Eigentümer/innen für eine verantwortungsbewusste
Vermietung“ und „gezieltes Ansiedlungsmanagement für einen attraktiven Branchenmix“. Die von der Initiative sicherlich begrüßten Folgen beschreibt eine Mieterin: „Die meisten 1-Euro-Läden sind schon verschwunden und damit auch viele günstige Angebote. Was jetzt neu hinzukommt, ist meist in den höheren Preisklassen angesiedelt. Keine Ahnung wer da einkaufen soll – wir sicherlich nicht mehr.“ Da stellt sich natürlich die Frage, ob hier die Mieterstruktur dem Warenangebot angepasst werden soll.

Sorgt die BND-Zentrale für einen Wedding-Hype?

Die neue Zentrale des Bundesnachrichtendienstes in der Chausseestraße könnte zahlungskräftige Mieter/innen in den Wedding bringen. In den Immobilieninfos der Berliner Sparkasse heißt es über dieses Großprojekt:
„Ein besonderer Magnet wird die neu errichtete BND-Zentrale an der Chausseestraße.
Hier entstehen alleine ca. 7000 neue Arbeitsplätze. Die sich hier niederlassende Klientel ist einkommensstark und zwischen 30 und 45 Jahre alt. Aufgrund der vorhandenen Grundstücksflächen entstehen viele Neubauvorhabenin dieser Region.“ Der „richtige Wedding-Hype“ werde noch
kommen, erklärte Volker Devermann vom Immobilienunternehmen IMQ Nordverbund
bereits im letzten Jahr dem Tagesspiegel. Der Verwalter von drei großen Baugenossenschaften und einigen privaten Investoren gibt sich optimistisch: „Der Wedding ist im Wandel.“ Das verdanke er auch Zuziehenden
von auswärts, darunter Studenten, Künstler und Berufspendler. In dieser Einschätzung ist er sich einig mit Jörg-Christian Dreyer, dem Geschäftsführer der Immobilienfirma GD Real,die unter dem Etikett „modernes, komfortables Wohnen im Gründerzeitbau“ Wohnungen
im Wedding vermarktet. Dazu gehören auch drei Gründerzeithäuser in der
Schererstraße 9 bis 11. Direkt daneben befindet sich das linke Hausprojekt Schererstraße 8, deren Bewohner/innen den Austausch über die Gentrifizierung im Wedding initiiert haben und fortsetzen wollen. Zurzeit bemüht sich die Initiative um weitere Informationen über ertungstendenzen, Mietsteigerungen, Kündigungen etc. im Wedding.
Kontakt: weddingrecherche@riseup

http://www.bmgev.de/mieterecho/mepdf/me341heft.pdf

Peter Nowak


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