In einem anderen Land aufgewacht

Eine rechtskonservative und eine ultrarechte Partei gingen als Sieger aus der ersten Runde der ungarischen Parlamentswahlen hervor Mit 53% erreichte der ungarische Bürgerbund Fideesz um Victor Orban die prognostizierte absolute Mehrheit. Die neoliberal gewendete Exkommunisten MSZP verloren mehr als die Hälfte der Stimmen und stürzten von fast 46 Prozent auf ca. 19,3 % Prozent ab. Damit liegen sie aber noch knapp vor den Rechtsextremisten von Jobbik, die mit einer Hetze gegen Roma, Juden und andere Minderheiten aus dem Stand großen Erfolg hatte. Dabei ist ihr kruder Antisemitismus besonders auffallend. So behaupten Jobbik-Funktionäre in der Wahlpropaganda, dass Juden ungarische Banken, die Wirtschaft und das ganze Land aufkaufen würden. Die Parteien der 1989er Wende, das Ungarische Demokratische Forum (MDF) und die Freien Demokraten (SZDSZ) scheiterten an der 5 %-Hürde und werden nicht mehr im Parlament vertreten sein. Dafür zieht mit der neugegründeten ökologisch orientierten Liste „Politik kann anders sein“ eine Partei mit 7,4 % ins Parlament ein, die zum Auffangbecken enttäuschter Linker und Linksliberaler geworden ist. Bei der zweiten Wahlrunde am 25. April könnte der Bürgerbund sogar die verfassungsändernde Zweidrittelmehrheit der Mandate bekommen. Dann wird in den Wahlkreisen abgestimmt, in denen es in der ersten Runde keine klaren Sieger gab. Orban hatte schon während des Wahlkampfes angekündigt, die Ungarn werden nach dem Wahlabend in einem anderen Land aufwachen. Das können Linke und gesellschaftliche Minderheiten durchaus als Drohung verstehen. Obwohl die Orban-Partei mit der hiesigen Union verglichen wird und auch von deutschen Christdemokraten als Vorbild gesehen und von der Konrad-Adenauer-Stiftung unterstützt wird, hat diese Partei einen offen antisemitischen und völkischen Flügel. Der rechte Wahlsieg könne auch zu vermehren Konflikten mit Ungarns Nachbarländern, vor allem mit der Slowakei und Rumänien führen, weil die neue Mehrheit die dort lebenden Ungarn für ihre Interessen einspannen will. Es ist aber wahrscheinlich, dass die Bürgerunion ihre nationalistische Rhetorik als Regierungspartei mäßigt, was allerdings wiederum Jobbik zugute käme, die sich als kompromisslose Rechte außerhalb der Regierung gerieren kann.

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Peter Nowak