Wenige Wochen vor der Bundestagswahl streiten die im Bundestag vertretenen Parteien darüber, welche Gesetze und Vorhaben noch in dieser Legislaturperiode verabschiedet werden. Einig sind sich Union, SPD und FDP darin, noch mehr Geld für die Bundeswehr bereitzustellen und ein Gesetz zu verabschieden, das nach Lesart der Befürworter …
… die Widerstandsfähigkeit des Bundesverfassungsgerichts stärkt.
Das von Grünen, SPD, Union und FDP eingebrachte Gesetz soll verhindern, dass die AfD und das Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) nach der nächsten Wahl Einfluss auf das Gericht nehmen können.
Kritiker bemängeln, dass es den Parteien, die das Gesetz eingebracht haben, vorwiegend darum geht, ihren Einfluss auf das Gericht zu erhalten. Für Kontroversen sorgt in diesem Zusammenhang auch ein Antrag von Bundestagsabgeordneten verschiedener Parteien, der Bundestag möge einen Verbotsantrag gegen die AfD prüfen.
Federführend bei dieser Initiative ist der CDU-Bundestagsabgeordnete Marco Wanderwitz, der nach seiner kurzen Zeit als Ostbeauftragter der Bundesregierung vor allem mit seinem Vorstoß für ein Verbot der AfD von sich reden machte.
Auch wenn diese Initiative von Abgeordneten aller Parteien außer BSW und AfD unterstützt wird, ist sie von einer Mehrheit im Bundestag weit entfernt.
Abgeordnete ohne Unterstützung
Denn die Abgeordneten von Union, FDP und SPD handeln aus eigener Motivation – die jeweiligen Parteivorstände lehnen den Antrag aus unterschiedlichen Gründen ab.
In der Gruppe der Linken gehört vor allem die Bundestagsabgeordnete Martina Renner zu den Befürwortern des Antrags. Andere sind deutlich skeptischer.
Die größte Unterstützung für den Antrag auf Prüfung eines AfD-Verbots kommt aus der Fraktion der Grünen. Doch auch hier gibt es Zweifel. Man stört sich dort – ebenso wie bei der SPD – daran, dass der Antrag kurz vor den Neuwahlen eingebracht wird.
Profitiert am Ende die AfD?
Das könne der AfD sogar nützen, argumentieren auch Politiker von SPD und Union. Die AfD könne sich einmal mehr als Opfer darstellen, wenn der Eindruck entsteht, dass kurz vor der Wahl über ein Parteiverbot diskutiert werde.
Zu den Kritikern des Verbotsantrags gehören auch Politiker, die ein Verbot eigentlich befürworten. Sie argumentieren, man solle die Entscheidung dem Bundesverfassungsgericht überlassen.
Sie befürchten, dass durch den Antrag in der Öffentlichkeit der falsche Eindruck entsteht, die Mehrheit des Bundestages könne eine Oppositionspartei verbieten. Tatsächlich könnte das Parlament nur eine Prüfung des Verbots beschließen, die Entscheidung liegt aber beim Bundesverfassungsgericht.
Doch eine solche Mehrheit ist im Bundestag derzeit nicht in Sicht. Es ist sogar umstritten, ob der Antrag überhaupt auf die Tagesordnung des Bundestages kommt. Eigentlich waren die Antragsteller davon ausgegangen, dass die AfD Anfang November vom Verfassungsschutz als sicher rechtsextrem eingestuft wird.
Plan von Wanderwitz geht nicht auf
Offenbar wollten Wanderwitz und seine Mitstreiter die öffentliche Debatte nutzen, um weitere Unterstützer für ihren Antrag zu gewinnen.
Wegen der vorgezogenen Neuwahlen hat der Verfassungsschutz die Einstufung der AfD nun aber auf unbestimmte Zeit verschoben – mit der Begründung, eine Ungleichbehandlung der Partei müsse vermieden werden.
Eine solche Maßnahme gegen eine Partei kurz vor der Wahl wäre möglicherweise gerichtlich aufgehoben worden. Dieses Risiko wollte das Bundesverfassungsgericht nicht eingehen. Ob und wann die Einstufung nach der Neuwahl kommt, ist offen.
Denn Thomas Haldenwang hat seinen Posten als Verfassungsschutzchef aufgegeben, weil er bei der Neuwahl als Bundestagsabgeordneter für die CDU kandidieren will.
Haldenwang galt als das Gesicht des Verfassungsschutzes im Kampf gegen rechts. Er wollte sich damit von seinem Vorgänger Hans-Georg Maaßen absetzen, der inzwischen als so rechtslastig gilt, dass er selbst vom Verfassungsschutz beobachtet wird.
Der geplante Wechsel Haldenwangs vom Verfassungsschutz in die Politik stößt quer durch alle politischen Spektren auf Kritik und wird als Geschenk an die AfD bezeichnet. Diese kann jetzt propagandistisch ausschlachten, dass es mit der parteipolitischen Neutralität des Verfassungsschutzes nicht weit her ist.
Auch manche Befürworter fragen sich, warum die Abgeordnetengruppe um Wanderwitz trotz aller Kritik und der Befürchtung, damit der AfD Stimmen zu bringen, so unbeirrt daran festhält, den Antrag unbedingt noch in den scheidenden Bundestag einzubringen.
Eine Erklärung könnte sein, dass es für einige aus der Gruppe vielleicht die letzte Chance ist. In den kommenden Bundestag werden sie es möglicherweise nicht mehr schaffen. Peter Nowak