»Bildung statt Aufbewahrung« heißt es auf den Transparenten, die auf einer großen Bühne vor dem Roten Rathaus flattern. Dort hatten sich am Freitagnachmittag circa 200 Eltern mit ihren Kindern versammelt. »Einhorn sucht Bildung« lautete das Motto dieser Initiative, die schon vor knapp einem Jahr …
… gegründet worden war. »Wir sind Mütter, die damit deutlich machen wollen, dass wir hinter den Forderungen der Kita-Beschäftigten stehen«, sagte Helen, eine der Initiator*innen von »Einhorn sucht Bildung«.
In den vergangenen Wochen hatten Medien und auch Politiker*innen des schwarz-roten Senats wiederholt gegen einen möglichen Streik der Kita-Beschäftigten mit der Begründung agiert, dass er auf den Rücken der Eltern ausgetragen werden würde. Am Freitagabend hatte man die Kundgebung auch deshalb organisiert, weil man den Kita-Beschäftigten noch mal Rückendeckung geben wollte.
Die Stimmung auf der fast zweistündigen Kundgebung war gut. Dafür sorgten auch die vielen Kinder, die nicht nur mit Kreide den Boden bemalten, sondern auch mit Songs und Sprechchören für Stimmung sorgten. Selbst die Entscheidung des Arbeitsgerichts vom Freitag trübte die Stimmung nicht: Das Gericht untersagte den geplanten Streik am Montag. »Die Gewerkschaft ver.di verstoße mit diesem Streik gegen die Friedenspflicht wegen der bestehenden tariflichen Regelungen zur Zulage für Beschäftigte in Eigenbetriebs-Kitas des Landes Berlin und wegen der bestehenden Entlastungsregelungen für Auszubildende im maßgeblichen Ausbildungstarifvertrag«, so das Arbeitsgericht. Auch verbandspolitische Erwägungen wurden vom Arbeitsgericht als Begründung für das Streikverbot herangezogen. Das Land Berlin sei als Arbeitgeber berechtigt, sich in der Tarifgemeinschaft der Länder (TdL) zu organisieren. Das Risiko eines Ausschlusses aus der TdL bei einem eigenständigen Tarifabschluss müsse das Land Berlin nicht eingehen.
Die Dienstleistungsgenwerkschaft Verdi bedauert das Streikverbot, gab aber auf der Kundgebung Durchhalteparolen aus und hofft, dass es in der nächsten Instanz wieder aufgehoben werde. »Wir haben die Verhandlungen nicht zum Platzen gebracht, und wir wollen auch jetzt noch verhandeln«, beteuerte die zuständige Verdi-Gewerkschaftssekretärin Tina Böhmer. Sehr deutliche Worte zum Streikverbot kamen von mehreren Redner*innen. So sprach Philipp Dehne von der Bildungsinitiative »Schule muss anders« von einen massiven Angriff auf das Streikrecht, das heute Kita-Beschäftigte, aber später auch Kolleg*innen des Öffentlichen Nahverkehrs oder der Bahn treffen kann. Auch bei Arbeitskämpfen in diesen Branchen gab es eine massive Kampagne von konservativen Medien, Politiker*innen und Teilen der Wirtschaft. Es wird immer wieder behauptet, der Arbeitskampf werde auf den Rücken großer Teile der Bevölkerung ausgetragen.
Verschiedene ältere Kita-Beschäftigte berichteten, dass sie schon 1988 beim großen Kita-Streik in Westberlin dabei waren. Dieser dauerte mehrere Wochen, viele Kindergärten waren geschlossen. Auch damals habe es massiven Druck von konservativen Medien und PolItiker*innen gegeben, berichteten sie. Es gab aber auch eine große Solidarität von Eltern, die den Streikenden Kaffee und Kuchen brachten. »Zudem gab es Initiativen, die sich während des Streiks um die Kinder kümmerten, damit die Aufgabe nicht am Ende wieder bei den Müttern hängen bleibt«, erzählt eine Beschäftigte »nd«.
Auch jetzt hatten verschiedene linke Initiativen in Berlin, darunter die Stadtteilinitiative »Hände weg vom Wedding« Solidaritätsaktionen mit den Kita-Beschäftigten geplant. Dazu gehörte auch die Betreuung der Kinder während des Streiks. Am Ende der Kundgebung überbrachte ein gewerkschaftlich organisierter Kollege der Berliner Stadtreinigung (BSR) Solidaritätsgrüße an die Kita-Beschäftigten. Sie sollten sich durch das Streikverbot nicht unterkriegen lassen, rief er ihnen zu. »Jetzt erst recht«, lautete ein optimistischer Sprechchor von Alt und Jung am Freitag. Peter Nowak