In SoZ 5/2024 hat sich David Stein mit der Berliner Wohnungspolitik nach den zerstobenen Hoffnungen befasst, die in den Jahren 2021/22 die Kampagne »Deutsche Wohnen und Co Enteignen« ausgelöst hat. »Eine Vergesellschaftung allein kann am akuten Wohnungsmangel in Berlin nichts ändern«, so Steins Einschätzung. »Es bedarf der …
… Abschaffung des bisherigen ›Sozialen Wohnungsbaus‹, der nur eine Sozialbindung auf Zeit kennt und nur private Investoren steuerlich subventioniert. Der forcierte Bau von gemeinnützigem Wohnraum muss stattdessen dezentral stattfinden. Kommunen, Genossenschaften und selbstverwaltete Wohnprojekte müssen finanziell, auch durch die Zuführung von Eigenkapital und die Wiedereinführung der von der Regierung Kohl abgeschafften steuerlichen Begünstigungen für gemeinnützige Unternehmen gestützt werden.«
Damit beschreibt Stein sehr treffend die Zielstellung der Initiative Neuer Kommunaler Wohnungsbau (inkw), die 2014 im Umfeld der Berliner Mietergemeinschaft gegründet wurde. Sie hatte ein Konzept für einen kommunalen Wohnungsbau erarbeitet, der vollständig aus öffentlichen Geldern finanziert werden soll. Ziel ist der Bau neuer Wohnungen mit erschwinglichem Mietpreis durch die Schaffung von öffentlichem Eigentum. Darüber hinaus schlägt die inkw einen Umbau der Wohnungsbaugesellschaften vor: Anstelle ihrer bisherigen privatrechtlichen Form sollen sie zu Anstalten öffentlichen Rechts werden, damit sie nicht profitorientiert sondern gemeinwohlorientiert arbeiten. Die Beteiligung privater Unternehmen soll nach diesem Konzept ausgeschlossen sein.
Eine städtebauliche Alternative
Das ist für die inkw eine Konsequenz aus dem Westberliner Korruptionssumpf der 70er und 80er Jahre, der den sozialen Wohnungsbau lange diskreditiert hat. Die inkw möchte die Mitbestimmung der Mieter:innen in den Aufsichtsgremien der städtischen Wohnungsbaugesellschaften stärken. Die Aktiven der Initiative betonen, dass ihr Konzept keine Rückkehr zum Plattenbau der sechziger und siebziger Jahre bedeutet. Der damalige soziale Wohnungsbau sei vor allem durch den Bau von Großsiedlungen für eine Gesellschaft bestimmt gewesen, in der Normalarbeitsverhältnisse in der fordistischen Massenproduktion vorherrschten. Diese Verhältnisse haben sich grundlegend geändert. Daher betont die inkw, dass sie für einen Wohnungsbau eintritt, der den heutigen Bedürfnissen Rechnung trage: Gebäude mit unterschiedlich großen Einheiten, umbaufähige Wohnungen, Einheiten für die verschiedenen Generationen, Bauabschnitte, die sich in die vorhandenen Stadtstrukturen einfügen.
»Die inkw vereint inzwischen ein breites Bündnis gesellschaftlicher Akteure, die angesichts der drückenden Wohnungsmarktprobleme für einen fundamentalen Richtungswechsel in der Berliner Wohnungspolitik eintreten. An der inkw beteiligen sich Vertreterinnen und Vertreter von Parteien, Gewerkschaften und sozialen Bewegungen ebenso wie aktive Mieterinnen und Mieter aus Stadtteil- und Kiezinitiativen sowie den Bezirksgruppen der Berliner MieterGemeinschaft«, schreibt die inkw 2014 in einer Erklärung.
Zu wenig bekannt
Nach zehn Jahren muss man aber feststellen, dass es der Initiative nicht gelungen ist, eine größere Öffentlichkeit zu erreichen. Das zeigte sich beispielhaft an dem SoZ-Artikel von David Stein, in dem er die Grundgedanken der inkw formuliert, ohne sie zu erwähnen, weil er sie wahrscheinlich nicht kennt.
Ein Grund, warum das Konzept der inkw nicht von größeren Teilen der Mieter:innenbewegung aufgegriffen wurde, liegt darin, dass Teile der stadt- und mietenpolitischen Gruppen den Neubau von Wohnungen mit dem Argument ablehnen, es müsse eine Bevölkerungsverdichtung verhindert werden, Der Berliner Stadtsoziologe und inkw-Unterstützer Andrej Holm benannte die Problemstellung bereits vor zehn Jahren: »Ob die Initiative einen Beitrag zur Stärkung der Mieter:innenbewegung leisten kann, wird wesentlich davon abhängen, ob es den Initiator:innen gelingt, die auch in den Protestbewegungen diskutierte Gegenüberstellung von Neubau und Bestand zu überwinden«. Zehn Jahre später muss festgestellt werden, dass das bis heute nicht gelungen ist.
Ein großes Manko liegt darin, dass die Grundvorstellungen der inkw mit der Kampagne Deutsche Wohnen Enteignen (DWE) nicht verknüpft werden konnten. Dabei hätten sich die Konzepte gut ergänzt. Diese fehlende Koordination wird gerade aktuell deutlich: DWE bereitet einen neuen Volksentscheid vor, der aber diesmal verbindlich umgesetzt werden soll. Das erfordert eine juristische Vorarbeit, die Zeit braucht. Schließlich soll verhindert werden, dass ein Gesetzentwurf von Gerichten gekippt wird, weil er im Gegensatz zu Gesetzen des Landes, Bundes oder der EU steht.
Diese Phase ist aber auch eine Bewährungsprobe für die vielen Stadtteilgruppen von DWE, die 2021/22 die soziale Bewegung auf den Berliner Straßen prägten. Heute besteht die Gefahr, dass sich in der Zeit des Interregnums Aktive zurückziehen und Gruppen auflösen. Dabei wäre es doch naheliegend, jetzt das zweite Standbein für eine Wohnungspolitik im Interesse der Mehrheit der Bevölkerung zu stärken – eben den Kampf für eine Neue Kommunale Wohnungspolitik.
Peter Nowak
Weitere Infos unter
www.inkw-berlin.de/index.html
Peter Nowak
https://www.sozonline.de/2024/09/fuer-eine-neue-kommunale-wohnungspolitik/