Die Klimabewegung steckt in der Krise – aber nicht nur, weil ihr das antikapitalistische Bekenntnis fehlt. Vielmehr müsste es um konkrete Kämpfe gemeinsam mit den Lohnabhängigen gehen

Kein Zurück zur Feuertonne

In Italien kämpfen aktuell Klimaaktivist*innen und Lohnabhängige von GKN, einem Werk, das Autoersatz­teile produzierte, gemeinsam für den Erhalt der besetzten Fabrik. Sie ist aktuell akut bedroht, weil das Management mit Unterstützung der rechten italienischen Regierung die Besetzung beenden und alle Beschäftigten entlassen will. Das Arbeitsgericht hat eine drohende Räumung Ende Dezember vorerst verhindert. Die Parole sollte also lauten: Schafft zwei, drei, viele GKN! Auf Feuertonnen brauchen die Aktivist*innen auch dann übrigens nicht zu verzichten. Bei Arbeitskämpfen waren sie immer auch ein beliebter Treffpunkt von Streikenden und Unterstützer*innen vor den Fabriktoren.

Viel wird in letzter Zeit über die Krise der Klimabewegung geredet. Massen­demons­trationen und -blockaden haben den Reiz des Neuen verloren und nach der Corona-Pandemie nicht mehr die frühere Stärke erreicht. Dabei nehmen die Katastrophen zu und die umweltschädlichen Emissionen steigen weiter, während auf Weltklimakonferenzen basale Formelkompromisse als Erfolg gefeiert werden. Da ist es begrüßenswert, wenn über Perspektiven diskutiert wird. Unter dem Titel »Schafft zwei, drei, viele Lützeraths« haben im »nd« vergangene Woche Alice Claire, Jo Robbie, Lotta Nyman und John Malamatinas, die sich als Genoss*innen aus den beiden postautonomen linken Bündnissen Interventionistische Linke und Ums Ganze vorstellen, einen wichtigen Aufschlag für die Diskussion gemacht. Schon die Überschrift macht deutlich, wo sie Inspiration für einen Ausweg aus der Krise der Klimabewegung sehen: Sie orientieren sich …

… an dem Dorf ganz im Westen von NRW, das im Januar 2023 von der Polizei geräumt und zerstört wurde. »Lützerath erschien nach den bleiernen Coronajahren als ein Wiedererwachen der Klimagerechtigkeitsbewegung. Klar, die Schlacht um Lützerath wurde gegen Polizei und RWE verloren, aber für die radikalen Teile der Klimabewegung eröffneten sich neue Handlungsoptionen«, schreiben die Autor*innen.

Worin aber sollen diese neuen Handlungsoptionen bestanden haben und warum ist davon fast ein Jahr nach der Räumung des Dorfes so wenig zu sehen? Für Claire, Robbie Nyman und Malamatinas hätte die Räumung vor allem eines gezeigt: »Die Offensichtlichkeit, mit der der Staat des Kapitals und sein grünes Wirtschaftsministerium den Willen des Energieriesen RWE durchsetzte, schien sogar die Möglichkeit zu eröffnen, die unter den Fittichen von Luisa Neubauer stehenden Fraktionen von Fridays for Future endlich einen Schritt in Richtung Antikapitalismus zu bewegen.« Der Text hält zwar fest, dass es zu einer solchen Radikalisierung der Bewegung nicht gekommen ist, erklärt dies aber beiläufig damit, dass »die Bewegung in ein Loch gefallen« sei, »das sich vorher schon weit geöffnet hatte«. Offensichtlich also konnte auch das Erlebnis von Lützerath die allgemeine Krise der Klimabewegung nicht aufhalten. Warum soll also das Modell Lützerath, das ja offensichtlich nicht zu einer Verbreiterung der Klimabewegung beigetragen hat, als Erfolgsmodell verstanden werden?

Dass die Räumung vor allem vielen jungen Menschen deutlich machte, dass der Staat mit aller Gewalt die Interessen des RWE-Konzerns durchsetzt, ist kein Garant für eine antikapitalistische Mobilisierung. Es führte auch zu Angst und Hilflosigkeit. Schließlich war die Räumung von Lützerath nicht die einzige Niederlage des Besetzungskonzepts. Zuvor war von einer schwarz-roten Landesregierung in Hessen der Dannenröder Forst geräumt worden, und im Sommer 2022 haben die Besetzer*innen der Waldbesetzung Moni in Sachsen-Anhalt ihr Hüttendorf geräumt. Ein Anlass dafür war die akute Waldbrandgefahr, doch der entscheidendere Grund waren die Angriffe von Rechten auf die Klimaaktivist*innen. Wen es mit dem Zug auf den Bahnhof Seehausen verschlägt, sieht auf der Bahnhofsruine noch immer das angekokelte Transparent der Klimaaktivist*innen, die dort einen Kulturbahnhof aufbauen wollten, der durch einen rechten Angriff zerstört wurde. Diese Niederlagen sollten doch eher zu der Frage führen, ob dieses Konzept von Dorf- und Waldbesetzungen wirklich so erfolgversprechend für die Klimabewegung ist.

Aufstandskulisse

Schließlich schreiben die Autor*innen: »Die Metamorphose von Protesten gegen den klassischen fossilen Kapitalismus in Proteste gegen einen grünen Kapitalismus gelang nicht. LNG ist nicht gleich RWE – zumindest in der Wahrnehmung der Bevölkerung und auch in den Köpfen vieler Aktivist*innen«. Hier wäre doch die Gelegenheit gewesen, auch auf die geänderten gesellschaftlichen Umstände einzugehen. Das Ende des billigen russischen Erdgases nach dem Einmarsch der russischen Armee in die Ukraine war ja eine der Voraussetzungen für den Bau der LNG-Terminals, die auch keineswegs umweltfreundlich sind. Welche Antworten hat in dieser Situation die Klimabewegung?

Solche Fragen der richtigen Gegenwartsanalyse wären zentral für die Zukunft der Klimabewegung. In der Vision der Autor*innen scheint aber eher die Sehnsucht nach einem Zurück zu alten autonomen Aktionsformen mit Besetzungen und Feuertonnen in Hüttendörfern durch. Dass wird besonders deutlich, wo sie sich mit der landesweiten französischen Vernetzung Soulèvements de la Terre (SLT – Aufstände der Erde) befassen. Hier kommen die Autor*innen beinahe ins Schwärmen: »2023 ließen auch Bilder aus Frankreich das Herz vieler radikaler Aktivist*innen höher schlagen: Brennende Polizeiautos, ein riesiger, bunter Holzvogel am Kopf einer Demonstration mit tausenden Protestierenden, Demonstrierende im Tränengasnebel – die Rauchzeichen der großen Schlacht in Sainte-Soline.« Die Bewunderung der Aufstandskulisse überdeckt das Interesse daran, wie es überhaupt gelungen ist, ein Bündnis zu schmieden, das von anarchistischen Gruppen bis zu Gewerkschaften reicht und das auch erfolgreich einem Verbot des französischen Innenministeriums trotzte und sich nicht an der Gewaltfrage spalten ließ.

Diese Frage wäre schon deshalb interessant, weil auch in Deutschland in den letzten Jahren erste erfolgreiche Kooperationen zwischen Gewerkschaften, Lohnabhängigen und Klimaaktivist*innen entstanden sind. Vielleicht sind den Autor*innen jene Initiativen wie »Wir fahren zusammen« zu bieder. Dort kooperieren in der Dienstleistungsgewerkschaft Verdi organisierte Beschäftigte des Öffentlichen Nahverkehrs und Klimaaktivist*innen. Konfliktreicher ist die Kooperation zwischen einigen Beschäftigten von VW-Wolfsburg und einer Gruppe von Klimaaktivist*innen, die mitten in der VW-Stadt agieren. Auch dort gab es neben konfrontativen Aktionen gegen den VW-Begründer mit NS-Hintergrund Porsche lebhafte Diskussionen und auch Erfolge, wenn eine Erweiterung der VW-Produktionsstätten verhindert wurde. Natürlich ist diese Arbeit mühselig, die Mühen der Ebene sind oft nicht besonders revolutionär. Aber wenn die Genoss*innen der IL und Ums-Ganze ehrlich sind, werden sie auch zugeben, dass dieser Befund auch für das Leben in den Hüttendörfern gilt. Der im September 2023 angelaufene Film »Vergiß Meyn Nicht«, ein Vermächtnis des bei Fotoarbeiten im Hambacher Forst verunglückten Medienaktivisten Steffen Meyn, gibt hier einen sehr ehrlichen Einblick auch in die Mühen der Ebene solcher Besetzungen.

Andere Kämpfe

Nur soll das hier gar nicht gegeneinander diskutiert werden. Solche Besetzungen haben ihren Sinn und können gesellschaftliches Bewusstsein schaffen. Die Priorität sollte aber die Kooperation mit den Beschäftigten haben. Das braucht dann nicht bei Verdi-Kundgebungen zu enden. In Italien kämpfen aktuell Klimaaktivist*innen und Lohnabhängige von GKN, einem Werk, das Autoersatz­teile produzierte, gemeinsam für den Erhalt der besetzten Fabrik. Sie ist aktuell akut bedroht, weil das Management mit Unterstützung der rechten italienischen Regierung die Besetzung beenden und alle Beschäftigten entlassen will. Das Arbeitsgericht hat eine drohende Räumung Ende Dezember vorerst verhindert. Der Film »Der laute Frühling« von Johanna Schellhagen weist damit eine Perspektive für die Kooperation zwischen Lohnabhängigen und Klimaaktivist*innen. Es wird wohl noch etwas dauern, bis sie gemeinsam die VW-Werke besetzen, umnutzen und gegen die Polizei verteidigen. Aber die Grundlagen werden bei den Kämpfen heute gelegt.

Die Parole sollte also lauten: Schafft zwei, drei, viele GKN! Auf Feuertonnen brauchen die Aktivist*innen auch dann übrigens nicht zu verzichten. Bei Arbeitskämpfen waren sie immer auch ein beliebter Treffpunkt von Streikenden und Unterstützer*innen vor den Fabriktoren. Peter Nowak