Die Antimilitaristische Aktion Berlin protestiert gegen ihre Erwähnung im Verfassungsschutzbericht Wie genau der Geheimdienst die Putin-Gegner*innen beobachtet, bleibt geheim. Linke-Politiker Niklas Schrader erkennt eine Einschüchterungsstrategie.

Antimilitaristisch und verfassungsfeindlich?

Für Hansen ist dieses Agieren allerdings keine Überraschung. »Genau aus dem Grund sind wir auch gegen Geheimdienste. Die dürfen einfach alles Mögliche als geheim erklären und sich so aus der Verantwortung ziehen. Was bringt parlamentarische Kontrolle, wenn Abgeordnete unter Strafe stehen, wenn sie als geheim eingestufte Informationen veröffentlichen?

»Warum beobachtet der Berliner Verfassungsschutz Putin-Gegner?« Schilder mit dieser Frage hielten Demonstrant*innen am vergangenen Montag vor dem Berliner Abgeordnetenhaus in die Höhe. Einige der Teilnehmer*innen trugen Fahnen der Deutschen Friedensgesellschaft – Vereinigte Kriegsdienstgegner*innen (DFG-VK) und der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der Antifaschist*innen (VVN-BdA). Drinnen tagte der Verfassungsschutzausschuss des Abgeordnetenhauses. Doch eine Antwort auf ihre Frage wurde den Antimilitarist*innen nicht gegeben. Lediglich die Tatsache, dass die Antimilitaristische Aktion Berlin (Amab) vom Verfassungsschutz beobachtet wird, war dem Chef der Berliner Behörde Michael Fischer zu entlocken.Die Amab hatte mit Verwunderung reagiert, dass einige Aktionen, an denen sie wesentlich beteiligt war, im aktuellen Berliner Verfassungsschutzbericht unter der Rubrik Linksextremismus aufgeführt waren. Darunter war auch …

… eine Protestkundgebung der Amab kurz nach dem russischen Einmarsch in der Ukraine vor der Berliner Filiale des Gazprom-Konzerns. »Der Berliner Verfassungsschutz beobachtet ausgerechnet eine der wenigen Organisationen aus der Friedensbewegung, die sich von Beginn der russischen Invasion an gegen den verbrecherischen Angriffskrieg stellt«, äußert Amab-Aktivist Jan Hansen gegenüber »nd« sein Unverständnis bezüglich der Auflistung seiner Organisation.Auf Nachfragen von Niklas Schrader, innenpolitischer Sprecher der Linksfraktion im Abgeordnetenhaus, betonte Fischer, dass die Aktion gegen Gazprom selbst nicht verfassungsfeindlich sei. Zu den Gründen, warum die Amab vom Verfassungsschutz beobachtet wird, wollte sich Fischer allerdings nur im Geheimschutzraum äußern. Von dort dürfen aber die Abgeordneten keine Informationen an die Öffentlichkeit tragen. So konnte Schrader »nd« nicht mitteilen, in welcher Form die Amab überwacht wird. Werden nur öffentlich zugängliche Texte der Organisation untersucht oder bedient man sich auch verdeckter Ermittlungen? »Die Antwort kann nur der Verfassungsschutz geben, tut es aber nicht«, erklärte Niklas Schrader.Der Politiker hat kein Verständnis für die Beobachtung der Antimilitarist*innen. »Mit der Erwähnung der Aktionen im Jahresbericht diskreditiert der Verfassungsschutz die Amab und drückt ihr den Stempel der Verfassungsfeindlichkeit auf. Das kann Folgen für die Betroffenen und auf andere politisch Engagierte einen Einschüchterungseffekt haben«, monierte Schrader.Für ihn ist die Auflistung der Amab ein Beispiel, dass der Verfassungsschutz der Demokratie eher schadet als sie zu schützen. Daher bekräftigte Schrader noch einmal die Forderung seiner Partei nach Auflösung aller Geheimdienste. »Was hilft mir als Abgeordneten eine Information im Geheimschutzraum, über die ich nicht sprechen darf?«, fragt Schrader und sieht hier ein Beispiel, wie der Verfassungsschutz seine Macht ausspielt und daher kaum kontrollierbar ist.Diese Kritik bekräftigt auch Jan Hansen von Amab. Im Gespräch mit »nd« weist er auf einen Widerspruch im Auftreten des Berliner Verfassungsschutz-Chefs hin. »Er legt sehr großen Wert darauf, dass sein Verfassungsschutz kein Geheimdienst, sondern ein Nachrichtendienst sei. Aber auf kritische Nachfragen liefert er keine Nachrichten, sondern versteckt sich im Geheimhaltungsraum.«Für Hansen ist dieses Agieren allerdings keine Überraschung. »Genau aus dem Grund sind wir auch gegen Geheimdienste. Die dürfen einfach alles Mögliche als geheim erklären und sich so aus der Verantwortung ziehen. Was bringt parlamentarische Kontrolle, wenn Abgeordnete unter Strafe stehen, wenn sie als geheim eingestufte Informationen veröffentlichen?« Der Antimilitarist sieht in diesem Vorgehen Methode. »Seit mehr als einem Jahrzehnt verheimlicht der Berliner Verfassungsschutz der Öffentlichkeit, was beim massenhaften Schreddern von Rechtsextremismus-Akten 2012 eigentlich genau schiefgelaufen ist«, erinnert Hansen an einen Geheimdienstskandal, als das Bundesinnenministerium dem Bundesnachrichtendienst die Vernichtung von Akten aufgetragen hatte. 

Peter Nowak

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