Die Genossenschaft Transformatives Wohnen versucht den Immobilienfirmen Paroli zu bieten

Sachsen-Anhalt: Für bezahlbaren Wohnraum in Salzwedel

Eines der stark vom Leerstand betroffenen Viertel in Salzwedel ist die Altperverstraße am Rande der Innenstadt. Dort hat auch das Autonome Zentrum Kim Hubert sein Domizil, eines der wichtigsten Treffpunkte der außerparlamentarischen Linken der Stadt. In der pittoresken Straße gibt es viele noch unsanierte Gebäude. Auf manchen der Fachwerkhäuser kann man leicht verblichene, jahrhundertealte Inschriften religiösen Inhalts lesen. Hier hat die Trawo ihr zweites Gebäude erworben. Es hat eine lange Geschichte

Das Städtchen Salzwedel im Altmarkkreis in Sachsen-Anhalt ist für seine vielen Fachwerkhäuser bekannt. In der Altstadt gibt es aber jetzt schon viele teuer sanierte Gebäude mit hohen Mieten. Interessent*innen kommen vor allem aus dem nahen Wendland in Niedersachsen. Auch Menschen aus den Metropolen Hamburg oder Berlin halten hier Ausschau nach einem Ruhesitz. Viele Anwohner befürchten daher, dass es auch hier »bald vorbei sein werde mit günstigen Mieten«, sagt Kim Steinle, Mitbegründer der Genossenschaft Trawo, die Abkürzung steht für Transformatives Wohnen. Sie hat es sich zum Ziel gesetzt, in der Region Salzwedel dauerhaft …

… bezahlbaren und selbstbestimmten Wohnraum zu schaffen und diesen dem renditeorientierten Immobilienmarkt zu entziehen. Steinle macht kein Geheimnis daraus, dass die Idee der Trawo aus der außerparlamentarischen Linken der Stadt kommt. »Die Gründungsmitglieder waren und sind politisch aktiv in verschiedenen Bündnissen und Gruppen in Salzwedel und Umgebung. Geprägt durch die Erfahrung, auf dem platten Land ohnehin alles selbst machen zu müssen – seien es Demonstrationen, Konzerte oder ähnliches –, kam die Idee für das große Projekt Genossenschaft auf«, erklärt Steinle. Über bereits bestehende Netzwerke habe es ein Angebot für ein konkretes Gebäude in der Mittelstraße 7/9 gegeben. Das sei die Initialzündung für die Trawo gewesen. So kam es im Frühjahr 2021 zu den ersten Arbeitstreffen und ein halbes Jahr später zur Gründung.

Eines der stark vom Leerstand betroffenen Viertel in Salzwedel ist die Altperverstraße am Rande der Innenstadt. Dort hat auch das Autonome Zentrum Kim Hubert sein Domizil, eines der wichtigsten Treffpunkte der außerparlamentarischen Linken der Stadt. In der pittoresken Straße gibt es viele noch unsanierte Gebäude. Auf manchen der Fachwerkhäuser kann man leicht verblichene, jahrhundertealte Inschriften religiösen Inhalts lesen. Hier hat die Trawo ihr zweites Gebäude erworben. Es hat eine lange Geschichte: Bis zu ihrem Tod im Januar 2021 betrieb Helga Weyhe hier einen Buchladen. Sie wurde mit ihren fast hundert Jahren auch bundesweit als Deutschlands älteste Buchhändlerin bekannt. Ihre Vorfahren hatten bereits 1840 in dem Gebäude den ersten Buchladen gegründet. Weil Helga Weyhe keine Erb*innen hatte, bestand nach ihrem Tod die Gefahr, dass Immobilienunternehmen auf das Gebäude aufmerksam werden. Das hat die Trawo durch den Kauf des Fachwerkhauses verhindert. Im Schaufenster des ehemaligen Buchladens stehen noch einige Bücher und auch Schilder mit Informationen über die weiteren Pläne der Genossenschaft. Hervorgehoben wird das Ziel, in der Region Salzwedel auch in Zukunft für günstigen Wohnraum zu sorgen. Damit will man auch Unterstützung von dem Teil der Bevölkerung bekommen, der sich nicht als Teil der linken Szene begreift.

Die Trawo hat noch größere Pläne, wie Steinle gegenüber »nd« berichtet: »Wir sind sehr daran interessiert, weitere Gebäude für die Genossenschaft zu erwerben, so dem renditeorientierten Immobilienmarkt zu entziehen und das Privateigentum an Grund und Wohnraum in eine gemeinwohlorientierte Bewirtschaftung zu bringen.« Es sei auch deutlich zu spüren, dass es »ein Bedürfnis an genossenschaftlichen Wohnraum in der Innenstadt gibt«. Doch Wachstum um jeden Preis ist laut Steinle nicht das Ziel der Trawo. »Im Moment jedoch sind wir mit der Verwaltung und Sanierung unserer beiden aktuellen Objekte an den Grenzen unserer Kapazitäten«, berichtet er. Peter Nowak

In Zukunft will man einen größeren Austausch in der Stadt schaffen. Insbesondere bei Menschen, die unmittelbar von Verfall und Leerstand in der Salzwedeler Innenstadt betroffen seien, gebe es ein starkes Interesse an den genossenschaftlichen Lösungsansätzen, so Steinle. Eine tiefere Auseinandersetzung mit den Prinzipien und Zielen der Trawo sei jedoch noch selten. Daher wolle man zukünftig mit verschiedenen Veranstaltungen für Kommunikation und Austausch sorgen.