Auch in Russland gibt es Klimaaktivismus – und zwar erfolgreich!

Lützerath ist überall

Wer sich darüber informieren will, wie die zersplitterte russische Linke gegen den Krieg agiert, muss zum kürzlich im Unrast-Verlag erschienenen Buch »Spezialoperation und Frieden« greifen, das der in Bremen lebende Historiker Ewgeniy Kasakow herausgegeben hat. Auch das Video aus dem Kusbass zeigt ein Russland, mit dem sich Linke in Deutschland verbinden können.

»Liebe Einwohner von Lützerath und alle die, die ihr gegen die Energiegesellschaft kämpfen tut. Euer Kampf … ist sehr wichtig, weil es ein perfektes Beispiel dafür ist, wie ein Mensch seine Rechte und sein Leben schützt.« Solidaritätserklärungen für die Klimaaktivist*innen waren Mitte Januar zahlreich. Diese hatten sich dem Polizeiaufgebot entgegengestellt, das im Interesse des RWE-Konzerns das kleine Dorf Lützerath tief im Westen räumte und den Weg für die weitere Kohleabbaggerung freimachte. Doch diese Botschaft war anders.Das kurze Youtube-Video mit der Ansprache an die Lützerather*innen sticht schon optisch hervor: Sieben Menschen stehen …

… dick angezogen in einer kalten Winterlandschaft und halten Plakate in deutscher und russischer Sprache in die Höhe. Die Grüße kommen aus dem winterlichen Kusbass in Sibirien, das wohl wenige kennen – dabei handelt es sich um eines der größten Steinkohlereviere der Welt in Sibirien. Klimaaktivist*innen errichteten dort vor zwei Jahren ein Camp, mit dem sie gegen den Bau einer Kohleverladestation protestierten. Und sie hatten damit Erfolg: Das Projekt wurde nicht umgesetzt.Das sind Nachrichten, die Linke in Deutschland aus Russland nicht erwartet hatten. Im autoritär regierten Russland konnte ein umweltschädliches Projekt von Klimaaktivist*innen gestoppt werden, während in Lützerath der Staat im Sinne des RWE-Konzerns räumen lässt. Die russischen Klimaaktivist*innen traten also einmal nicht als Opfer staatlicher Gewalt auf, die den globalen Westen um Unterstützung bitten. Nein, hier treten selbstbewusste Menschen auf, deren Kampf Erfolg hatte. Erfolg, den sie nun auch den Klimaaktivist*innen in NRW wünschten. Das führte auch in der Klimabewegung in Deutschland zu Irritationen. Manche hielten das Video sogar für einen Fake. Erst nachdem ein bekannter russischer Ökologe die Echtheit bestätigte, machten sie das Video öffentlich.Auch wenn die Räumung von Lützerath längst aus den Schlagzeilen verschwunden ist, hat diese Solidaritätserklärung noch eine Bedeutung: Sie bietet Gelegenheit, einen anderen Blick auf die russische Oppositionsbewegung zu werfen. Besonders nach dem Einmarsch der russischen Armee in die Ukraine werden oft alle Russ*innen für die Taten des Regimes in Haftung genommen. Selbst erklärte Oppositionelle sind davon nicht ausgenommen.Gnade finden oft nur die wenigen bekannten Stimmen, die dann die Überlegenheit des globalen Westens betonen. Eine kürzlich als Taz-Beilage veröffentlichte deutschsprachige Ausgabe der Novaya Gazeta Europe ist ein gutes Beispiel dafür. Dort wimmelt es nur so von tolatarismustheoretischen Gleichsetzungen zwischen Nazi-Deutschland und der Sowjetunion und Russland. Wer sich darüber informieren will, wie die zersplitterte russische Linke gegen den Krieg agiert, muss zum kürzlich im Unrast-Verlag erschienenen Buch »Spezialoperation und Frieden« greifen, das der in Bremen lebende Historiker Ewgeniy Kasakow herausgegeben hat. Auch das Video aus dem Kusbass zeigt ein Russland, mit dem sich Linke in Deutschland verbinden können. Peter Nowak

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