Bundesweiter dezentraler Aktionstag »Mietenstopp!« in über 50 Städten. Mehrere Tausend Menschen auf der Straße

Etappe im Kampf um bezahlbaren Wohnraum

Matthias Weinzierl sah im Gespräch mit dem »nd« in der sehr heterogenen Zusammensetzung des Bündnisses einen besonderen Vorteil. Da seien die großen Akteure wie der DGB, der Deutsche Mieterbund (DMB) und der Paritätische Wohlfahrtsverband, die vor allem Einfluss auf die Politik nehmen wollen. Außerdem seien die vielen aktivistischen Mieter*inneninitiativen vertreten, die den Druck auf der Straße verstärken wollen.

»Deckel drauf – der Bund muss Mieterhöhungen stoppen«, stand auf dem Transparent, das in Hamburg eine Mieter*innendemonstration anführte. In Berlin wurden Plakate mit der Parole »Hände hoch für bezahlbare Mieten« getragen. Ähnliche Parolen waren am Samstag bei Aktionen in mehr als 50 Städten in der ganzen Republik zu lesen. Daran hatten sich mehrere Tausend Menschen beteiligt. Ein breites Bündnis von Mieter*innenorganisationen, Gewerkschaften und Sozialverbänden hatte am Samstag zum bundesweiten dezentralen Aktionstag »Mietenstopp« aufgerufen. »Wir sind ein überparteiliches, zivilgesellschaftliches, bundesweites Bündnis, das sich bundesweit dafür einsetzt, …

… dass die Mieten nicht weiter steigen«, erklärte der Kampagnensprecher Matthias Weinzierl dem »nd«. Er zeigte sich mit der Resonanz des Aktionstages sehr zufrieden. »Die Sorge der Menschen ist groß, die Miete nicht mehr aufbringen zu können. Es ist höchste Zeit zu handeln.«

Das sieht auch das DGB-Vorstandsmitglied Stefan Körzell so, der den Aktionstag unterstützt. Für ihn steht der Bau von 100 000 Sozialwohnungen pro Jahr an erster Stelle. »Das wohnungspolitische Kernproblem ist das fehlende Angebot an bezahlbaren Wohnungen. Die Bundesregierung wird ihr Ziel, jährlich 400 000 neue Wohnungen zu bauen, voraussichtlich nicht erreichen«, so die Befürchtung des Gewerkschafters. Mesun Al-Ustuani, die in Köln am Aktionstag teilgenommen hat, engagiert sich bei »Recht auf Stadt Köln«. »Beim Plakatieren habe ich in Restaurants, Kneipen, Friseursalons, Sportstätten und kleinen Läden nur positive Erfahrungen gemacht«, freute sie sich über die Reaktionen aus der Bevölkerung auf die Forderungen. Der Geschäftsführer des Paritätischen Gesamtverbands, Ulrich Schneider, sieht einen Zusammenhang zwischen den hohen Mieten und anderen aktuellen Belastungen für viele Menschen: »Die gestiegenen Energie- und Heizkosten sind sozialer Sprengstoff. Was es jetzt braucht, ist ein Strom-, Energie- und Kündigungsmoratorium.« Nicht nur er sieht den Mietenaktionstag als Teil der sozialen Proteste im Herbst 2022. »Die Forderungen passen gut in den Kontext. Doch der Mietenaktionstag wurde bereits im April 2022 beschlossen, als die Entwicklung der Preise auf dem Energiesektor noch nicht absehbar war«, sagte Weinzierl.

Der Aktionstag ist für ihn nur eine Etappe im Kampf für bezahlbaren Wohnraum. Er zeigte sich besonders zufrieden über die Entwicklung des Mietenstopp-Bündnisses. Entstanden ist es nach dem gescheiterten Volksbegehren »6 Jahre Mietenstopp in Bayern«. Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof hatte im Juli 2020 die Zulässigkeit des Volksbegehrens mit dem Argument verweigert, dass die Bundesländer bei der Mietenfrage keine Kompetenzen hätten. Die würden beim Bund liegen. Das war der Startschuss für das Bündnis, nun auch bundesweit für den Mietenstopp zu kämpfen. Weinzierl sah im Gespräch mit dem »nd« in der sehr heterogenen Zusammensetzung des Bündnisses einen besonderen Vorteil. Da seien die großen Akteure wie der DGB, der Deutsche Mieterbund (DMB) und der Paritätische Wohlfahrtsverband, die vor allem Einfluss auf die Politik nehmen wollen. Außerdem seien die vielen aktivistischen Mieter*inneninitiativen vertreten, die den Druck auf der Straße verstärken wollen. Aus Berlin gehören auch die Initiative »Deutsche Wohnen & Co. enteignen« und die Kreuzberger Stadtteilinitiative »Bizim Kiez« dem Mietenstopp-Bündnis an. Weinzierl bewertete den Aktionstag auch als eine solidarische Alternative zur nationalistischen Großdemonstration der AfD am Samstag in Berlin. Peter Nowak