Zwischen Bratwurstbude, Vereinsmeierei und Nato-Raketen – der Streit um den PEN Berlin und das PEN-Zentrum

Der neue PEN und die Waffen des Westens

Wie entpolitisiert die gesamte Debatte geführt wird, zeigt ein Interview mit dem Autor Gregor Sander. Dessen Gespräch mit dem NDR zur Neugründung des PEN Berlin kommt über eine Ansammlung von geschmäcklerischen Befindlichkeiten und Füllwörtern nicht hinaus. Da war der Wunsch nach einem "Neustart" groß. Es gab bei der Gründung eine "positive Aufbruchstimmung", vorher musste aber noch "ganz schön gerudert werden".

Bratwurstbude versus Tofu-Imbiss. So könnte der Streit zwischen dem PEN Berlin und den auch schon als PEN Darmstadt bezeichneten PEN-Zentrum kurz und sicher nicht gerecht zusammengefasst werden. Tatsächlich geht es in der Auseinandersetzung primär um …

… geschmäcklerische Differenzen. Sozialdemokratische Schriftsteller-Funktionäre stoßen mit grünen-nahen Neueinsteigern zusammen und balgen sich um Posten und Aufmerksamkeit. Zunächst haben sie im PEN-Zentrum den schnellen Marsch durch die Institutionen versucht und mussten erkennen, dass die altgedienten Funktionäre ihre Posten durchaus zu verteidigen wissen. Bei der Auseinandereinsetzung sollen auch unschöne Worte gefallen sein, wechselseitig wirft man sich Intrigen vor. Da dürfte etwas Wahres dran sein. Solche Kämpfe um Posten und Aufmerksamkeit gehen selten ohne persönliche Verletzungen über die Bühne. Doch Vereinsmeier finden sich auf beiden Seiten, wie ein Kommentator der FAZ feststellte.

Inhalte – Fehlanzeige?

Wie entpolitisiert die gesamte Debatte geführt wird, zeigt ein Interview mit dem Autor Gregor Sander. Dessen Gespräch mit dem NDR zur Neugründung des PEN Berlin kommt über eine Ansammlung von geschmäcklerischen Befindlichkeiten und Füllwörtern nicht hinaus. Da war der Wunsch nach einem „Neustart“ groß. Es gab bei der Gründung eine „positive Aufbruchstimmung“, vorher musste aber noch „ganz schön gerudert werden“.

Auf die Frage, worin sich denn nun die beiden PEN-Vereine unterscheiden, wusste Sander nur zu antworten. „Das ist eine gute Frage. Mal sehen, wer jetzt noch dazukommt.“ Der PEN Berlin habe schon mehr als 200 Mitglieder. Als dann der NDR-Journalist noch mal fragte, was der PEN Berlin anders machen will als der bisherige PEN, antwortete Sander ehrlich. „Ich habe keine Ahnung, ich kann Ihnen das so genau auch nicht sagen.“

Aber er hofft, dass die Neugründung „breiter, offener und freundlicher“ werde. Auf die Frage, ob die Verortung in der Bezeichnung tatsächlich dazu verhilft, fallen Sander nur Plattitüden über Berlin, dass für Offenheit und freie Meinungsäußerung stehe, ein. Natürlich ist klar, dass er nur das westliche Berlin meint. Da verbirgt sich hinter der scheinbaren Inhaltslosigkeit doch eine Ideologie. Es versammeln sich hier die, die westlichen Werte noch mehr zur Waffe im globalen Kampf der kapitalistischen Blöcke machen wollen.

Es darf ja nicht vergessen werden, dass der Streit im PEN-Zentrum eskalierte, nachdem der damalige Vorsitzende Deniz Yücel, der den neuen Verein mitgegründet hat, eine Flugverbotszone über der Ukraine forderte. Da waren die Waffen des PEN-Vorsitzenden eben nicht Worte, sondern Nato-Raketen.

So dürfte man die Anhänger der grünen „Innovationskrieger“, wie sie Detlef Hartmann nennt, eher beim PEN-Berlin verorten, während im PEN-Zentrum noch mehr sozialdemokratische Bräsigkeit zu finden ist, die allerdings auch verhindert, dass gleich mit einem neuen Hurra-Patriotismus in den sehr realen Krieg gegen Russland gezogen wird. Da passt dann die Verortung Berlin sehr gut, denn von dort gingen solche Bestrebungen in der Geschichte bekanntlich öfter aus.

„Aber dann hätten wir uns PEN Posemuckel nennen sollen“

Wenn dann Sander eher ironisch fragt, ob man sich hätte PEN-Posemuckel nennen sollen, steckt auch dahinter diese Ideologie. Deutschland wird nicht mehr von Bonn aus regiert, sondern von Berlin und das ist dann auch eine Verpflichtung, die man auch als Drohung bezeichnen kann. Dabei sollte man aber auch nicht vergessen, dass es um eine typisch deutsche Vereinsmeierei geht. So sollte nur daran erinnert werden, dass einige DDR-Bürgerrechtler nach 1989 dem PEN-Zentrum vorwarfen, mit Schriftstellern, die zur DDR nicht in Opposition standen, zu enge Kontakte gehabt zu haben und deshalb dort nicht Mitglied sein wollten.

Sie beriefen sich auf einen weiteren antitotalitären PEN-Verein. Angesichts der transnationalen Herausforderungen durch die Kriege im globalen Kapitalismus, der Klimakrise und vieler anderer existentieller Probleme, die Menschen weltweit betreffen, sind diese Auseinandersetzungen der PEN-Vereine nationalborniert und kleinkariert. Ob die sich den Zusatz „Verein“ oder „Berlin“ geben, spielt da keine große Rolle. Es bleibt Vereinsmeierei in guter schlechter deutscher Tradition. (Peter Nowak)