Der langjährige Verdi-Vor sitzende Frank Bsirske gab übrigens als Bundestagsabgeordneter der Grü nen von Anfang an Widerworte gegen den Aufrüstungskurs der Bundesregierung: Die Welt wird nicht friedlicher, indem man die Rüstungsspirale immer weiter dreht.

Kein deutsches Wir

Eine Antimilitarismusbewegung sollte anstatt dem deutschen Kapital Nachhilfe in Sachen Patriotismus zu geben, sich an den gewaltfreien Anarchist*innen orientieren. In deren Publikation »Graswurzelrevolution«, die übrigens kürzich ihr 50. Jubiläum feierte, erklärte der langjährige Redakteur Bernd Drücke jüngst, dass Krieg und Re-Militarisierung überall sabotiert werden müssen: »Jeder Panzer, der durch Zucker im Tank unbrauchbar wird, ist gut.

»Frieden« steht auf einem großen Banner über dem Eingang der Bundeszen trale der Dienstleistungsgewerkschaft Verdi in Berlin. Ein schlichtes Wort, das aber in diesen Zeiten, in denen überall Kriegslärm erschallt und Kriti ker*innen einer weiteren Aufrüstung des Verrats am Vaterland bezichtigt werden, als Zeichen der Vernunft gelten kann. Der langjährige Verdi-Vor sitzende Frank Bsirske gab übrigens als Bundestagsabgeordneter der Grünen von Anfang an Widerworte gegen den Aufrüstungskurs der Bundesregierung: Die Welt wird nicht friedlicher, indem man die Rüstungsspirale immer weiter dreht. Diese simple Erkennt nis der Friedensbewegung hat nichts an Wahrheit verloren, auch wenn manche frischgebackene Nato-Linke es heute nicht mehr hören wollen.Vor diesem Hintergrund war es erfreulich, dass sich Kriegsgegner*innen …

… in der Berliner Humboldtuniversität am 21. Mai 2022 unter dem Mot to »Ohne Nato leben« trafen. Schon die Reaktionen zeigten, dass sie ins Schwarze getroffen haben: Es gab Proteste mit Ukraine-Fahnen gegen die Konferenz. (Vor über 50 Jahren, als in Westberlin Tausende Linke gegen Vi etnamkrieg und Nato auf die Straße gingen, waren es noch die CDU und die Springer-Presse, die gegen die Antimilitarist*innen mobilisierten.) Im Nachhinein hat sich nun auch die Humboldt-Universität von dem Kongress distanziert, mit dessen inhaltlicher Ausrichtung sie tatsächlich gar nichts zu tun hatte. Sehr wahrscheinlich wird es für Kriegsgegner*innen in Zukunft immer schwieriger werden, öffentliche Räume für ihre Veranstaltungen zu finden. Auf diesen sollten allerdings nicht nur propagandistische Reden gehalten werden, in denen die Teilnehmenden sich gegenseitig von ihrer entschiedenen Rüstungsgegnerschaft überzeugen. Wichtiger wäre es, über Irrwege und Fehler der deutschen Friedensbewegung der Vergangenheit zu reden – denn es besteht die Gefahr, sie jetzt zu wiederholen.
So sehen einige Friedensbewegte den Hauptfeind immer noch aus schließlich in den USA. Der nun wie der parteilose Sozialdemokrat Oskar Lafontaine etwa erklärte vor dem Kongress in einem Interview mit der Tageszeitung »Junge Welt«: »Aufgrund der Dummheit der Grünen, der an deren Politiker der Ampelkoalition, aber auch der sie unterstützen den CDU/CSU verlieren deutsche Unternehmen an Wettbewerbsfähigkeit. Wir schießen uns ins eigene Knie.« Mit Stoßrichtung gegen die USA konstruiert Lafontaine hier ein deutsches »Wir«, das von Arbeiter*innen bis zur Kapitalistenklasse reichen soll – und das ist nur die Kehrseite des »Wir«, das von der Fraktion der Va terlandsverteidiger*innen im Kampf gegen Russland konstruiert wird.
Eine antimilitaristische Bewegung könnte solchen nationalistischen An wandlungen begegnen, indem sie sich in die Tradition der »Zimmerwalder Linken« stellt: Gruppen und Einzelpersonen aus den linken Flügeln der verschiedenen Arbeiter*innenbewegungen, die während des Ersten Weltkriegs die Burgfriedenspolitik der meisten sozialdemokratischen Parteien bekämpften. Auch sie befanden sich zunächst in der Position der absoluten Minderheit. Ausserdem könnte sich eine Antimilitarismusbewegung, an statt dem deutschen Kapital Nachhilfe in Sachen Patriotismus zu geben, an den gewaltfreien Anarchist*innen orientieren. In deren Publikation »Graswurzelrevolution«, die übrigens kürz lich ihr 50. Jubiläum feierte, erklärte der langjährige Redakteur Bernd Drücke jüngst, dass Krieg und Re-Militarisierung überall sabotiert werden müssen: »Jeder Panzer, der durch Zucker im Tank unbrauchbar wird, ist gut. Wir stemmen uns gegen jede Aufrüstung und Kriegspropaganda und setzen uns für die Geflüchteten und Deserteure aller Kriegsparteien ein«. Ein solcher Antimilitarismus könnte auch jüngere Leute mobilisieren und wäre eine angemessene Antwort auf Nato-Linke, die die Ukraine in Berlin verteidigen wollen.
Peter Nowak

Erstveröffentlichungsort: