RWE, Greenwashing und die Hoffnung der Klimaaktivisten auf die Justiz

Wird Lützerath das Gorleben der Kohleindustrie?

Doch man sollte beim Blick auf die Justiz und der Auslegung dieser und jener Urteilsbegründung nicht vergessen, dass auch die Justiz als Teil des Staatsapparats auf das reagiert, was auf der Straße, den Plätzen und in diesen Fall auch im Wald los ist. Werden an irgendeiner Stelle die Protestbewegungen so groß, dass sie nur um den Preis eines weiteres Vertrauensverlustes in den Staatsapparat ignoriert werden können, dann greift die Justiz als eigenständige Instanz ein und sorgt für Kompromisse.

Zu den konzernkritischen Initiativen, die sich in den letzten Jahren gegründet haben gehört das RWE-Tribunal, das in vielerlei Hinsicht die Aktivitäten des RWE-Konzerns unter die Lupe nimmt. Diese Initiative wendet sich gegen das verbreitete „Greenwashing“, also gegen eine kapitalistische Strategie, die auch mit ökologischer Rhetorik das Kerngeschäft des Kapitalismus am Laufen zu halten bestrebt ist. Nun hat das RWE-Tribunal in einem Offenen Brief daran erinnert, welch große Rolle die Justiz in der Causa Lützerath hat. Das Dorf am Rande des Kohlegebiets in NRW soll …

… in einer Zeit abgebaggert werden, in der alle über den Kohleausstieg reden. Der Bedeutungszuwachs der Justiz liegt natürlich auch daran, dass sich weder die Bundesregierung noch die Landesregierung von NRW darauf einigen konnten, dass Lützerath dem Braunkohle-Tagebau weichen soll oder erhalten bleibt.

Besonders in der Bundesregierung sind die Differenzen in dieser Frage groß. Die Grünen müssen allein zur Beruhigung ihrer Basis darauf drängen, dass nicht noch ein Dorf für den Kohlebergbau weichen muss, obwohl alle vom baldigen Ausstieg reden.

Da die SPD und noch mehr die FDP sich hier anders positionieren, wurde die Entscheidung wieder einmal der Justiz zugeschoben. Das ist ein weiteres Beispiel dafür, wie sich die Politik selbst entmachtet und Entscheidungen auf die Justiz zuschiebt, um nicht selbst entscheiden zu müssen.

Der letzte Bauer von Lützerath und die Hoffnung auf die Justiz

Es geht um das Grundstück Eckhardt Heukamp, der auch als „der letzte Bauer von Lützerath“durch die Medien geht (siehe auch: Lützerath: Der Unbeugsame). Der Landwirt will seine Grundstücke nicht an RWE verkaufen und verhindert daher bisher effektiv, dass das Dorf abgebaggert wird. Er hat sich mit Eilanträgen gegen die Übertragung der Grundstücke an RWE gewehrt.

Nachdem diese vom Verwaltungsgericht Aachen abgelehnt worden waren, legten die Kläger Beschwerde ein; über diese ist noch nicht entschieden. Bisher gibt es nur einen juristischen Rodungsstopp. Damit soll verhindern werden, dass in Lützerath Fakten geschaffen werden, bevor alle juristischen Instanzen durchlaufen wurden.

Das RWE-Tribunal hat mit einigen Fakten seine Forderung untermauert, dass bei der endgültigen Entscheidung des Gerichts nur die Justiz die Abbaggerung von Lützerath verhindern kann. Jetzt hat aber das RWE-Tribunal selbst darauf hingewiesen, dass die Justiz bisher nicht als Bremser von RWE und Co. aufgetreten ist. In dem Offenen Brief wird darauf hingewiesen, dass sich die Lage mittlerweile geändert hat.

Dabei wird vor allem auf das von fast allen Teilen der Umweltbewegung mittlerweile rauf und runter deklinierte Urteil des Bundesverfassungsgerichtes verwiesen, das bei künftigen Umweltentscheidungen auch die Rechte der künftigen Generationen mit in den Blick nimmt.

Was hat sich eigentlich geändert im Fall Lützerath?

Doch man sollte beim Blick auf die Justiz und der Auslegung dieser und jener Urteilsbegründung nicht vergessen, dass auch die Justiz als Teil des Staatsapparats auf das reagiert, was auf der Straße, den Plätzen und in diesen Fall auch im Wald los ist. Werden an irgendeiner Stelle die Protestbewegungen so groß, dass sie nur um den Preis eines weiteres Vertrauensverlustes in den Staatsapparat ignoriert werden können, dann greift die Justiz als eigenständige Instanz ein und sorgt für Kompromisse.

So war es bereits in den 1980er Jahren, als die Bewegung gegen die Volkszählung ein Massenphänomen wurde und die Zählung nicht mehr hätte durchgeführt werden können. So hat die Justiz das Gesetz entschärft und dadurch das Vertrauen in den bürgerlichen Rechtsstaat zumindest in Teilen wiederhergestellt.

Das bedeutet im Fall Lützerath, es könnte sogar sein, dass die Justiz gegen die Abbaggerung entscheidet, weil das kleine Dorf mittlerweile in der neueren Umweltbewegung, die sich für einen Kohleausstieg ausspricht, eine ähnliche Bedeutung bekommen hat, wie es das vorher ebenso unbekannte Gorleben vor 40 Jahren für die damals noch junge und minoritäre Anti-AKW-Bewegung hatte.

Es ist ein Bezugspunkt, an dem sich sehr unterschiedliche Spektren der Bewegung orientieren können. Längst geht der Widerstand gegen das Verschwinden des vorher kaum bekannten Dorfes über das Aktionsbündnis „Alle Dörfer bleiben“ hinaus. Das wurde schon vor einigen Monaten deutlich, als bekannte Klimaaktivistinnen und -aktivisten dazu aufgerufen haben, nach Lützerath zu kommen und das Dorf zur Festung gegen RWE auszubauen.

Wenn diese Entwicklung in den nächsten Monaten weitergeht, wäre das das beste Mittel das Dorf tatsächlich zu retten und dem RWE-Konzern an dieser Flanke eine Niederlage zuzufügen.

Gelingt die Kooperation von Umweltbewegung und RWE-Beschäftigten?

Ein noch größerer Erfolg aus der Perspektive der Klimabewegung wäre es, wenn es auch Arbeitsgruppen gäbe, die die schwere Aufgabe übernehmen, sich mit den dialogbereiten Teilen der RWE-Beschäftigten zu koordinieren und über andere Formen der Beschäftigung gemeinsam nachzudenken.

Es gibt mittlerweile gut dokumentierte Beispiele für eine erfolgreiche Kooperation von Umweltbewegung und Beschäftigten im Öffentlichen Nahverkehr und auch Studien zum Bewusstseinstand der Beschäftigten in der Automobilindustrie. Ein ermutigendes Beispiel war die Kooperation von Umweltbewegung und Beschäftigten eines Münchner Bosch-Werkes, das Autovergaser produzierte, vor einigen Monaten.

Es ist wahrscheinlich viel schwerer, solche Ansätze einer Kooperation auch bei den RWE-Beschäftigten zu finden. Doch wenn es gelänge, wäre das eine größere Niederlage für den RWE-Konzern und ein Beispiel, das über die Produktion die Beschäftigten selbst entscheiden sollen und weder Konzerne noch eine mittelständisch geprägte Umweltbewegung.

Damit würde an eine Diskussion angeknüpft, die vor allem in Großbritannien in den 1970er Jahren Fahrt aufgenommen hatte, bevor sie vom kapitalistischen Gegenschlag, der als Thatcherismus bekannt wurde, überrollt wurde. Peter Nowak