Die Linkspartei hat Friedenspolitik immer als ihr Alleinstellungsmerkmal betont. Daher müsste es dort eigentlich Konsens sein, dass Bundestagsabgeordnete der Partei gegen vom US-Stützpunkt Ramstein aus koordinierte Drohnenangriffe juristische Schritte unternehmen. Doch die acht Bundestagsabgeordneten, die kürzlich eine Klage einreichten, sind heftigen Angriffen nicht nur von der politischen Opposition, sondern auch aus der eigenen Partei ausgesetzt. Nun könnte man mit Recht fragen, warum die Anzeige nicht erfolgte, wenn immer wieder Zivilisten Opfer von Drohnenangriffen werden. Der islamistische Hardliner und Israelhasser, der iranische General Qassim Soleimani, der Anfang Januar von der Drohne getötet wurde, ist nun wahrlich kein Sympathieträger. Andererseits müsste man als genereller Gegner der Todesstrafe auch in seinem Fall keine klammheimliche Sympathie für die Art seiner Tötung haben. Doch die innerparteilichen Kritiker der Kläger argumentieren betont staatstragend. So erklärte die Juristin Halina Wawzyniak die Klage zu….
… rechtspolitisch gefährlichem Unsinn mit dem Argument, dass sie sowieso nicht zum Ziel führe.
Sie wird das eigentlich Ziel, die Schließung der Militärbasis in Ramstein nicht erreichen. Die Strafanzeige wird nicht zu einer Anklage führen, den Generalbundesanwalt aber mit Arbeit belasten. Insofern wird hier Recht instrumentalisiert.
Halina Wawzyniak
Nach dieser Argumentation könnten alle Verfahren, die keinen Erfolg versprechen, abgelehnt werden. Gerade Reformpolitiker wie Wawzyniak haben immer argumentiert, dass man in einer bürgerlichen Demokratie den Rechtsweg beschreiten kann und auch sollte. Wenn andere Reformpolitiker wie die acht Bundestagsabgeordneten es tun, ist es auf einmal Instrumentalisierung der Justiz.
Linke soll Bundesregierung nicht mehr verklagen
Mit ihrer juristischen Argumentation besorgt Wawzyniak das Geschäft der Anwälte der Gegenseite, der angeklagten Bundesregierung. Gerade das ist es auch, was die Kritiker der acht Kläger so erzürnt. Wagen sie es doch, die Bundesregierung, repräsentiert von Angela Merkel, anzuklagen. Dabei ist Merkel fast unangreifbar bei allen Linken und Liberalen, wird sie doch als das große Bollwerk gegen die AfD und alle Rechten der Welt gefeiert.
Zudem hat die Linke in Erfurt vorgeführt, was staatstragende Politik ist. Ramelow hat nach seiner Wiederwahl den AfD-Rechtsaußen Höcke nicht etwa deshalb den Handschlag verweigert, weil er rassistische Äußerungen getätigt hat, sondern weil er angeblich die Demokratie dadurch Schaden zugefügt hat, dass er beim vielzitierten Erfurter Dammbruch einen FDP-Mann mitwählte. Ramelow sagt damit eigentlich nichts anderes, als dass es für ihn eine Schädigung der Demokratie war, ihn abzuwählen, auch wenn die Mehrheitsverhältnisse es zulassen. Denn viel zu oft wird vergessen, dass das von Ramelow geleitete bürgerliche Reformbündnis bei der letzten Landtagswahl die Mehrheit verloren hatte.
Es gab zwei Kandidaten und dann kann es auch mal bei unklaren Mehrheitsverhältnissen passieren, dass man unterliegt. Das ist immer noch bürgerliche Demokratie und dieser Satz wird auch dann nicht falsch, wenn auch diverse Rechte ihn in den letzten Wochen gesagt haben.
Unverständlich ist eher, dass auch viele staats- und parteienkritische Linke danach glaubten, sie müssten jetzt ein neues 1933 verhindern. Eingehandelt haben sie sich ein Reformbündnis, das angewiesen auf das Wohlwollen der Union nun die besondere Treue zu deutschen Staatszielen herauskehren muss.
Was in den letzten Wochen nach Erfurt auch Menschen, die es eigentlich besser wissen müssten, zur Stabilisierung des bürgerlichen Status quo beigetragen haben, ist erschütternd. Nur ein Beispiel. Da wurde Kemmerich besonders negativ angekreidet, dass er sich als Mitglied der kleinsten Parlamentsfraktion hat zum Ministerpräsidenten wählen lassen. Dabei wäre das für sich genommen erst einmal der Ausweis einer lebendigen Demokratie.
Es können die größten Fraktionen nicht schon immer unter sich auskungeln, wer den Posten bekommt. In vielen anderen Ländern war es selbstverständlich, dass auch kleine Fraktionen Regierungen leiten können. Sie sind dann nur besonders instabil und druckempfindlich. Das wäre im Fall Kemmerich besonders stark der Fall gewesen, weil er gleich nach seiner Wahl betont hat, keine AfD-Politik machen zu wollen. Welche Politik er stattdessen hätte machen wollen, das konnte er gar nicht erst unter Beweis stellen.
Auch manche einst parlamentskritische Menschen sehen das als einen großen Sieg der Demokratie. Man kann freilich auch argumentieren, hier wurde nur der Weg der Linken in die Mitte der Gesellschaft, der lange vorgezeichnet war, etwas beschleunigt.
„Bei uns wird anders als bei der EU niemand erschossen“
Dafür aber muss sie noch viele Abbitten und Demutsgesten leisten, weil sie ja noch immer von Bild und Welt und auch großen Teilen der CDU als linksextremistisch gilt. Da hat eine dumme Formulierung einer Teilnehmerin beim Linken-Kongress am Wochenende in Kassel gleich die alten Reflexe abgerufen. Die Linke wurde gleich wieder mit Gulag und allen tatsächlichen oder angeblichen Verbrechen, die im Namen des Kommunismus verübt wurden, in Verbindung gebracht.
Nur hatte die Rednerin nicht dazu aufrufen, die Reichen zu erschießen, sondern sagen wollen, dass das gar nichts bringen würde. Linke-Parteichef Riexinger hat auch nicht den Vorschlag gemacht, sie ins Arbeitslager zu sperren, sondern sie für nützliche Arbeit einzusetzen, womit er sich durchaus auf Marx berufen kann.
Wenn die Umweltbewegung den Beschäftigten in der Kohle- und AKW-Branche erläutert, dass sie, wenn Schicht im Schacht und Ende im Gelände ist, nicht erwerbslos würden, sondern es andere nützliche Arbeit gäbe, die sie machen könnten, schreit ja auch niemand auf. Doch den Bild-Reporter hat auch empört, dass auf der gleichen Konferenz eine andere Delegierte es gewagt hat, zu fordern, den „Klassenkampf“ in den „Staatsapparat der BRD“ zu tragen.
Hier wurde der Linken wieder einmal gezeigt, dass sie einen Preis zahlen muss, wenn sie in der staatstragenden Mitte aufgenommen werden will. Die Reaktionen der letzten Tage, als sich viele aus der Linken in den Chor der Empörten eingereiht haben, zeigt, dass manche den Preis gerne zahlen. Dabei bräuchte man den Bild-Redakteur nur mal an die Schlagzeilen seines eigenen Blattes erinnern.
Als sie in den späten 1960er Jahren den aufmüpfigen Apo-Leuten und langhaarigen Studenten nützliche Arbeit verordnen wollten, verstanden das nicht nur viele Bild-Leser als „Ab ins Arbeitshaus“. Und gegen renitente Erwerbslose ist von Bild noch vor wenigen Jahren nützliche Arbeit als probates Mittel empfohlen worden.
Immerhin haben einige in der Linken noch etwas Renitenz gegen die Demutsgesten gezeigt. „Im Gegensatz zur #EU schießen wir auf niemanden“, hieß es mit Verweis auf die Schüsse auf Migranten an der griechisch-türkischen Grenze bei der Linksjugend.(Peter Nowak)
https://www.heise.de/tp/features/Im-Gegensatz-zur-EU-schiessen-wir-auf-niemanden-4677398.html