Peter Nowak über einen absurden Kündigungsprozess in Stuttgart

Softwareentwickler ohne Elektronik

Gerald D. lässt sich durch das Urteil nicht entmutigen. Er hat gegen Eltako eine Schmerzensgeldklage wegen vertragswidriger Beschäftigung eingereicht. Ein erster Gütetermin wurde vor dem Arbeitsgericht Stuttgart für den 10. März anberaumt.

Ca. 20 Menschen haben sich am 14. Januar 2020 vormittags vor dem Landesarbeitsgericht in Stuttgart zu einer Protestkundgebung zusammengefunden. „Menschen sind keine Roboter“ und „Solidarität mit Gerald“ lauten einige der Parolen auf den Schildern, die sie zeigen. Sie solidarisieren sich mit Gerald D., der als Softwareentwickler bei der Eltako GmbH gearbeitet hat, einem mittelständischen Unternehmen aus Fellbach, das als Marktführer bei komplexeren, digital gesteuerten Beleuchtungssystemen  beträchtliche Profite macht. Gerald D. wurde gekündigt, weil er…..

…. ohne die Erlaubnis des Unternehmens an seinem Arbeitsplatz einen Router angeschlossen hatte, um Zugang zum firmeneigenen Internet zu haben. Für Eltako-Geschäftsführer Ulrich Ziegler war das ein Grund, gegen D. eine fristlose und im Anschluss noch eine fristgerechte Kündigung auszusprechen. Vor Gericht stellte Ziegler den Anschluss des Routers als Bedrohung der Kommunikationssicherheit dar und unterstellte D. sogar, dass er die Firma schädigen wollte. Beweise dafür nannte er allerdings nicht. Gerald D., der gegen die Kündigung klagte, schilderte eine ganz andere Version der Ereignisse. Demnach sei der Streit um den Router nur der Höhepunkt eines mehrjährigen Arbeitskonflikts. Bereits 2013 war Gerald D. bei Eltako gekündigt worden, weil das Unternehmen mit seiner Arbeitsleistung nicht zufrieden war. Dabei seien der Firma die gesundheitlichen Probleme bekannt gewesen, die er damals hatte, berichtet Gerald D. Ein Kündigungsschreiben habe ihn sogar kurz vor Weihnachten 2012 in der Rehaklinik erreicht. Doch Gerald D. wehrte sich juristisch und gewann die Prozesse vor dem Arbeitsgericht. Die Kündigungen waren unwirksam; D. hätte theoretisch an seinen Arbeitsplatz zurückkehren können. In der Praxis aber wurde ihm ein Raum zugewiesen, in dem eine Tischtennisplatte stand, aber kein Internetzugang vorhanden war. Das war kein Zufall, wie Geschäftsführer Ziegler vor dem Arbeitsgericht noch einmal klarstellte. D. sollte dort Geräte mit Softwarefehler reparieren. Doch sollte er auf keinen Fall Zugang zum firmeneigenen Internet haben, betonte der Unternehmer.  „Ohne vertragsgerechte Aufgaben, isoliert von KollegInnen und ohne Internetzuganghabe ich eineinhalb Jahre immer wieder gefordert, dass ich Bedingungen erhalte, damit ich entsprechend meines Arbeitsvertrags als Softwareentwickler arbeiten kann“, erklärte Gerald D. Als sich nichts an seiner Arbeitssituation geändert hat, habe er schließlich den Router angeschlossen, um sich auf der Homepage der Firma über die technischen Details der Produkte zu informieren. D. betonte, dass er damit seine Weiterbildung als Softwareentwickler vorantreiben wollte. Er hätte im Traum nicht daran gedacht, das der Anschluss des Routers als feindlicher Akt dargestellt werden würde, der zur Kündigung führt. 

In seinem Schlusswort appellierte er an die Richterin, durch das Urteil auch den Arbeitgeber an seine Verantwortung zu erinnern, für die vertragsgemäße Ausstattung des Arbeitsplatzes zu sorgen. Die Richterin errötete während der Ansprache. Doch bestätigte sie die Kündigung und stürzt damit Gerald D. in existentielle Probleme. Er hat nicht nur seinen Arbeitsplatz verloren, sondern sitzt jetzt noch auf hohen Gerichtskosten. Gerald D. erklärte gegenüber dem express, dass er sich bei seiner Klage auf ein Schreiben des Arbeitgeberanwalts stützt, in dem bestätigt wird, dass er nicht gemäß seinem Arbeitsvertrag beschäftigt worden sein. In einem vergleichbaren Fall haben die Arbeitsgerichte entschieden, dass den Betroffenen Schmerzensgeld gezahlt werden muss. Für seinen weiteren juristischen Kampf braucht Gerald D. auch finanzielle Unterstützung. Die Initiative Arbeitsunrecht will ein Spendenkonto einrichten.

Unter den BesucherInnen des Prozesses war auch ein Mitglied des Stuttgarter verdi-Erwerbslosenauschusses. Allerdings ist der Betrieb nicht gewerkschaftlich organisiert. Betriebsräte gibt. Viele der Menschen, die dem Aufruf zum Prozessbesuch folgten, waren über 50 Jahre alt und konnten sich gut mit den Ausführungen von Gerald D. identifizieren. „Ältere Menschen gelten schnell als Minderleister und werden durch Jüngere ersetzt, die sich alles gefallen lassen“, sagte ein älterer Prozessbesucher. Doch Gerald D. lässt sich durch das Urteil nicht entmutigen. Er hat gegen Eltako eine Schmerzensgeldklage wegen vertragswidriger Beschäftigung eingereicht. Ein erster Gütetermin wurde vor dem Arbeitsgericht Stuttgart für den 10. März anberaumt.

Peter Nowak

Erstveröffentlichungsort:
https://www.labournet.de/express/