Die Bewohner der Holteistraße 19 in Friedrichshain wehren sich gegen ihre drohende Verdrängung

Luxussanierung unerwünscht

Ich wohne 26 Jahre in der Holteistraße 19. Doch in den letzten Wochen habe ich meine Nachbar*innen erst richtig kennengelernt«, meinte Hardy Cantstetter gegenüber nd.

»Wir sind wütend, wir sind laut, weil man uns die Wohnung klaut«, skandieren die Mieter*innen der Holteistraße 19 und 19a bei ihrer Demonstration am Samstag durch Friedrichshain. Trotz der Ferienzeit waren etwa 150 Menschen zusammengekommen. Viele trugen Plakate mit Parolen gegen Verdrängung und für mehr Mieter*innenrechte und Schilder mit der Aufschrift »SOS Holteistraße 19 und 19a«. Die 21 Mietparteien haben vor fünf Wochen erfahren, dass ihr Haus….

….von der Fortis Group gekauft werden soll. Seitdem hat sich der Alltag eines Großteils der Mieter*innen erheblich verändert. Hausversammlungen wurden einberufen, Flugblätter gedruckt und Transparente bemalt. Die Demonstration durch Friedrichshain war der Höhepunkt der Aktivitäten.

»Wir haben uns sofort erkundigt und festgestellt, dass diese Immobilienfirma kein unbeschriebenes Blatt ist«, erklärt Philipp Wachholz, ein Mieter aus der Holteistraße 19, dem »nd«. Paule Harzer, ein weiterer Mieter des Hauses, lobt die gute Kooperation mit Mieter*innen anderer Häuser, die ebenfalls von der Fortis Group gekauft wurden. Dazu gehört etwa die Samariterstraße 8 in Friedrichshain, die sich seit März 2019 ebenfalls gegen drohende Mieterhöhungen von bis zu 300 Prozent wehrt (»nd« berichtete). Auch die Bewohner*innen der Lembachstraße 7 haben Modernisierungsankündigungen mit massiven Mieterhöhungen bekommen, nachdem sie von der Fortis Group gekauft wurde. »Es hat uns sehr geholfen, dass Mieter*innen anderer Häuser schon ihre Erfahrungen mit der Fortis Group gesammelt haben und sich wehren«, erzählt Paule.

Die Mieter*innen fordern den Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg auf, das Vorkaufsrecht wahrzunehmen und so zu verhindern, dass die Fortis Group zum Zug kommt. Bezirksbaustadtrat Florian Schmidt unterstützte in einer kurzen Rede die Anliegen der Mieter*innen. Am kommenden Dienstag werde sich entscheiden, ob der Bezirk sein Vorkaufsrecht in der Holteistraße 19 wahrnehmen könne, erklärte Schmidt. Dann nämlich wird der Antrag des Bezirks beim Senat auf einen finanziellen Zuschuss entschieden.

Schmidt bezeichnete es im Gespräch mit »nd« als sehr ermutigend, dass sich immer mehr Mieter*innen zusammenschließen und gegen Investoren wie die Fortis Group protestieren. »Es gibt für solche Unternehmen kein Recht auf Profit«, erklärte auch die Grünen-Bundestagsabgeordnete Canan Bayram in einer kurzen Rede auf der Demonstration. Auch sie lobte das Engagement der Mieter*innen. Wie es die Hausgemeinschaft verändert, berichtet ein langjähriger Mieter: »Ich wohne 26 Jahre in der Holteistraße 19. Doch in den letzten Wochen habe ich meine Nachbar*innen erst richtig kennengelernt«, meinte Hardy Cantstetter gegenüber »nd«. Die gemeinsamen Diskussionen hätten ein ganz neues Gefühl der Solidarität erzeugt. Das zeigte sich auch nach der Demonstration, als die Mieter*innen der Holteistraße zum Hoffest einluden.