Die Masken mit den traurigen Gesichtern lagen am Donnerstagnachmittag stapelweise auf den Tischen im Hörsaal der Berliner Humboldt-Universität. Sie sollten das Gefühl ausdrücken, das viele wissenschaftliche Mitarbeiter*innen an den Hochschulen angesichts ihrer befristeten Arbeitsverhältnisse haben. «Frist ist Frust»,
lautet das Motto eines Bündnisses von Gewerkschaften, Hochschul- und Studierendengruppen sowie des Netzwerks für «Gute Arbeit in der Wissenschaft». Es hatte zu einem Hearing geladen. Die Kampagne «Entfristungspakt 2019» rechnet sich gute Chancen aus, in die aktuellen Verhandlungen um den Hochschulpakt ihre Forderungen nach entfristeten Arbeitsplätzen im Wissenschaftsbereich einzubringen. Andreas Keller vom GEW-Vorstand und Matthias Neis, der bei der ver.di-Bundesverwaltung für Hochschule und Bildung zuständig ist, nahmen entschieden gegen «das Befristungsunwesen» Stellung.
Hanna Hilbrandt von der Initiative «Gute Arbeit in der Wissenschaft» benannte die Folgen der Befristung für die Betroffenen und sprach die Zunahme gesundheitlicher Problemen an. «Berufliche Perspektiven sind für die Vereinbarkeit von wissenschaftlicher Karriere und privater Lebensplanung zwingend notwendig. Ronja Hesse vom freien Zusammenschluss der Student*innenschaften ging auf die Folgen der Befristungen für die Kommiliton*innen ein. So sei es für sie oft schwierig, Lehrende für die Prüfungen zu finden, weil sie die Hochschulen so schnell verlassen müssen. Das führe gerade bei Studierenden, die sich noch nicht so gut im Hochschulalltag auskennen, zu Frust und Studienabbrüchen. Mechthild Koreuber vom Vorstand der Bundeskonferenz der Frauen- und Gleichstellungsbeauftragen an Hochschulen wies darauf hin, dass Frauen besonders häufig von den Befristungen betroffen sind. Das hindere sie oft an Hochschulkarrieren. Koreuber wünschte sich von den Gewerkschaften mehr Unterstützung beim Kampf um Geschlechtergerechtigkeit an den Hochschulen. Sabine Berghahn, die an verschiedenen Hochschulen Jura und Politikwissenschaft gelehrt hat, vertrat beim Hearing die »Initiative der Privatgelehrten«. Sie stellte sich als Wissenschaftlerin vor, die immer wieder befristete Stellen erhielt. Wer dazwischen längere Pausen hat, stehe beim Gehalt wieder auf der untersten Stufe. Das mache sich später bei der Rente bemerkbar. Berghahn kennt Kolleg*innen, die mit Hartz IV aufstocken müssen.
Ihren Ausführungen stimmte auch der Medienwissenschaftler Thomas Klein zu, der zurzeit eine Gastprofessur in Hamburg innehat. Auch er hat sich außerhalb der Hochschulen ein zweites berufliches Standbein geschaffen. Die Ausführungen beim Hearing machten deutlich, dass die Forderung nach Lohnarbeit, von der man leben und nicht nur überleben kann, auch in der Wissenschaft sehr aktuell ist. Das zeigte sich auch bei der Diskussion im Anschluss an das Hearing. Der Vertreter eines universitären Personalrates fragte an, wo er das Entfristungsbündnis unterstützen könne. Auch ein junger Kulturwissenschaftler von der TU-Berlin erklärte, dass er mit Kolleg*innen schon lange nach Möglichkeiten suche, sich gegen die Befristungen zu wehren und begrüßte das Bündnis.
In den nächsten Wochen müsse es jetzt darum gehen, sich mit weiteren Gruppen und Initiativen zu vernetzen, die bereits an den Hochschulen aktiv sind, betonten Keller, Neis und Hilbrandt. Sie sollen sich unter dem Motto Entfristungsbündnis zusammenschließen. Zudem hat das Bündnis die Petition »Frist ist Frust« gestartet, für die noch Unterschriften gesammelt werden. Sie sollen den Druck auf den Bundesrat erhöhen, der nach den aktuellen Planungen dem Hochschulpakt am 3. Mai in Berlin zustimmen soll. An diesen Tagen soll es auch zu Protesten der Wissenschaftler*innen kommen.