Was soll eine VS-Beobachtung der AfD bringen?

Viele AfD-Gegner sind keineswegs darüber erfreut, dass der VS Teile der Partei zum Prüffall erklärt hat

„Eine Partei unter Beobachtung“ [1] titelte die Zeit, meinte allerdings nicht die AfD sondern die Linke. Der Artikel stammt von 2012. Es scheint, in der aktuellen Debatte etwas in Vergessenheit geraten zu sein, dass…

…die AfD nun wahrlich nicht die erste Partei ist, für die der Verfassungsschutz sich besonders interessiert. Das Beispiel der Linken zeigt auch deutlich, dass die Überwachung einer Partei kein Hinderungsgrund ist, die Regierungsgeschäfte zu übernehmen. Noch immer werden einige Untergliederungen der Linken vom Verfassungsschutz beobachtet.

Daher ist die Aufregung wenig zu verstehen, die allein die Ankündigung, Teile der AfD zum Prüffall zu machen, in der Partei und bei ihren Gegnern ausgelöst hat. Da wird in der Wochenzeitung Kontext noch einmal ausführlich referiert [2], was der Verfassungsschutz über verschiedene AfD-Politiker zusammengetragen hat. Nur hat gerade Kontext immer wieder sehr gründlich nach den Rechten gesehen und dabei juristische Probleme in Kauf nehmen müssen [3]. Zeitungen wie Kontext brauchen doch wahrlich nicht den Verfassungsschutz, um über die Rechten informiert zu sein.

Keine geheimdienstliche Aufklärung nötig, um AfD als rechts zu erkennen

Auch der Publizist Rolf Gössner [4] wurde jahrzehntelang, wie mittlerweile bekannt ist, rechtswidrig [5] von Verfassungsschutzämtern beobachtet [6]. Sein Kommentar [7] zum Prüffall AfD ist eindeutig:

Was soll bei diesem Prüffall herauskommen? Reicht es nicht, Hetztiraden und offen menschenverachtende Texte von AfD-Vertretern zu sichten und angemessen zu reagieren? Bedarf es dazu wirklich geheimdienstlicher Aufklärung? Zudem soll die AfD nun ausgerechnet von einem Amt strenger ins Visier genommen werden, dessen Expräsident noch vor kurzem AfD-Politiker vertraulich über Verfassungsschutz-Erkenntnisse informierte, sie gar beraten haben soll, wie die Partei eine Beobachtung vermeiden kann – und dann bezweifelte er auch noch fremdenfeindliche Ausschreitungen in Chemnitz, rassistische Hetze und Angriffe auf Migranten. Schon vergessen?
Rolf Gössner

Auch die meisten Politiker der Linkspartei sprechen sich gegen geheimdienstliche Aufklärung der AfD [8]aus.

Dass der Verfassungsschutz die AfD jetzt bundesweit ins Visier nehmen will, halte ich angesichts der bisherigen Rolle dieses rechtslastigen Inlandsgeheimdienstes als Beschützer und Förderer neofaschistischer Strukturen nicht für zweckdienlich. Zu befürchten ist, dass demnächst V-Leute des Geheimdienstes in die AfD eingeschleust werden, die wie schon früher bei der NPD nicht zur Aufklärung, sondern zur Stärkung und weiteren Radikalisierung der Partei beitragen. Der Verfassungsschutz ist als unkontrollierbarer Geheimdienst ein Fremdkörper in unserem demokratischen Rechtsstaat. Er ist selbst Teil des Problems und gehört in dieser Form aufgelöst.Ulla Jelpke, Die Linke

AfD soll durch VS anschluss- und koalitionsfähig werden

Tatsächlich greift der Verfassungsschutz schon durch die Erklärung, Teile der AfD zum Prüffall zu erklären, in das Parteigeschehen ein, wie die hektischen Reaktionen innerhalb der Rechtspartei zeigen. Da spricht bei vielen Vertretern der konformistischen Revolte die Angst heraus, von einer Behörde tatsächlich als Gegner der Verfassung bezeichnet zu werden.

Umgekehrt verfolgt das Agieren des Verfassungsschutzes einen klaren Zweck. Die Partei soll sich als anschluss- und koalitionsfähige rechtskonservative Kraft beweisen und so im Sinne der herrschenden Ordnung dienlich sein. Dieser Aspekt kommt bei der kritischen Diskussion um den Prüffall AfD oft zu kurz.

Auffällig ist auch, dass in dem Gutachten des VS, das den Prüffall AfD begründen soll, bei den Politikern der Rechtspartei Zitate inkriminiert werden, die bei Politikern anderer Parteien unbeanstandet auch schon getätigt wurden. Auch die vom VS inkriminierten Zitate über den Islam könnten auch von nichtrechten Islamkritikern stammen. Und, wenn noch das den NS relativierenden Höckezitate in dem Bericht erwähnt werden, sollte nicht vergessen, werden, dass F.J.Strauß schon vor 50 Jahren gesagt [9] hat:

Ein Volk, das diese wirtschaftlichen Leistungen erbracht hat, hat ein Recht darauf, von Auschwitz nichts mehr hören zu wollen!F.J.Strauß

Es fänden sich noch viele andere Zitate des CSU-Politikers, die nach dem Kriterien, die der VS auf die AfD anwendet, zum Prüffall Franz Josef Strauß hätte führen müssen. Entsprechend gilt das für viele andere bekannte Politiker. Doch stattdessen wurde Strauß Kanzlerkandidat der Union und auch die anderen Politiker, die so wie heute die AfD reden, machten politische Karriere. Deswegen betont das außerparlamentarische linke Bündnis „Nationalismus ist keine Alternative“ [10], das am Wochenende in Berlin eine Aktionskonferenz [11] abhielt, dass der Kampf gegen die Faschisierung der Gesellschaft nicht bei der AfD haltmachen dürfe:

Die Landtagswahlen im Herbst 2019 könnten den nächsten Wahlergebnis-Höhenflug für die Partei bedeuten, die ihren kommenden Programmparteitag in Dresden abhalten will. Das ist kein Zufall: Die Landeshauptstadt Sachsens ist in den letzten Jahren zu einem Symbol für die fortschreitende Verrohung der Gesellschaft geworden. Sachsen, das ist das Land, wo es zu einem SEK-Einsatz kommt, wenn 500 Antifaschist*innen in Wurzen demonstrieren und wo von Überforderung gefaselt wird, wenn ein Mob wie in Chemnitz durch die Straßen marodiert und Migrant*innen und Linke angreift. Das ist keine Verkettung unglücklicher Zufälle. Es ist Ausdruck einer weitreichenden Verankerung rechter AkteurInnen in den Sicherheitsbehörden. Und auch global setzen sich, etwa in Brasilien, faschistische Politiken weiter durch – ermutigt von den internationalen Finanzmärkten. Österreich und Ungarn führen dabei vor, wie gut Neoliberalismus und Faschismus in einer „illiberalen Demokratie“ zusammenpassen.Erklärung von Nationalismus ist keine Alternative

Daher ist nur konsequent, dass das Nika-Bündnis betont, dass alle Verfassungsschutzämter aufgelöst werden sollen und dass man sich daher nicht darüber freue, dass es die AfD zum Prüffall gemacht hat. Damit unterscheidet sie sich von der AfD, die den konsequenten Einsatz aller repressiven Staatsapparate gegen ihre Kritiker und Gegner fordert.

In einem kürzlich in den Bundestag eingebrachten Antrag [12] fordert sie das Verbot der linken Internetplattform Indymedia und der Bündnisorganisation Interventionistische Linke [13]. AfD-Gegner, die sich nicht darüber freuen, dass die AfD zum Prüffall des Verfassungsschutzes wurde und sich lieber auf ihre zivilgesellschaftliche Recherche verlassen, engagieren sich nicht nur gegen eine rechte Partei, sondern auch gegen gesellschaftliche Verhältnisse, die rechte Parteien unter welchen Namen auch immer hervorbringen.

Peter Nowak

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Links in diesem Artikel:
[1] https://www.zeit.de/politik/deutschland/2012-01/linkspartei-beobachtung-verfassungsschutz/komplettansicht
[2] https://www.kontextwochenzeitung.de/politik/408/die-aussensicht-der-innensicht-5675.html#
[3] https://www.kontextwochenzeitung.de/medien/384/maulkorb-fuer-kontext-5265.html
[4] https://www.rolf-goessner.de/
[5] https://ilmr.de/2018/verwaltungsgerichtliches-verfahren-dr-rolf-gossner-gegen-bundesrepublik-deutschland-bundesamt-fur-verfassungsschutz
[6] http://www.fr.de/politik/menschenrechtler-im-auge-des-staatsschutzes-a-1523653
[7] http://www.taz.de/!5563407/
[8] https://www.linksfraktion.de/presse/pressemitteilungen/detail/verfassungsschutzbeobachtung-der-afd-ist-nicht-zweckdienlich/
[9] https://www.zeit.de/1988/41/worte-von-franz-josef-strauss/seite-3
[10] https://nationalismusistkeinealternative.net/
[11] https://nationalismusistkeinealternative.net/18-20-01-nika-konferenz-how-we-win/
[12] http://dip21.bundestag.de/dip21/btd/19/070/1907040.pdf
[13] https://www.bundestag.de/dokumente/textarchiv/2019/kw03-de-linksextremismus/587350