In Dänemark haben die Wähler einer stärkeren Kooperation bei der Sicherheitspolitik eine Absage erteilt
Der Deutschlandfunk-Kommentator Björn Dake wusste natürlich schon einen Tag nach dem „Nein“ dänischer Wähler zu einer verstärkten EU-Zusammenarbeit in der Justiz- und Innenpolitik, dass die Gegner einer stärken Kooperation eigentlich gar nicht bei Sinnen waren.
„Die Angst regiert in Dänemark“, lautet sein Kommentar [1]. Dort versteigt er sich auch zu der nicht belegten These, dass die Wähler gar nicht genau wussten, worüber sie abstimmen. Zudem sei das Ergebnis vielleicht gar ein Unfall. Da kann man schon fragen, ob ein solches, nicht geplantes Ergebnis vielleicht durch eine erneute Abstimmung wieder korrigiert werden soll?
Es ist nicht das erste Mal, dass EU-kritische Abstimmungen auf diese Weise von Medien und EU-Politikern kommentiert werden. Und es wäre nicht das erste Mal, dass die Wahl dann auch tatsächlich wiederholt wird, auf dass sie EU-konform ausfällt.
Demokratie und Offenheit oder mehr Abschottung?
Beim dänischen Referendum hatten 53,1 % der Abstimmenden eine weitere Kooperation mit der EU auf dem Justiz- und Innenpolitiksektor abgelehnt. Nicht nur die rechtspopulistische Dänische Volkspartei [2], sondern auch die linke Einheitsliste [3], die mit Demokratie und Offenheit für die Ablehnung von mehr EU-Kooperation warb [4], kann sich nach dem Ergebnis als Sieger sehen. Wie immer bei Referenden bleibt am Ende offen, ob die Stimmen, die für ein offenes und tolerantes Dänemark mit Nein votierten, den Ausschlag gaben oder diejenigen, die damit das Land stärker abschotten wollten.
Aber allein, dass eben mit völlig unterschiedlichen Argumenten für eine Ablehnung geworben wurde, ist ein starkes Indiz dafür, dass es zu einer politischen Auseinandersetzung gekommen ist und die Abstimmenden sehr wohl wussten, warum sie dafür oder dagegen stimmen. Dass noch vor einigen Monaten in Umfragen die Befürworter einer engeren EU-Kooperation die Mehrheit hatten, spricht auch für diese These.
Schließlich handelt es sich bei dem Thema über das abgestimmt wurde, nicht um ein politisches Gebiet, mit dem man sich besonders häufig im politischen Alltag beschäftigt. Erst durch das Referendum kamen die Pro- und Contra-Argumente auf die Tagesordnung. Die Menschen, die zur Abstimmung gegangen sind, werden sich also genauer damit befasst haben und dann ihre Entscheidung getroffen haben. Dabei hat es beim Kampf um die Argumente durchaus das Schüren von Angst gegeben. Doch dafür waren eher die Befürworter einer engeren Zusammenarbeit mit der EU verantwortlich.
Das Pro-Lager behauptete auf Plakaten, dass die Gegner faktisch die Unsicherheit erhöhen würden. Die Terrorgefahr würde wachsen, wenn die Kooperation mit der EU und den EU nicht verbessert werde. So könnte man das Ergebnis auch so interpretieren, dass diese Angstkampagne gerade nicht gezogen hat, dass selbst nach den Anschlägen von Paris und dem allgemeinen Gefühl der Unsicherheit die Mehrheit der Abstimmenden nicht überall dort zustimmten, wo mehr Sicherheit versprochen wird.
Zudem ist es für Kritiker einer Politik wachsender Überwachung und Kontrolle [5] kein Grund zur Trauer, wenn in Dänemark eine engere Kooperation mit dem Projekt Europo [6]l abgelehnt wurde. Sogar die Frage, ob Dänemark jetzt weiter Mitglied des Europols bleiben kann, ist noch offen.
Das rechte Nein zur engeren EU-Kooperation wird als Zeichen der Abschottung interpretiert. Doch, wenn von liberaler Seite betont wird, dass damit die EU-Flüchtlingspolitik abgelehnt wird, muss man doch erst mal fragen, worin die denn besteht. Bedeutet die nicht zum großen Teil ebenfalls Abschottung, was die Statements von EU- Ratspräsident Donald Tusk [7] ebenso zeigen, wie die Tatsache, dass in diesen Tagen hunderte Geflüchtete, die im EU-Raum unerwünscht sind, an der griechisch-mazedonischen Grenze festsitzen und auch mit Gewalt am Übertreten gehindert [8] werden.
Wenn also auch bei der Abstimmung ein Gegensatz zwischen der dänischen Politik der Abschottung gegen eine angeblich flüchtlingsoffene EU-Politik gesetzt wird, dann ist das pure Ideologie, die aber in diesen Wochen Konjunktur hat.
Gefühlte EU-Krise wächst
In der Praxis wird sich wenig ändern, schließlich hat die Mehrheit der Dänen für den Status Quo gestimmt. Doch die dänische Minderheitenregierung und die sie tragenden Parteien sowie die dänischen Sozialdemokraten, die sich massiv für ein Ja beim Referendum eingesetzt haben, sind desavouiert. Und die EU-Gremien müssen wieder einmal konstatieren, dass Gegenwind nicht nur aus den ost- und südeuropäischen Ländern kommt.
So wächst die gefühlte EU-Krise und schon wird von EU-Befürwortern sorgenvoll auf das geplante Referendum in Großbritannien geschaut. Dort geht es schließlich um mehr als um eine Abstimmung über eine engere Kooperation eines kleinen Landes auf dem Gebiet der Justiz- und Innenpolitik, sondern um den Austritt eines wichtigen Landes. Ein Nein könnte tatsächlich die politische Landschaft in Europa verändern und ein „Weiter so“ wie bisher wäre dann nicht mehr denkbar.
http://www.heise.de/tp/news/So-wenig-EU-wie-moeglich-3032938.html
Peter Nowak
Links:
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