Ausgenutzt und ausgebeutet

Junge Spanier in Deutschland kämpfen gegen Knebelverträge und miese Arbeitsbedingungen in der Pflege

Tausende junge gut ausgebildete Spanier hat die Wirtschaftskrise ins Ausland getrieben. Aber auch in Deutschland erwarten sie miese Arbeitsbedingungen. Jetzt wehren sie sich.

Deutsche Pflegeheime und Krankenhäuser werben seit Jahren ihr Fachpersonal im Ausland an. Geschah dies zunächst in Polen oder Bulgarien, hat sich durch die Wirtschaftskrise im Süden Europas eine neue Quelle aufgetan. In Spanien sind 55 Prozent der jungen Leute arbeitslos. Sie warten nur darauf, endlich einen Job zu finden, von dem sie leben können. Tausende sind mit dieser Hoffnung in den vergangenen Jahren nach Deutschland gekommen.

Doch die Realität sieht oft anders aus, wie die im Pflegebereich arbeitende Mayte Marin gegenüber »nd« berichtet. »Wir müssen 12 bis 14 Tage ohne Pause arbeiten und bekommen bis zu 40 Prozent weniger Lohn als deutsche Kollegen«, erzählt die Krankenpflegerin. Sie müssten dabei auch Aufgaben übernehmen, die nicht in ihren Arbeitsverträgen stehen, wie die Wohnung saubermachen, den Einkauf erledigen, den Hund ausführen.

Marin hat mit einigen Kollegen die Grupo de Acción Sindical (GAS) gegründet, was »Gruppe gewerkschaftliche Aktion« heißt. Sie ging aus der Versammlung der 15-M-Bewegung in Berlin hervor. Viele der Aktivisten hatten sich zuvor schon in Spanien in der Bewegung der »Empörten« engagiert. Wie in Spanien versuchte die Bewegung auch hierzulande, öffentliche Plätze zu besetzen, widmete sich dann aber der Organisierung in der Arbeitswelt. Fast jeden Tag bekommen sie inzwischen Anrufe aus verschiedenen Orten in Deutschland.

Ein Schwerpunkt der Gruppe liegt darauf, Kollegen über ihre Rechte und Widerstandsmöglichkeiten zu informieren. »Weil sie manchmal die Sprache nicht genug beherrschen und aus einem Land mit einer hohen Arbeitslosigkeit kommen, fällt es ihnen oft schwer, sich über ihre Arbeitsbedingungen zu beschweren«, beschreibt Marin die Situation.

Die Gruppe kämpft auch gegen die Vertragsstrafe, die Pflegekräfte aus anderen Ländern bezahlen müssen, wenn sie ihren Arbeitsplatz vorzeitig wechseln wollen. Sie kann bis zu 12 000 Euro betragen. »Die Strafe bringt uns um«, lautet daher das drastische Motto der aktuellen Kampagne von GAS.

Dominique John, der beim DGB das Projekt Faire Mobilität betreut, unterstützt die Gruppe. Er hat die Broschüre »Wissen ist Schutz« in spanischer Sprache herausgegeben, die Arbeitsmigranten in Spanien und Deutschland über ihre Rechte informiert. Zusammen mit der Dienstleistungsgewerkschaft ver.di haben sie im Juni 2014 eine Veranstaltung für das Fachpflegepersonal aus Spanien organisiert. »Dort wurde auch das Problem mit den Knebelverträgen besprochen«, erklärt John gegenüber »nd«. Obwohl die Beschäftigen durch die Verträge unter Druck gesetzt werden, seien diese rechtlich schwer zu knacken, bedauert er. Daher begrüßt es John, dass die Kollegen die Verträge politisch bekämpfen wollen.

Auch der für den Fachbereich Gesundheit und soziale Dienstleistungen bei ver.di zuständige Gewerkschaftssekretär Kalle Kunkel spricht von einer vertrauensvollen Zusammenarbeit mit der migrantischen Gruppe. Im Kampf gegen die Knebelverträge habe man die gleiche Position. »Wir lehnen sie ab und gehen politisch und, wo es möglich ist, auf betrieblicher Ebene dagegen vor.« Außerdem kämpfe ver.di überall, wo man stark genug sei, für Tarifverträge. »Der einzige wirklich wirksame Schutz gegen ungleiche Bezahlung«, wie Kunkel gegenüber »nd« betont. Vergangenen September hatte ver.di gemeinsam mit Pflegekräften aus verschiedenen europäischen Ländern eine Kundgebung für bessere Arbeitsbedingungen, höhere Löhne und eine Aufhebung der Knebelverträge vor dem Bundesgesundheitsministerium organisiert.

www.neues-deutschland.de/artikel/963953.ausgenutzt-und-ausgebeutet.html

Peter Nowak