Vaterlandslose Gesellen

Peter Nowak über Repressionsmaßnahmen in der Krise

„Linke Chef marschiert mit Anti-Merkel-Mob“, titelte eine Berliner Boulevardzeitung unter einem Foto, dass Bernd Riexinger während des Merkelbesuchs auf einer Kundgebung in Athen zeigt. Damit machte es deutlich, was es von denen hält, die es wagen, im deutschen Hinterhof gegen den von Merkel und Co. diktierten Verarmungskurs auf die Straße zu gehen. Die alte Bezeichnung für deren deutschen Kollaborateure holt der Chef vom Dienst bei der Stuttgarter Zeitung mit dem Namen Joachim Volk aus der deutschnationalen Mottenkiste. „Mit dem links-linkischen Riexinger tritt erstmals der Chef einer deutschen Oppositionspartei als vaterlandsloser Geselle im Ausland auf.“ Dabei hatte der nicht einmal Gelegenheit, seinen Landesverrat zu vollenden und mittels einer Ansprache „Vorurteile und Ressentiments gegen die deutschen Sparforderungen zu schüren“.
Da bis auf die Kundgebung sämtliche Demonstrationen während des Merkel-Besuchs in der Athener Innenstadt verboten waren und 6000 schwerbewaffneten Polizisten zur Durchsetzung bereit standen, mussten alle eingeplanten Redebeiträge ausfallen. Viele Teilnehmer konnten sich an den letzten Herbst erinnern, als der Massenprotest der Bewegung der Empörten in Griechenland enorm angewachsen war. „Als diese Bewegung dann durch die Unterdrückung des Staates zerschlagen wurde, herrschte fast schon Krieg. Es kamen viele Tonnen Chemikalien zum Einsatz“, erinnert sich der griechische Linkspolitiker Alexis Tsipras. Damit liegt Griechenland voll im europäischen Trend. Die politische Repression gehört in allen europäischen Ländern zu den Begleiterscheinungen politischer Bewegungen. Aktuell sind vor allem die unterschiedlichen Krisenproteste davon betroffen.
In Spanien nehmen Polizei und Justiz Gewerkschaften und Oppositionsbewegungen seit Monaten in den Zangengriff. So wurden Demonstranten, die sich am 25. September an den Krisenprotesten in Madrid beteiligen wollten, bei der Anreise im Bahnhof Atocha von Polizisten schwerverletzt. Bereits nach dem landesweiten Generalstreik am 29. März wurden in ganz Spanien gewerkschaftliche Aktivisten unter dem Vorwurf festgenommen, sich an Akten des „öffentlichen Vandalismus“ beteiligt zu haben. Unter diesen Gummibegriff fällt die Teilnahme an einer Demonstration ebenso wie die aktive Durchsetzung eines Streiks.
Passiert so etwas in Moskau, gilt es hiesigen Medien und Politikern als Beweis, dass die europäischen Werte unter Putin nicht gedeihen können. In Frankfurt, Madrid und Athen werden die Maßnahmen realitätsgerechter von der Justiz und vielen Medien als notwendig für das reibungslose Funktionieren von EZB und Geschäftswelt verteidigt. Nur der Anti-Merkel Mob und einige vaterlandslose Gesellen erheben dagegen Einspruch.
http://www.konkret-magazin.de/hefte/aktuelles-heft/articles/das-neue-heft-946.html

aus Konkret, 11/2012
Peter Nowak