Pannen und Boykott

Datenschützer ziehen Bilanz über die Volkszählung im letzten Jahr

Die Zensus 2011 genannte Volkszählung ist im öffentlichen Bewusstsein längst vergessen und auch die Medien haben längst andere Themen entdeckt. Manche linken Aktivisten erinnern sich vielleicht wehmütig an die große Anti-Volkszählungsbewegung in der BRD der 80er Jahre des letzten Jahrhunderts. Damals beschäftigte das Thema Gerichte, Gesellschaft und Politik über Jahre.

Doch die Bilanz, die der Arbeitskreis (AK) Zensus, eine im Mai 2010 unter dem Dach des Arbeitskreises Vorratsdatenspeicherung gegründete Bürgerinitiative, jetzt vorgelegt hat, zieht eine für die Kritiker positive Bilanz.

Anfang November 2011, sechs Monate nach dem Stichtag der Volkszählung „Zensus 2011“ hatten nach Auskunft der Behörden noch rund 400.000 Haushaltsbefragte keine Antworten gegeben und beinahe 4 Millionen ausgesendete Fragebögen der Gebäude- und Wohnungszählung waren noch nicht zurückgeschickt worden. „Es gibt also trotz allerlei anderslautender Bekundungen ein nicht zu unterschätzendes Verweigerungspotential der Bevölkerung gegenüber den per Gesetz verankerten Auskunftspflichten“, schreibt der AK Zensus.

Erzwingungshaft angedroht

Nach Angaben des Datenschutzexperten Werner Hülsmann, der den Zensus mit einer Klage verhindern wollte, hätten die Landesstatistikämter mittlerweile Zwangsgelddrohungen an die Volkszählungsmuffel verschickt. In einigen Bundesländern seien die Briefe bereits im November 2011, in anderen in den letzten Tagen rausgegangen.

Das angedrohte Zwangsgeld beträgt mit den anfallenden Amtsgebühren 406 Euro, kann aber bei konsequenter Weigerung an der Volkszählung teilzunehmen, mehrmals vollstreckt werden. In Berlin sei bereits mit der Verhängung von Ersatzzwangshaft gedroht worden. Hülsmann hält eine Vollstreckung allerdings für extrem unwahrscheinlich, weil sie nach juristischen Gesichtspunkten unverhältnismäßig sei.

Wegen einer Panne könnten in Hamburg und Schleswig-Holstein verschickte Zwangsgeldandrohungen aus juristischer Sicht haltlos sein. In den förmlichen Zustellungen forderten die Behörden mit Nachdruck auf, „den mit diesem Schreiben übermittelten Fragebogen“ unbedingt zu beantworten. Doch dem Schreiben lag kein Fragebogen bei, berichteten Betroffene dem AK Zensus.

Pannen hat es nach Ansicht der Datenschützer auch beim Ablauf der Befragung in zahlreichen Bundesländern gegeben. So monierte die hessische Landesdatenschutzbehörde erhebliche Mängel bei der praktischen Umsetzung der Volkszählung. Amtsräume, die für die Durchführung der Volkszählung genutzt wurden, seien unbesetzt gewesen, während die Tür offen stand. Rechner seien widerrechtlich ans Internet angeschlossen gewesen, Software falsch installiert gewesen.

Das hessische Datenschutzamt spricht allerdings lediglich von kleinen Fehlern bei der Durchführung. „Dass die hessische Landesdatenschutzbehörde die gravierenden Vorfälle zu bagatellisieren versucht, ist für mich völlig unverständlich“, meint dagegen Michael Ebeling vom AK Zensus. Er vermutet in den bekannt gewordenen Pannen „nicht mehr als nur die Spitze des Eisbergs“. Schließlich seien in einigen Bundesländern, beispielsweise in Niedersachsen, keine Überprüfungen durchgeführt worden.
http://www.heise.de/tp/blogs/8/151332
Peter Nowak