Banken in die Schranken

Am Wochenende wird zum symbolischen Massenprotest aufgerufen, zahlreiche Wissenschaftler fordern eine andere EU-Wirtschaftspolitik

Um die Occupy-Bewegung ist es zumindest in Deutschland ruhig geworden. Dabei gibt es durchaus noch Menschen, die auch bei der spätherbstlichen Witterung weiter draußen campen wollen. In Berlin haben sie erreicht, ihre Zelte sogar näher an das Zentrum der Macht zu rücken. Während sie in den letzten Wochen auf der Wiese im toten Winkel von Berlin-Mitte campierten, haben sie jetzt ihre Zelte am Bundespressestrand im Regierungsviertel aufgestellt. Bis Ende November können sie wohl bleiben.

Doch wenn sie auch noch so trotzig auf ihrer Webseite behaupten: „Wir sind die 99 %“, so könnte man in der Zahlengabe ohne das Prozentzeichen noch eine gewisse Annäherung an die Realität erkennen. Mit Meditationen für ein friedvolles Wirtschaftssystem scheint die spirituelle Fraktion langsam die Oberhand zu bekommen. Über einen Zelt steht ein Schild mit der Aufschrift: „Dominik und Saskia sind empört.“

Viel Symbolik, wenig Inhalt

Am kommenden Samstag dürfte es für die Camper noch einmal ein Protest-Highlight geben. Die globalisierungskritische Organisation Attac und die NGO Campact rufen bundesweit zu einer Umzingelung des Berliner Regierungs- und des Frankfurter Bankenviertels auf. Mit mehreren zehntausend Menschen wird gerechnet. Mittlerweile haben auch der DGB, verschiedene Einzelgewerkschaften, Umweltgruppen, die Grünen und die Linkspartei aufgerufen.

Die symbolische Aktion im am Samstag leeren Regierungs- und Bankenviertel soll der Höhepunkt der neuen Krisenproteste sein, die in Deutschland wesentlich später als in anderen europäischen Ländern in Gang kamen und auch mit der Occupy-Bewegung wenig zu tun haben. Allerdings wird dieser Begriff jetzt gerne verwendet und unter Plakate und Aufrufe gesetzt, weil er mittlerweile als Platzhalter für weltweit völlig unterschiedliche Protest- und Widerstandsformen benutzt wird.

Inhaltlich geht der Aufruf zur Bankenumzingelung nicht die über die Forderungen hinaus, die mittlerweile in allen Parteien diskutiert werden. „Das Wohl der Menschen, nicht der Unternehmen muss wieder im Mittelpunkt der Politik stehen“, heißt einer der Sätze, denen kaum jemand widersprechen wird. Auch dass Großbanken in kleinere Einheiten aufgeteilt und das Investmentbanking von anderen Kreditgeschäften getrennt werden sollen, wird mittlerweile sogar unter konservativen Ökonomen diskutiert. So ist eigentlich unklar, gegen wen mit der Aktion Druck ausgeübt werden soll. Zumal in dem Aufruf jeder Verweis auf das Machtgefälle innerhalb der EU-Staaten fehlt. Dass dabei nicht abstrakt Banken, sondern wirtschaftlich einflussreiche Länder wie Deutschland massiven Druck auf Staaten wie Griechenland und Italien ausüben, wird nicht erwähnt .und folgerichtig auch nicht kritisiert.

Zurück zur Sozialdemokratie der 70er Jahre?

Da ist eine Stellungnahme zur Krisenpolitik der EU konkreter, die von zahlreichen Wissenschaftlern unterschrieben wurde:

„Die von der EU verordneten Kürzungsprogramme haben in den betroffenen Ländern das Gegenteil von dem bewirkt, was sie erreichen sollten. Nicht nur die Wirtschaftskrise wurde verschärft, sondern auch noch die Schuldenkrise selbst. Die betroffenen Länder werden systematisch in die Rezession getrieben. Schuldenbremsen und Stabilitätsversprechen sind in einer solchen Situation reine Augenwischerei.“

Das ist ein Verriss der EU-Politik gegen Länder wie Griechenland und Italien. Für die Unterzeichner steht die EU vor der Alternative, entweder auseinander zu fallen oder eine Wirtschaftspolitik zu betreiben, die eine Abkehr von den Dogmen des Ordoliberalismus bedeutet. Neben einer Transaktionssteuer und Kapitalkontrollen werden auch die Einführung eines Mindestlohns und eine Entschuldung gefordert.

Das Programm liest sich wie ein Regierungsprogramm der Sozialdemokraten der 70er Jahren, als Reformen noch mit der Verbesserung der Lebensverhältnisse der Mehrheit der Menschen und nicht mit weiteren Kürzungen und Belastungen assoziiert wurden.

http://www.heise.de/tp/blogs/8/150804

Peter Nowak


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