Jeff Bezos bekommt ein Feedback

AktivistInnen laden zum Protest gegen den Arbeitgeber Amazon. Anlass: der Springer Award für CEO Bezos

Für den 24. April rufen linke Gruppen, soziale Initiativen und Gewerkschaften zu Protesten vor dem Springer-Haus in Kreuzberg auf. Es handelt sich aber nicht um ein APO-Revival nach 50 Jahren: Der Unmut richtet sich gegen die Verleihung des Springer Award 2018 an Amazon-Chef Jeff Bezos, dem auch die Washington Post gehört.
„Mit der Auszeichnung würdigt Axel Springer sein visionäres Unternehmertum in der Internetwirtschaft sowie die konsequente Digitalisierungsstrategie der 140-jährigen US-Traditionszeitung“, lässt das Medienhaus verlauten. Das Bündnis Make Amazon Pay (MAP) will den „Abend für Jeff Bezos“ dagegen nutzen, um die schlechten Arbeitsbedingungen, die Tarifflucht und die Gewerkschaftsfeindlichkeit anzuprangern. „Das Zukunftsmodell von Amazon heißt: Keine Tarifverträge, Lohndruck, prekäre Jobs, Arbeitshetze und permanente Überwachung. Das ist nicht unsere Zukunft!“, so MAP-Sprecherin Maria Reschke zur taz. Diese Kritik teilen Beschäftigte an den Amazon-Standorten Bad Hersfeld und Leipzig, die seit Jahren für bessere Arbeitsbedingungen kämpfen. Ein Teil von ihnen kommt mit dem Bus nach Berlin. Bereits um 16 Uhr wollen sich die Amazon-KritikerInnen am Oranienplatz treffen, um zum Springer-Hochhaus zu ziehen. Dort will das Netzwerk Attac um 17.30 Uhr gegen Amazon als Pionier der Steuervermeidung protestieren und Vorschläge für die Schließung der Steuerschlupflöcher vorstellen. Im Anschluss gehört die Bühne Beschäftigen aus verschiedenen europäischen Amazon-Standorten. Der kämpferische Bad Hersfelder Amazon- Betriebsrat Christian Krähling gehört ebenso dazu wie GewerkschafterInnen aus Poznan und Wrocław, die sich ebenfalls seit Jahren für höhere Löhne und gegen Arbeitshetze und Überwachung engagieren. Während die Beschäftigten aus Poznan in der anarchosyndikalistischen Workers’ Initiative organisiert sind, hat in Wrocław die Gewerkschaft Solidarność Einfluss unter den KollegInnen. Motto der Protestaktion: „Feedback für Jeff Bezos“. „Amazon setzt durch regelmäßige Ge- spräche über die Arbeitsleistung Beschäftigte unter Druck, dieses Mal wollen die Beschäftigten Jeff Bezos ein ‚Feedback‘ geben“, sagt Maria Reschke.

Peter Nowak

aus: montag, 23. april 2018 taz

Solidarität über die Oder

Am Donnerstag hat die Krankenschwester Barbara Rosołowska im westpolnischen Gorzow ihren Arbeitsprozess. Sie kämpft für einen regulären Arbeitsvertrag mit vollen Arbeitnehmerrechten. Auch Unterstützer aus Deutschland werden vor Gericht anwesend sein. Sie wollen der klagenden Krankenschwester damit den Rücken stärken. Norbert Kollenda, Gründer der Initiative zur transnationalen Prozessbegleitung, hat vor einigen Wochen einen Aufruf in verschiedenen sozialen Netzwerken lanciert. »Wer kommt am 24.11. mit auf die andere Oderseite?« lautete seine Frage. Norbert Kollenda ist bei Attac aktiv, wo er seit mehreren Jahren Kontakte zu sozialen Bewegungen in Polen geknüpft hat. Die daraus entstandenen Bekanntschaften auch zu aktiven polnischen Gewerkschaftern nutzt er für den Ausbau der grenzenübergreifenden Kooperation und Solidarität.

Barbara Rosołowska wird in ihrem Arbeitskampf von der anarchosyndikalistischen Gewerkschaft Arbeiterinitiative (IP) unterstützt. Auch für ihre KollegInnen ist der Prozess von großem Interesse. Viele der Soloselbständigen müssen in Schichten bis zu 12 Stunden täglich arbeiten und verdienen monatlich 500 bis 800 Euro. Die Auseinandersetzung um die Arbeiterrechte und die Ausstattung der Kliniken dauert bereits mehrere Jahre an. »Es gibt keine einheitlichen Löhne. Fast jede Klinik verhandelt selbst und die verschiedenen Gewerkschaften sind sich über ihre Strategie uneins« beschreibt Kollenda die schwierige arbeitsrechtliche Situation für die Beschäftigten. Die Abwanderung ist daher groß. »Da warten vor den Türen Vermittler aus Westeuropa auf die Absolventen der Pflegeschulen und zwei Drittel der 5000 Studierenden nehmen den Beruf in Polen nicht auf«, berichtet der Attac-Aktivist.

Die Klinik in Kostrzyń an der Oder, in der Rosołowska beschäftigt ist, wurde vor einigen Jahren privatisiert, erklärt Kollenda die Vorgeschichte der juristischen Auseinandersetzung. Damals seien viele Beschäftigte entlassen worden. Diese hätten sieben Jahre auf die ausstehenden Löhne gewartet. Viele Protestaktionen seien durchgeführt worden an denen sich auch Attac-Mitglieder aus Berlin und Umgebung beteiligten. Die polnischen GewerkschafterInnen sehen in der internationalen Beobachtung durch Aktivisten den Grund, warum den Beschäftigten vor sechs Monaten schließlich die ausstehenden Löhne gezahlt wurden. »Ich habe selbst erlebt, dass ausländische Beobachter immer Beachtung der polnischen Medien finden«, begründet Kollenda seine Initiative einer grenzübergreifenden Prozessbeobachtung.

Es ist nicht die einzige transnationale Unterstützung für mehr Arbeiterrechte zwischen Deutschland und Polen. Seit zwei Jahren unterstützt das Amazon-Solidaritätswerk, das Beschäftigte im Arbeitskampf unterstützen will, auch Kolleginnen und Kollegen vom Amazon-Standort Poznan.

Peter Nowak

Der Markt bringt’s nicht

Peter Nowak über das Emissionshandelssystem der EU

»Es ist höchste Zeit, dass das ETS abgeschafft wird«, heißt es auf der kürzlich online geschalteten Homepage scrap-the-euets.makenoise.org. ETS – das ist das Emissionshandelssystem, mit dem die EU einst versprach, ganz marktkonform die Treibhausgasemissionen zu reduzieren. Die Idee, die Industrie durch finanzielle Anreize auf einen klimafreundlichen Weg zu bringen, sei gescheitert, argumentieren die Kritiker und berufen sich auf Statistiken, nach denen die Emissionen aus fossilen Brennstoffen 2011 und 2012 gestiegen sind. Hinter der Website und dem Online-Aufruf stecken zivilgesellschaftliche Organisationen aus Deutschland, Großbritannien, Portugal, Spanien, Frankreich, Italien und den Niederlanden. Ohne den Ausstieg aus dem europäischen Emissionshandel sehen sie inzwischen keine Chance mehr für wirksame Umweltschutzmaßnahmen. Die EU-Gremien hingegen wollen am ETS festhalten. Damit werde eine Wirtschaft subventioniert, die auf fossiler Energie basiert, monieren die Kritiker. Die Zeche würden schon heute die Menschen im globalen Süden zahlen.

Der Aufruf dürfte auch eine Kampfansage an jene Umweltgroßorganisationen sein, die weiter auf Kooperation mit der Industrie setzen. Man fragt sich, ob nicht auch das ein Grund dafür ist, dass aus Deutschland mit Ausnahme von Urgewald bisher kaum Umweltorganisationen auf der Unterzeichnerliste stehen, während etliche linke Gruppen wie das globalisierungskritische Netzwerk Attac dabei sind.

Der Aufruf könnte der Startschuss für eine von Parteien, Wirtschaft und staatlichen Organisationen unabhängige europäische Klimabewegung werden. Nach einer Kampagne zum UN-Klimagipfel in Kopenhagen 2010 hat man davon nicht mehr allzu viel gehört. Mit Naomi Klein unterstützt eine bekannte Theoretikern der globalisierungskritischen Bewegung diese neue Initiative. In ihrem neuesten Buch geht sie mit den Umweltgroßorganisationen wegen deren Kooperation mit der Wirtschaft hart ins Gericht. Den Aufruf zum Ausstieg aus dem ETS begrüßt sie ausdrücklich.

http://www.neues-deutschland.de/artikel/835059.der-markt-bringt-039-s-nicht.html

Peter Nowak

Wie die Kommunen finanziell ausgeblutet werden

Links

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http://www.bertelsmann-stiftung.de/cps/rde/xchg/SID-8E5E29BE-1E5FFAA4/bst/hs.xsl/nachrichten_117698.frhtm

[2]

http://www.bertelsmann-stiftung.de

[3]

http://www.bertelsmann-stiftung.de/cps/rde/xbcr/SID-8E5E29BE-1E5FFAA4/bst/xcms_bst_dms_38670_38671_2.pdf

[4]

http://www.dradio.de/dlf/sendungen/interview_dlf/2222487/

[5]

http://www.gerecht-geht-anders-hessen.de/

[6]

http://www.attac.de/aktuell/kommunen/unterlagen/

[7]

http://www.attac.de/fileadmin/user_upload/Kampagnen/Kommunen/Basispapier%20Einnahmen%20und%20Ausgaben%20der%20Kommunen.pdf

Bloß niemand weh tun

Der Aktionstag des Bündnisses Umfairteilen fordert das Richtige, kommt aber so zahm daher, dass sich Gruppen der außerparlamentarischen Linken nicht recht angesprochen fühlen.

Ein Wohnungsloser, der im Schatten hoher Bürotürme auf einer Bank nächtigen muss. Mit diesem sehr vereinfachenden Motiv mobilisiert die Kampagne Umfairteilen für einen bundesweiten Aktionstag am 29. September. Dann soll in zahlreichen deutschen Städten mit unterschiedlichen Aktionen dafür geworben werden, dass die Vermögenden in Deutschland stärker besteuert werden. Neben der Einführung einer Vermögenssteuer und einer einmaligen Vermögensabgabe gehört der Kampf gegen Steuerflucht und Steueroasen zum knappen Forderungskatalog.

Zum Bündnis gehören neben Attac und dem Kampagnennetzwerk Campact verschiedene Einzelgewerkschaften, Wohlfahrtsverbände, die Volkssolidarität und die Katholische Arbeitnehmerbewegung. Die Forderung nach einer stärkeren Besteuerung der Reichen wird in Zeiten leerer Kassen sicher von einem Großteil der Bevölkerung geteilt. Selbst unter den Millionären gibt es eine Initiative, die für eine stärkere Besteuerung eintritt. Ob der Aktionstag allerdings eine große Resonanz erhält, muss sich noch zeigen. Denn bisher fehlen unter den Unterstützern Sozialdemokraten und Grüne ebenso wie die IG Metall. Das ist bei der inhaltlichen Ausrichtung der Kampagne schwer verständlich. So wird in dem Forderungskatalog kein Wort über die von SPD und Grünen mit eingeführte Schuldenbremse verloren, die immer wieder für Kürzungen im Sozial- und Kulturbereich herhalten muss. In verschiedenen Bundesländern hatten in den letzten Monaten soziale Initiativen und Gewerkschaften vergeblich gegen die Einführung mobilisiert. Auch bei der Höhe der Besteuerung hält sich das Bündnis bedeckt. »In der Diskussion über Vermögensbesteuerung kursieren unterschiedliche Modelle«, heißt es auf der Homepage, wo auf eine Tabelle mit Beispielrechnungen verwiesen wird.

Auch hier gilt also die Devise, bloß niemand verschrecken. Schließlich wurden unter der rot-grünen Regierung die Steuern für Vermögende massiv gesenkt, so dass linke Ökonomen forderten, zum Steuersatz der Zeit von Bundeskanzler Helmut Kohl (CDU) zurückzukehren. Doch selbst zu einer wahrlich nicht besonders radikalen Aussage kann man bei Umfairteilen nichts finden. Im Bemühen, bloß niemand zu verschrecken, haben die Initiatoren nicht berücksichtigt, dass man auch mit zu allgemeinen Aussagen Menschen und Organisationen von der Teilnahme an Kampagnen abhalten kann. So ist auffällig, dass aus dem Spektrum der außerparlamentarischen Linken, die in den letzten Jahren die Krisenprotestaktionen mitorganisiert hat, nur die Naturfreude, Attac und die Nichtregierungsorganisation Medico International im Bündnis vertreten sind, Gruppen aus dem Spektrum der Interventionistischen Linken aber fehlen komplett.

In der letzten Woche forderten bereits Initiativen – darunter Campact und Attac – in einem offenen Brief an die Ministerpräsidenten der Bundesländer, das »Steuer-Amnestie-Abkommen« genannte Vertragswerk mit der Schweiz im Bundesrat zu Fall zu bringen. »Angesichts der aktuellen Diskussion um den Kauf von Steuer-CDs fordert das Bündnis ›Kein Freibrief für Steuerbetrüger‹ Bundeskanzlerin Angela Merkel und Finanzminister Wolfgang Schäuble auf, das Steuerabkommen mit der Schweiz endlich als gescheitert zu erklären«, heißt es dort. Der Schulterschluss mit Rot-Grün und der Verzicht auf jeden kritischen Hinweis auf die populistischen Töne in der Diskussion um die Steueroase Schweiz dürfte die außerparlamentarische Linke eher abschrecken.

Infos: www.umfairteilen.de
http://www.neues-deutschland.de/artikel/236888.bloss-niemand-weh-tun.html
Peter Nowak

Braucht Deutschland andere Banken?

Nichtregierungsorganisationen gehen mit dem scheitenden Chef der Deutschen Bank Ackermann ins Gericht und machen sich Sorgen um das Image der Bankenelite

Die Ära Ackermann ist sozial und ökologisch verheerend. Zu diesem wenig überraschenden Befund kommt das Bündnis „Andere Banken braucht das Land“, die gestern in Berlin ein Dossier vorgestellt haben, in dem sie mit Ackermanns Wirken bei der Deutschen Banken hart ins Gericht gehen. Im Details finden sich sehr prägnante Beispiele für ihren kritischen Befund.

So weist Thomas Küchenmeister von der NGO Facing Finance auf die Rolle der Deutschen Bank im Rüstungsgeschäft hin.

„Allein zu den fünf weltweit größten Waffenherstellern und Exporteuren unterhält die Deutsche Bank Geschäftsbeziehungen in einer Größenordnung von über 3 Mrd. Euro. Die Geschäftsbeziehungen zu Streumunitionsherstellern summieren sich derzeit – und trotz mehrfacher Ausstiegsbeteuerungen seitens der Bank – auf 500 Mio. Euro.“

So gehören zu den Geschäftspartnern der Deutschen Bank auch die Herstellerfirmen des Kampfpanzers Leopard 2, der an Saudi-Arabien geliefert werden soll. Der stellvertretende Geschäftsführer der Verbraucherorganisation foodwatch Matthias Wolfschmidt moniert die PR-Tricks der Deutschen Bank:

„Es ist unredlich, die Absage an neue, börsengehandelte Anlageprodukte auf Basis von Grundnahrungsmitteln als großen Fortschritt zu verkaufen, wenn gleichzeitig die bestehenden Produkte fortgeführt werden und die Hungerkrise in der Welt verschärfen.“

Viele der Kritikpunkte sind nicht neu und trotzdem ist es sinnvoll, sie noch einmal in einem Dossier zusammen zu tragen.

Sehnsucht nach der besseren Bankelite?

Doch auffällig ist, dass das Bündnis teilweise auftritt, als ging es ihm vor allem um das Image der Deutschen Bank. In dem Dossier sehen sie es nämlich durch Ackermann persönlich beschädigt.

„Dem Anspruch, zur weltweit führenden Bankenelite zu gehören, wird Ackermann in keiner Weise gerecht. Im Gegenteil: Oftmals hat die Bank in der Vergangenheit auch Geschäfte getätigt, die bei anderen Finanzinstituten längst auf dem Index stehen.“

Dies moniert beispielsweise Barbara Happe von der Nichtregierungsorganisation urgewald. Die Frage, ob nicht Banken, besonders wenn sie zur Elite gehören wollen, bestimmten systemischen Zwängen unterliegen, die ein Ackermann weder erfinden noch außer Kraft setzen kann, stellt sich dann scheinbar nicht.

Es ist sicher verständlich, dass von einem Bündnis, das schon im Namen den Anspruch trägt, bessere Banken aufbauen zu wollen, keine grundsätzliche Kritik an der kapitalistischen Verwertung erwartet werden kann. Allerdings hätte man schon erwarten können, dass in die Kritik der Gedanke aufgenommen wird, dass es nicht in erster Linie die Fehler einzelner Bankiers, die auch noch populistisch als Zocker beschrieben werden, zu den in den Dossier beschriebenen Fehlentwicklungen beigetragen haben.

Vielleicht werden die Ackermann-Kritiker sich sogar mal zu der Zeit zurück sehnen, als der Namensgeber für das scheinbar perfekte Feindbild sorgte. Auf der Hauptversammlung der Deutschen Bank am kommenden Donnerstag wird er diese Rolle noch einmal ausfüllen.

Das globalisierungskritische Netzwerk Attac lädt zu einem Pressetermin ein. In der Einladung wird die Choreographie so beschrieben:

„Unter einem Banner mit dem Schriftzug ‚Ackermanns Vermächtnis – Jain, lass es sein‘ stehen drei menschliche Statuen. ‚Steuerflucht‘ hält eine Palme in den Händen, sie ist bereits auf dem Weg in Richtung Steueroase; ‚Rüstungsinvestitionen‘, trägt ein Gewehr; und ‚Nahrungsmittelspekulation‘ macht aus Weizenähren lieber Geld als Brot.“

Tatsächlich dürften auch die Aktivisten wissen, dass der von ihnen geforderte Kurswechsel auch nach dem Ende der Ära Ackermann nicht stattfinden wird, solange die inkriminierten Produkte Profite bringen. Zumindest dürfte dann klar werden, dass die Fehler eben nicht in erster Linie bei Ackermann liegen. Nur wird es nicht einfach sein, seine Nachfolger als ebenso große mediale Feindbilder aufzubauen. Das wäre die richtige Zeit für die Kritiker zu überlegen, ob es nicht Zeit für eine weniger personifizierende Bankenkritik wäre und ob sie die Sorgen um das Ranking um die Bankenelite nicht den Aktionären überlassen sollten.
http://www.heise.de/tp/blogs/8/152094
Peter Nowak

Banken in die Schranken

Am Wochenende wird zum symbolischen Massenprotest aufgerufen, zahlreiche Wissenschaftler fordern eine andere EU-Wirtschaftspolitik

Um die Occupy-Bewegung ist es zumindest in Deutschland ruhig geworden. Dabei gibt es durchaus noch Menschen, die auch bei der spätherbstlichen Witterung weiter draußen campen wollen. In Berlin haben sie erreicht, ihre Zelte sogar näher an das Zentrum der Macht zu rücken. Während sie in den letzten Wochen auf der Wiese im toten Winkel von Berlin-Mitte campierten, haben sie jetzt ihre Zelte am Bundespressestrand im Regierungsviertel aufgestellt. Bis Ende November können sie wohl bleiben.

Doch wenn sie auch noch so trotzig auf ihrer Webseite behaupten: „Wir sind die 99 %“, so könnte man in der Zahlengabe ohne das Prozentzeichen noch eine gewisse Annäherung an die Realität erkennen. Mit Meditationen für ein friedvolles Wirtschaftssystem scheint die spirituelle Fraktion langsam die Oberhand zu bekommen. Über einen Zelt steht ein Schild mit der Aufschrift: „Dominik und Saskia sind empört.“

Viel Symbolik, wenig Inhalt

Am kommenden Samstag dürfte es für die Camper noch einmal ein Protest-Highlight geben. Die globalisierungskritische Organisation Attac und die NGO Campact rufen bundesweit zu einer Umzingelung des Berliner Regierungs- und des Frankfurter Bankenviertels auf. Mit mehreren zehntausend Menschen wird gerechnet. Mittlerweile haben auch der DGB, verschiedene Einzelgewerkschaften, Umweltgruppen, die Grünen und die Linkspartei aufgerufen.

Die symbolische Aktion im am Samstag leeren Regierungs- und Bankenviertel soll der Höhepunkt der neuen Krisenproteste sein, die in Deutschland wesentlich später als in anderen europäischen Ländern in Gang kamen und auch mit der Occupy-Bewegung wenig zu tun haben. Allerdings wird dieser Begriff jetzt gerne verwendet und unter Plakate und Aufrufe gesetzt, weil er mittlerweile als Platzhalter für weltweit völlig unterschiedliche Protest- und Widerstandsformen benutzt wird.

Inhaltlich geht der Aufruf zur Bankenumzingelung nicht die über die Forderungen hinaus, die mittlerweile in allen Parteien diskutiert werden. „Das Wohl der Menschen, nicht der Unternehmen muss wieder im Mittelpunkt der Politik stehen“, heißt einer der Sätze, denen kaum jemand widersprechen wird. Auch dass Großbanken in kleinere Einheiten aufgeteilt und das Investmentbanking von anderen Kreditgeschäften getrennt werden sollen, wird mittlerweile sogar unter konservativen Ökonomen diskutiert. So ist eigentlich unklar, gegen wen mit der Aktion Druck ausgeübt werden soll. Zumal in dem Aufruf jeder Verweis auf das Machtgefälle innerhalb der EU-Staaten fehlt. Dass dabei nicht abstrakt Banken, sondern wirtschaftlich einflussreiche Länder wie Deutschland massiven Druck auf Staaten wie Griechenland und Italien ausüben, wird nicht erwähnt .und folgerichtig auch nicht kritisiert.

Zurück zur Sozialdemokratie der 70er Jahre?

Da ist eine Stellungnahme zur Krisenpolitik der EU konkreter, die von zahlreichen Wissenschaftlern unterschrieben wurde:

„Die von der EU verordneten Kürzungsprogramme haben in den betroffenen Ländern das Gegenteil von dem bewirkt, was sie erreichen sollten. Nicht nur die Wirtschaftskrise wurde verschärft, sondern auch noch die Schuldenkrise selbst. Die betroffenen Länder werden systematisch in die Rezession getrieben. Schuldenbremsen und Stabilitätsversprechen sind in einer solchen Situation reine Augenwischerei.“

Das ist ein Verriss der EU-Politik gegen Länder wie Griechenland und Italien. Für die Unterzeichner steht die EU vor der Alternative, entweder auseinander zu fallen oder eine Wirtschaftspolitik zu betreiben, die eine Abkehr von den Dogmen des Ordoliberalismus bedeutet. Neben einer Transaktionssteuer und Kapitalkontrollen werden auch die Einführung eines Mindestlohns und eine Entschuldung gefordert.

Das Programm liest sich wie ein Regierungsprogramm der Sozialdemokraten der 70er Jahren, als Reformen noch mit der Verbesserung der Lebensverhältnisse der Mehrheit der Menschen und nicht mit weiteren Kürzungen und Belastungen assoziiert wurden.

http://www.heise.de/tp/blogs/8/150804

Peter Nowak

Urheberrechtsverletzung oder Suche nach Informanten?

Hausdurchsuchung im Frankfurter Attac-Büro wegen der Veröffentlichung eines Gutachtens zur BayernLB

Die Münchner Staatsanwaltschaft hat am 14. April die Geschäftsstelle der globalisierungskritischen Organisation Attac in Frankfurt/Main von der Polizei durchsuchen lassen.

Laut Durchsuchungsbefehl wird dem Vorstand des Attac-Trägervereins vorgeworfen, mit der Veröffentlichung eines Gutachtens zur BayernLB auf der Attac-Homepage das Urheberrecht verletzt zu haben. Das Gutachten war von der Bayerischen Landesregierung bei der Kanzlei Flick Gocke Schaumburg in Auftrag gegeben, aber nie veröffentlicht worden. Attac hatte es m November letzten Jahres ins Netz gestellt und diesen Schritt mit der Notwendigkeit begründet vor einer Bankenrettung die Ursache der Krise offen zu legen.

„Es darf keine Bankenrettungen geben, ohne die Ursachen und Verursacher der Krise offen zu legen! Wenn Geld von Steuerzahlern eingesetzt wird, muss sich auch die Geschäftspolitik einer Bank ändern“, erklärte Detlev Larcher vom Attac-Koordinierungskreis.

Die Landesbank des Freistaates hatte Milliarden Euro bei einem Übernahmeversuch der österreichischen Bank Hypo Group Alpe Adria sowie der Lehmann-Pleite verloren und konnte nur mit einem staatlichen Rettungsschirm in Höhe von mehr als 31 Milliarden Euro vor der Pleite bewahrt werden. Mit der Verantwortung führender bayerischer Politiker vor allem aus der Ära Stoiber befasste sich ein Untersuchungsausschuss des bayerischen Landtags.

Die Attac-Pressesprecherin Frauke Distelrath zeigte sich im Gespräch mit Telepolis verwundert, dass die Hausdurchsuchung wegen angeblicher Urheberrechtsverletzung erfolgte, aber es bisher keine Forderung an Attac gab, das inkriminierte Gutachten von der Homepage zu entfernen. Zudem hatte Distelrath den Eindruck, dass Ziel der Durchsuchung die Suche nach der Quelle für das Gutachten gewesen ist. Schon kurz nach der Veröffentlichung hatte der CSU-Politiker und Chef der Parlamentarischen Kontrollkommission für die BayernLB Ernst Weidenbusch und Attac mit einer Strafanzeige gedroht. Auch der bayerische Grünen Abgeordnete Eike Hallitzky war über die Veröffentlichung nicht glücklich und befürchtete, dass Konkurrenten der Bayern LP dadurch Informationen bekommen könnten.

 Vielleicht hat die Durchsuchung von Attac auch einen von den Anzeigenstellern nicht beabsichtigten Nebeneffekt, erneute Aufmerksamkeit für die noch heute nicht restlos geklärte Verantwortlichkeit führender Landespolitiker für die Bankenpleite zu wecken, die in den Unterlagen zu finden ist. Schließlich hat das Bayern-Leak bisher bei weitem nicht die Aufmerksamkeit erfahren, die WikiLeaks bekommen hat. Dort sollte der Bericht übrigens ursprünglich veröffentlicht werden.
 http://www.heise.de/tp/blogs/8/149674