Deutsche Justiz bringt Kurden aus verschiedenen europäischen Ländern vor Gericht

Unbedingter Verfolgungswille

Selahattin K. und Serdar Karakoç werden in Deutschland für Aktivitäten angeklagt, die in den Ländern, in denen sie lebten, nicht strafbar sind.

Nach einem in Deutschland ausgestellten Internationalen Haftbefehl und einem Antrag zur Auslieferung wurde der 52-Jährige Selahattin K. am vergangenen Freitag von Italien nach Deutschland überstellt. Die Bundesanwaltschaft wirft dem kurdischen Aktivisten vor, zwischen Januar 2014 und Juli 2015 als »hauptamtlicher Kader« der als terroristisch eingestuften Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) tätig gewesen zu sein. Nach seiner Landung am Frankfurter Flughafen und der Eröffnung des Haftbefehls durch den Ermittlungsrichter des Bundesgerichtshofs brachte ihn die Polizei am Samstag in die JVA Dortmund in Untersuchungshaft. Dasselbe droht …

… dem Kurden Serdar Karakoç. Er lebt seit 24 Jahren als anerkannter politischer Flüchtling in Kerkrade in den Niederlanden und arbeitete dort als Journalist und Lektor, bis er auf Antrag der deutschen Justiz verhaftet wurde. Die Anschuldigung lautet auf Mitgliedschaft in der PKK.

Am 14. Juni hatte ein niederländisches Gericht den Haftbefehl unter Auflagen zunächst außer Vollzug gesetzt. Unter anderem hieß es, dass die gegen Karakoç erhobenen Vorwürfe in den Niederlanden nicht strafbar seien. Die Richter*innen forderten die deutschen Behörden auf, den Fall zu überprüfen. Am 7. August stimmte das niederländische Gericht der Auslieferung schließlich zu. Nach Angaben von Karakoçs Anwalt Yener Sözen erschien dieser nicht zu dem Gerichtstermin, auch sei der Aufenthaltsort des Mannes unbekannt. »Es wird wahrscheinlich europaweit nach ihm gefahndet«, beschreibt Sözen die Situation seines Mandanten.

Für den Anwalt dient die strafrechtliche Verfolgung von Karakoç hauptsächlich der Wahrung außenpolitischer Interessen der Bundesrepublik. »Die BRD legt den Terrorbegriff sehr weit aus. Durch den europäischen Haftbefehl wird diese Auslegung in die übrigen Mitgliedstaaten exportiert«, moniert Sözen und verweist darauf, dass Betroffene nicht einschätzen könnten, ob Handlungen, die sie in einem anderen EU-Land getätigt haben, strafbar sein könnten, wenn sie nach dem Recht des EU-Landes, in dem sie hauptsächlich leben – in diesem Fall den Niederlanden – legal sind.

»Der Umgang der deutschen Justiz mit der kurdischen Bewegung bleibt von einem unbedingten Verfolgungswillen geprägt«, kritisiert auch der Kölner Rechtshilfefonds Azadî. Seit 2022 seien insgesamt sieben Kurden auf Betreiben der bundesdeutschen Justiz im europäischen Ausland festgenommen und an die Bundesrepublik ausgeliefert worden, um sie wegen PKK-Mitgliedschaft anzuklagen. Peter Nowak

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