Rechtes Treffen bei Potsdam: Warum Vorsicht bei der Bildung historischer Parallelen wichtig ist

Falsche Analogien

Tatsächlich gibt es einen viel treffenderen historischen Vergleich für das Potsdamer Treffen: die Harzburger Front. Das Wissen über dieses Treffen von Nazis, Monarchisten, Rechtskonservativen und Kapitalkreisen in der Spätphase der Weimarer Republik ist heute aber weitgehend verschüttet

Das Treffen extremer Rechter im November 2023 in der Villa Adlon am Lehnitzsee in Potsdam hat innenpolitisch für große Aufregung gesorgt. Eine kurzfristige Massenbewegung gegen rechts war eine der Folgen. Für Empörung sorgten vor allem die als »Remigration« verharmlosten rassistischen Pläne einer Massenabschiebung von Menschen aus Deutschland. Schnell sprachen Politiker*innen, aber auch Medien von einer Wannseekonferenz 2.0. Das Mediennetzwerk Correctiv, das das rechte Treffen in Potsdam der Öffentlichkeit bekannt machte, wollte sich …

… diese historische Analogie ausdrücklich nicht zu eigen machen. Tatsächlich sorgte die Bildung dieser historischen Parallele auch bei vielen Antifaschist*innen für Kritik. Denn auf dem Treffen von 15 hochrangigen NS-Funktionären am 20. Januar 1942 wurde der Massenmord an der jüdischen Bevölkerung in Deutschland und den von der Wehrmacht besetzten Ländern koordiniert. Wenn das rechte Geheimtreffen in Potsdam mit der Wannseekonferenz in Verbindung gebracht wird, wird der eliminatorische deutsche Antisemitismus relativiert, monieren die Kritiker*innen dieser Analogiebildung.

Falscher Vergleich

Dieser falsche Vergleich ist auch gar nicht nötig, um die Pläne der Rechten heute zu bekämpfen, die sicher nicht nur in Potsdam besprochen wurden. Tatsächlich gibt es einen viel treffenderen historischen Vergleich für das Potsdamer Treffen: die Harzburger Front. Das Wissen über dieses Treffen von Nazis, Monarchisten, Rechtskonservativen und Kapitalkreisen in der Spätphase der Weimarer Republik ist heute aber weitgehend verschüttet.

Auf Initiative von Alfred Hugenberg, seit 1928 Vorsitzender der rechtskonservativen Deutschnationalen Volkspartei, traf sich am 11. Oktober 1931 im niedersächsischen Bad Harzburg die »Nationale Opposition«, um ihre Geschlossenheit im Kampf gegen die Weimarer Republik zu demonstrieren. Neben der NSDAP, dem Stahlhelm und dem Alldeutschen Verband waren an der rechten Sammlungsbewegung auch der landwirtschaftliche Reichslandbund und rechtskonservative Persönlichkeiten beteiligt. Zu ihnen gehörten der ehemalige Reichsbankpräsident Hjalmar Schacht und General Hans von Seeckt sowie Vertreter von einem Teil des deutschen Kapitals. Das Treffen in Bad Harzburg kann als Blaupause für das Bündnis von Nazis, Rechtskonservativen und Kapital gesehen werden, das am 30. Januar 1933 die Macht in Deutschland übernahm. Vizekanzler wurde damals jener Alfred Hugenberg, der das Treffen in Bad Harzburg wesentlich organisiert hatte.

CDU fein raus?

Bei allen Problemen mit historischen Analogien gibt es neben vielen Unterschieden auch einige Parallelen zum Potsdamer Treffen im November 2023. In dem noblen Hotel trafen sich neben AfD- auch CDU-Mitglieder und parteilose Rechtskonservative. In den meisten Medien wurde von einem Geheimtreffen von extremen Rechten und AfD-Politiker:innen gesprochen, als ob die große Mehrheit der AfD-Politiker:innen nicht selbst extreme Rechte wären. Daher wäre die Formulierung, dass es sich um ein Treffen von extremen Rechten handelte, darunter Mitglieder der AfD, der CDU und der Werte-union, treffender. Es ist auffällig, dass die Teilnahme von CDU-Mitgliedern bei dem Treffen in den Medien kaum berücksichtigt wird, wie auch die Bundestagsabgeordnete der Linken, Martina Renner, auf einer Diskussionsveranstaltung im Bildungsverein Helle Panke in Berlin kritisierte.

Es ist bedauerlich, dass auch die VVN-BdA in ihrem Text »Das Geheimtreffen der Neonazi-Elite – drei historische Analogien«1 auf die Wannseekonferenz rekurriert, aber die Harzburger Front überhaupt nicht erwähnt. Dabei waren es gerade ehemalige Widerstandskämpfer*innen wie Esther Bejarano, Peter Gingold und Emil Carlebach, die in den 1980er-Jahren auf Veranstaltungen der VVN-BdA in der BRD junge Menschen über die Harzburger Front informierten. Ihnen war das Vermitteln der Informationen über dieses Treffen auch deshalb so wichtig, weil sie überzeugt waren, dass die NSDAP nur mit Unterstützung von Rechtskonservativen und Kapitalfraktionen an die Macht kommen konnte. In der Harzburger Front sahen sie einen wichtigen Schritt dahin. Dieses historische Wissen ist auch heute noch wichtig, um Treffen wie in Potsdam richtig einordnen und bekämpfen zu können. Darum ist es auch so wichtig, bei der historischen Analogiebildung genau zu sein.

https://vvn-bda.de/das-geheimtreffen-der-neonazi-elite-3-historische-analogien/

Peter Nowak