Die Umweltzeitung „Der Rabe Ralf“ entstand aus der Oppositionsbewegung der DDR. Jetzt steht sie vor dem Aus und hofft auf neue Abos

Mediales Vogelsterben

„Wenn wir nicht bis Mitte März 2024 neue Finanzierungsquellen erschließen, wird unsere Redaktion geschlossen“, heißt es in dem Aufruf zur Rettung der Zeitung. Johann Thun ist überzeugt, dass nach einer Einstellung nicht nur die Redaktion die Zeitung vermissen würde. Es wäre auch ein Verlust für die Umwelt- und Klimabewegung.

Nein, es handelt sich nicht um die Rettung einer bedrohten Vogelart, wenn der Vorsitzende des Naturschutzbunds Deutschland (Nabu) Leif Miller einen Artikel mit der Überschrift verfasst: „Rettet den Raben Ralf!“ Gemeint ist die …

… gleichnamige Umweltzeitung, die aus finanziellen Gründen akut gefährdet ist. Es ist schon paradox, dass in Zeiten, in der die Klimakrise ein allgegenwärtiges Thema ist, die letzte Umweltzeitung, die noch kostenlos erworben werden kann, womöglich vor dem Aus steht. Damit würde auch eines der wenigen noch bestehenden Medien verschwinden, die aus der DDR-Oppositionsbewegung heraus entstanden sind.

Seit 1990 wird der Der Rabe Ralf von der Grünen Liga herausgegeben, die als „Netzwerk ökologischer Bewegungen“ im Februar 1990 in der DDR gegründet wurde. „Ein wichtiges Ziel war damals die unabhängige Information über Umweltprobleme. Es stellte sich dann bald heraus, dass die freie Verfügbarkeit von Umweltinformationen nicht bedeutet, dass der Schutz der Lebensgrundlagen genügend Aufmerksamkeit bekommt“, beschreibt Matthias Bauer von der aktuellen Rabe-Ralf-Redaktion die Problemstellung der Zeitung.

Aus der Gründungszeit hat er den Charakter als Bewegungszeitung bewahrt. Die Themen werden sechsmal im Jahr auf circa 30 Seiten verhandelt. „Der ,Rabe Ralf‘ hat Ökologie von Anfang an sehr weit gefasst und auch über soziale und ökonomische Fragen und über die Zusammenhänge zwischen diesen Sphären geschrieben“, sagt Bauer.

Lange Artikel über das durch die Tesla-Ansiedlung bedrohte Trinkwasser finden sich neben dem Erfahrungsbericht eines Umweltschützers, der mittels Schenkaktion von Bäumen zur Verbesserung des Stadtklimas beitragen will. Der Infodienst Gentechnik veröffentlicht in dem Blatt regelmäßig Nachrichten zur Gentechnik in der Landwirtschaft. In der Zeitung wurde aber auch die Ökofeministin Maria Mies nach ihrem Tod gewürdigt und auch der peruanische Guerillero und Umweltaktivist Hugo Blanco hat einen ausführlichen Nachruf bekommen. Berichte über Kräuterwanderungen finden sich dort neben Diskussionsbeiträgen, in denen begründet wird, warum es keinen grünen Kapitalismus geben kann.

So dürfte Der Rabe Ralf wohl die einzige Zeitung sein, die Themen des Natur- und Umweltschutzes und der Klimagerechtigkeitsbewegung in einem Blatt verhandelt. „Für uns gibt es keinen Widerspruch zwischen Natur- und Klimaschutz. Viele unserer Au­to­r*in­nen sind allerdings skeptisch, wenn es um die Propagierung von rein technischen Lösungsansätzen geht“, sagt Rabe-Ralf-Redakteur Johann Thun.

Auch auf parteipolitische Unabhängigkeit wird Wert gelegt, was aber nicht heißt, dass man Par­tei­en­ver­tre­te­r*in­nen nicht zu Wort kommen lässt. „Vom linken SPD-Mann über die Aktivistin von Black Earth Berlin bis zum Ökoanarchisten, bei uns können sich alle einbringen – außer den Kli­ma­leug­ne­r*in­nen natürlich, mit denen Diskussionen meistens zwecklos sind“, betont Thun.

Finanzielle Probleme hatte die Zeitung, die sich nur zu einem kleinen Teil über Werbeanzeigen finanziert, von Anfang an immer wieder. Die wurden vor allem stets durch die kostenlose Arbeit von Freiwilligen aufgefangen.

„Ab 2020 ging das aber nicht mehr, weil die Kosten gestiegen sind und die Überlebensbedingungen für kleine Vereine härter wurden. Darauf haben wir nicht rechtzeitig reagiert“, begründet Matthias Bauer die aktuellen Existenznöte der Zeitung. Das Umstellen auf eine reine Internetzeitung kommt für Johann Thun nicht infrage, „weil man auch Menschen erreichen will, die sonst mit Themen wie Umweltschutz, Klima und alternative Bewegungen nicht in Berührung kommen.“

Allerdings wird auch die Internetpräsenz der Zeitung momentan ausgebaut und verbessert. Doch die größte Hoffnung setzt die Redaktion auf eine Spenden- und Abokampagne. Ein Jahresabonnement für sechs Ausgaben kostet 25 Euro. Ein Förderabo kann man für 40 Euro abschließen. Die Zeit ist knapp.

„Wenn wir nicht bis Mitte März 2024 neue Finanzierungsquellen erschließen, wird unsere Redaktion geschlossen“, heißt es in dem Aufruf zur Rettung der Zeitung. Johann Thun ist überzeugt, dass nach einer Einstellung nicht nur die Redaktion die Zeitung vermissen würde. Es wäre auch ein Verlust für die Umwelt- und Klimabewegung. Peter Nowak

Der Artikel fand Erwähnung der mdr-Kolumne „Das Altpapier:

https://www.mdr.de/altpapier/das-altpapier-3462.html#sprung4

+++ Der Umweltzeitung „Der Rabe Ralf“ droht das Ende, berichtet Peter Nowak für die taz. Die Zeitung hofft, das mit einer Abo-Kampagne verhindern zu können.