Lügenpresse, der Begriff ist eindeutig von rechts besetzt. Doch das war nicht immer so. Da muss man nur an die Kampagne „Bild lügt“ erinnern, die über viele Jahre gegen Bild und Springerkonzern agierte. Auch heute ist eine linke Medienkritik dringend nötig. Das merken alle, die regelmässig kritisch den Deutschlandfunk hören. Dort gibt es sicher manche linksliberale Inhalte, die die Rechten Sturm laufen lassen. Doch auch im Deutschlandfunk ist man völlig unkritisch auf Militarismuskurs, nennt noch mehr Waffen an Kiew Solidarität mit der Ukraine und wer die Abschottungspolitik der EU kritisiert gilt als antieuropäisch. Doch es gibt heute anders als noch vor einigen Jahrzehnten wenig linke Medienkritik. Da ist es erfreulich, dass der Soziologe Lukas Meisner im Eulenspiegel-Verlag in einem gut lesbaren Buch für eine neue …
… linke Medienkritik eintritt. Allerdings befassen sich nur ca. 80 der 160 Seiten mit dem Thema Medienkritik. In der ersten Hälfe des Buches geht es um die Frage, wie eine neue Linke aussehen soll. Dabei sind manche von Meisners Überlegungen durchaus interessant.
So hat er schon Wochen vor der Trennung des Bündnis Wagenknecht von der Linkspartei eine fundierte Kritik an beiden Kontrahent*innen der Auseinandersetzung geliefert. Dabei teilt Meisner mit Wagenknecht die Kritik an der linksliberalen Variante der Identitätspolitik, diagnostiziert dann aber bei Wagenknecht Verharmlosung von Rassismus und Sexismus.
„Das ist aber leider noch nicht alles. Ganz unironisch wirbt Wagenknecht in ihrem Buch zentral nicht bloss für deutsches Nationalkapital, also für einen innovativen Standort Deutschland und dessen Industrie, sondern auch für CDU-Werte wie Tradition, Gemeinschaft, Fleiss und Anstrengung“, kritisiert Meisner die Rhetorik von Wagenknecht und ihren Unterstützer*innen. In seiner Kritik kann sich Meisner durch die ersten Erklärungen des Bündnis Wagenknecht bestätigt fühlen. Das liest sich eher wie ein Aufguss der Thesen eines Ludwig Erhardt. Mit Karl Marx hat es nichts zu tun. Daher hat Meisner völlig recht, wenn er kurz und knapp zusammenfasst, was hier völlig fehlt: der Antikapitalismus.
Gegen Verschwörungstheorien und linksliberalen Konformität
Meisners Gegenkonzept kann in einem schmalen Buch natürlich nur schlagwortartig sein. Aber wenn man dann liest, die neueste Linke erinnert daran, dass es Feminismus, Antikapitalismus und Ökologie nur als antikapitalistische und universalistische Emanzipationsbestrebungen geben kann“, fragt man sich schon, ob es nicht etwas konkreter geht.
Meisner reisst viele Themen kurz an. Wenn er dann endlich zur linken Medienkritik kommt, findet man gute Überlegungen. So bemerkt er sehr treffend, dass die Konformität grosser Teile der Medien keine Folge einer Verschwörung von oben ist, „sondern in einem tief ausgeprägten Anpassungsbedürfnis der Verbürgerlichten“ eine wichtige Begründung hat.
Auch Meisners diagnostizierte „Krise der Öffentlichkeit“ enthält viele diskussionswürdige Überlegungen. Über einen Grossteil der Medien schreibt er: “Was so definitiv nicht verteidigt wird, ist ein demokratisches Interesse, eher schon der neoliberale Katechismus der eigenen gläubigen Vergangenheit“. Meisner gelingt auch eine gute Kritik an jenen linksliberalen Journalismus, der keine Kritik mehr am real existierenden Kapitalismus zulässt. „Als antikapitalistische Linke – als demokratische Sozialist*innen, lässt sich hier nicht mitlaufen, ohne sich selbst und die eigene Geschichte durchzustreichen“.
Das könnte als eine Mahnung für Zeitungen wie der Jungle World verstanden werden, die einst zu den härtesten Kritiker*innen der deutschen Verhältnisse gehörte und heute bis auf seltene Ausnahmen die deutschlandfreundliche Fraktion des ukrainischen Nationalismus fast bedingungslos verteidigt. Nicht folgen muss man Meisner, wenn er für ein Verbot von Werbung und Mode fordert. An dieser Stelle wird die Trennung zwischen linker Medien- und konservativer Kulturkritik unscharf.
Insgesamt aber hat Meisner mit seinem Buch eine dringend notwendige Debatte über eine linke Medienkritik eröffnet. Es wäre zu wünschen, dass sie aufgegriffen wird.
Peter Nowak